Boris Nemsic‘ Karriere spielt nicht mehr in Österreich. Wieso er sich jetzt als Gastarbeiter sieht
Seine Tage in Wien sind gezählt. Dass wir Telekom-Manager Boris Nemsic in Österreich antreffen, ist Zufall. „Vergangenes Jahr waren es nicht mal dreißig Tage hier“, erklärt er. „Ich bin Dubai-Resident, dort angestellt, zahle dort Steuern – wenn auch nicht viel.“ Nemsic nennt sich Auslandsösterreicher und Gastarbeiter im Emirat Dubai, das er „Disneyland für Erwachsene“ bezeichnet. Was den ehemaligen Telekom-Austria-Boss dorthin treibt? Darüber und über seine Karriere damals und heute spricht er mit dem KURIER.
KURIER: Boris Nemsic ist wieder mal in Österreich. Und hat sich bei einem Start-up beteiligt.
Boris Nemsic: Es ist nur ein kurzer Besuch, weil ich in Dubai lebe und arbeite. Ein paar Tage im Monat komme ich, jetzt gab es zwei gute Anlässe: der Verkauf eines meiner Start-ups, KnowledgeFox, und der Launch von Educom, wo ich mich beteiligt habe. Ich habe immer ein Herz für die Bildung, das ist die Grundlage für alles. Da bin ich gern dabei.
Bei Ihnen hat das Studium an der TU die Basis gelegt für eine internationale Karriere.
Gott sei Dank war meine Großmutter mein „Enabler“ und hat mir Deutsch beigebracht. Das war die Basis für alles in meinem Leben. Dann das Studium mit Fokus Mobilfunk. Warum ich das studiert habe, weiß ich gar nicht. Vielleicht, weil ich so frustriert war von der schlechten Telefonie in meiner Kindheit. Ich musste mich mit meiner Oma einen Tag bei der Post anstellen, um mit den Eltern telefonieren zu können. Ich wollte das ändern.
Waren Sie als Migrant in Österreich willkommen?
Das ist heute ein großes Thema, 1985 war es das nicht. Ich habe mich nie als Migrant gefühlt. Was heißt das schon – Wien-Vorarlberg ist wie Wien-Sarajevo, wo sind die Grenzen? Wenn man heute Migration denkt, geht es vor allem um die kulturellen Unterschiede. Wer Werte, Gebräuche und die Gesellschaft anerkennt, hat kein Problem. Man muss sich auch benehmen. Man kann seine Kultur nicht mitbringen und glauben, dass das funktioniert. Ich habe Deutsch gesprochen und bei uns daheim gab es Schnitzel. Wenn ich in Dubai bin, respektiere ich dort die Kultur und die Gebräuche.
Sie haben sogar die österreichische Staatsbürgerschaft bekommen für besondere Verdienste.
Stimmt, darauf bin ich stolz. Freunde meinten, ich sollte sie mir über den Handball-Sport holen (Anm.: Nemsic war Tormann beim UHC Stockerau, jetzt ist er Ehren-Präsident der Handballigen Austria), ich fand den Weg als Wissenschaftler besser.
Sie waren Tormann, da hält man den Ball auf, stoppt. Welche Rolle haben Sie als Manager?
Das hat eine tiefere Symbolik. Als Tormann bist du irrsinnig wichtig, denn dein Fehler ist ein Tor. Du bist ganz alleine, kannst aber nur funktionieren, wenn die Verteidigung mitspielt. Und du bist ein bisschen ein wilder Hund, weil du musst was einstecken können. Aber: Wenn du super bist, kannst du Matchwinner sein. Da sind viele Parallelen zum Management. Man muss Entscheidungen treffen, Mut haben, sich zu stellen, mit der Mannschaft sehr direkt umgehen. Management ist Teamsport.
Sie haben eine beachtliche Karriere gemacht. Was treibt Sie von einem Job zum nächsten?
Ich bin sicher erfolgshungrig. Ich liebe den Erfolg, ich kann aber auch Niederlagen einstecken. Das ist normal, das muss auch sein. 2006 bei der Mobilkom haben wir alle neuen Lizenzen verloren. Im Jahr danach wurde ich „Mann des Jahres“, weil wir alles gewonnen haben. So ist das Managerleben.
1997 bis 2009 waren Sie bei der Mobilkom/Telekom, als der Mobilfunk richtig groß wurde. Das ist auch ein Glück.
Natürlich. Großes Glück. Aber ich habe mich qualifiziert dafür. Ich bin an dem Thema schon 10, 15 Jahre vorher gehangen.
Wieder so eine berufliche Basis.
Stimmt. Erste Basis: Deutsch. Dann Ausbildung. Doktorat. Dann die Gunst der Stunde, dass der Mobilfunk eingeschlagen hat. Man braucht auch gute Chefs. Die hatte ich, an der Uni Prof. Bonek und Prof. Scholtz und dann Heinz Sundt bei der Telekom. Natürlich muss man auch liefern.
Sie haben geliefert. Und sich aus Skandalen raushalten können. Stichwort: Telekom-Skandal.
Dafür muss man auch Glück haben. Natürlich tut man alles, dass man nicht in einen Skandal verwickelt wird. Aber es kann auch blöd laufen, ohne dass man eine Ahnung hat.
Sie sind seit 2009 im Ausland. 2011 haben Sie sich für die ÖIAG (heute ÖBAG) beworben. Wieso?
Das hat sich zeitlich gut ergeben, weil ich gerade in Russland fertig war. Ich habe die damalige ÖIAG als gutes Instrument empfunden, habe gedacht, ich könnte meinen Beitrag leisten. Gott sei Dank hab ich es nicht bekommen.
Wieso Gott sei Dank?
Weil drei Monate danach der Telekom-Skandal ausgebrochen ist. Das hat mich sehr beschäftigt, weil ich per Funktion mittendrin war. Es hat mich aus heiterem Himmel getroffen, ich war gerade irgendwo in Griechenland. Ich hab dann gleich am Abend meine Prämie zurückgezahlt, die strittig war. Der Rest ist Geschichte. Ein Beispiel dafür, wie Dinge entstehen können und sich entwickeln. Manches kann man nicht kontrollieren.
In einem Interview haben Sie einmal gesagt „Wien fehlt mir“.
Wien fehlt mir jetzt noch viel mehr. Die 70 Tage, an denen ich da sein darf, sind viel zu wenig. Wien ist mein Zuhause, die Kinder sind hier geboren, ich habe hier meine besten Jobs gehabt. Wien ist fantastisch, das wissen alle. Was nicht mehr super ist, ist die Auswahl an Spitzenjobs. Da ist das Spektrum sehr viel kleiner geworden.
Jetzt Dubai. Wie lebt es sich dort?
Ich bin bei Delta Partners, war dort Partner bevor die Firma von FTI übernommen wurde. Wir sind eine Beratungsfirma, spezialisiert auf Telekom. Dubai? Ich lebe dort in einem Serviced Apartment, es ist wie Disneyland für Erwachsene.
Als Sie jung waren, war da absehbar was sich durch den Mobilfunk für Chancen ergeben?
Ich habe es zutiefst geglaubt. Immer. Ich war sicher, weil es gut für die Menschen ist. Weil es hilft, das Leben erleichtert. Sehen wir auch jetzt, wie die Kommunikation das „normale“ Leben in der Pandemie ermöglicht.
Die Entwicklungen in Ihrer Berufszeit waren exponential – wird das so weitergehen?
Ziemlich sicher sogar. Wenn ich jetzt wüsste, was in 20 Jahren sein wird, würde ich ein Patent schreiben. Weiß ich leider nicht. Aber die schnelle Entwicklung lässt sich nicht aufhalten.
Von Sarajevo bis Dubai: Wo ist Ihre Zukunft?
Ich weiß nicht, wie lange die Zukunft noch ist. Aber ich habe den Wunsch, in Wien und auf der kroatischen Insel zu sein, am slowenischen Berg und in Istrien. Frei und nach Lust und Laune.
Wieso hängen Sie Ihre Jobs nicht an den Nagel und lassen es gut sein?
Mir ist auch so sehr gut. Die Jobs waren und sind nie eine Belastung.
Zur Person:
In Österreich: Mit 27 kam Boris Nemsic 1985 zum Studium von Sarajevo nach Wien. Seine Eltern sind Juristen, seine Oma hat österreichische Wurzeln, sie sprach mit ihm Deutsch und kochte Schnitzel. 1990 promovierte er an der TU Wien, arbeite zwei Jahre am Institut für Nachrichten- technik und Hochfrequenztechnik. 1997 bis 2009 war er bei der Telekom Austria (bzw. Mobilkom), ab 2006 übernahm er den TA-Vorstandsvorsitz.
Im Ausland: 2009 bis 2011 war Nemsic Vorstandsvorsitzender bei VimpelCom in Russland. Danach wurde er Partner bei Delta Partners, einer Beratungsfirma in Dubai (die an FTI verkauft wurde). Nemsic ist Industry Advisor bei KKR (in London), hat diverse Aufsichtsratpositionen und eine eigene Firma in Österreich. Er ist geschieden und hat zwei erwachsene Kinder. Er lebt in Dubai.
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