"Bisschen teuflisch darf’s schon sein"
Adel Abdel-Latif arbeitet unbemerkt. Als Berater im Hintergrund flüstert er seinen Klienten aus Politik und Wirtschaft gewiefte und nicht immer feine Verhandlungstaktiken ein, statt mit der Gegenseite den Konsens im Dialog zu suchen. Weil die Geschäftswelt nun mal eine harte ist. Weil die Gegenseite nicht immer fair spielt. In seinem neuen Buch "Quick & Dirty" holt er sich fürs harte Verhandeln Strategien aus dem Kickboxen.
KURIER: 2013 wurden Sie Kickbox-Weltmeister – damals kämpften Sie mit Tritten und Fäusten. Jetzt geben Sie Managern Tipps zum verbalen Verhandeln – wie passt das zusammen?
Adel Abdel-Latif: Ich habe den Clinch eigentlich eher immer mit Köpfchen gelöst, als mit rohen Schlägen. Beim Kickboxen befindet man sich in einer Extremsituation – es gibt schlicht keine andere Aussicht auf einen Gewinn, außer sich im Ring dem Kampf zu stellen. Das ist beim Verhandeln wie ich es durchführe, genauso. Hinter einem Kampf steckt viel Psychologie, es geht weit über den physischen Schlagabtausch hinaus.
Welche Methoden übernehmen Sie da genau?
Man braucht sich nur einen Kampfsportler ansehen: Vor einem Kampf verschafft er sich Informationen über seinen Gegner, will wissen, wir er tickt und wo seine Schwächen liegen, er stellt sich ein Team zusammen, macht sich Gedanken über die Taktik. Das ist ein sehr klar strukturierter Prozess. Beim Verhandeln ist das alles ebenfalls extrem wichtig.
Sie schreiben, dass Sie beim Verhandeln mit allen Mitteln gewinnen. Wirklich mit allen Mitteln?
Ich pflege einen Grundsatz: Solange sich die Gegenseite fair verhält, tu’ ich das auch. Sobald ich merke, das ist nicht der Fall, setze ich Techniken ein, die durchaus abseits der üblichen Wohlfühlzone und der bekannten Verhandlungskonzepte liegen. Ich will niemanden zu etwas anstiften, aber Verhandlungspartner spielen nicht immer fair – viele gehen als Gutmenschen in Verhandlungen und dort dann unter. Um das Ziel meiner Klienten zu erreichen, wende ich da also äußerst effektive Werkzeuge an. Dafür werde ich auch hoch bezahlt.
Heißt, die Schlawiner gewinnen, die Gutmenschen verlieren?
Ja. So ist das nun mal in der Businesswelt. Wenn Sie zum Typ Gutmensch gehören und nicht ein gewisses Maß an Frechheit und Mut an den Tag bringen, werden Sie den Kürzeren ziehen. Bisschen teuflisch darf’s schon sein.
Welche Tricks wenden Sie an?
Mein Favorit ist das Verhandeln am Telefon. Man muss die Gegenseite überraschend anrufen und fragen. "Hast du mal eine Minute?" Da sagt jeder "klar." Da Sie dann aber auf die Verhandlung vorbereitet sind, können Sie Ihr unvorbereitetes Gegenüber relativ einfach zu Zugeständnissen zwingen. Umkehrschluss: Lassen Sie sich niemals unvorbereitet in ein Telefongespräch verwickeln, blocken Sie mit "Ich bin gerade in einer Sitzung" ab und verlangen Sie ein eMail. Und: Argumentieren Sie niemals. Fordern Sie hingegen kontinuierlich.
So teuflisch ist das gar nicht. Sie schreiben im Buch über Wanzen, Ausspionieren und Abhören.
Ich selbst wende keine illegalen Techniken an, habe aber schon oft selbst erlebt, dass solche Methoden manchmal leider zum Tagesgeschäft gehören. Wir sehen ja, wie dreckig Griechenland mit Deutschland verhandelt hat: Die Griechen haben Gespräche aufgezeichnet, Entscheidungen ewig aufgeschoben, verzögert, Termine platzen lassen, Hoffnungen gemacht und Vereinbarungen gebrochen. Da waren Profis an der Front, die mit allen Wassern gewaschen sind.
Aber solche Taktiken hinterlassen viel verbrannte Erde und eine üble Nachrede.
Die allerhöchste Kunst beim Verhandeln ist es, nie einen Gesichtsverlust der Gegenseite zuzulassen. Rein faktisch gewinnt einer mehr als der andere. Psychologisch aber muss man es schaffen, den Gegner nicht als Loser dastehen zu lassen. Wenn Sie den anderen demütigen, gibt es Kollateralschäden, Sie haben sich dann einen Feind herangezüchtet, der Sie für immer mit allen Mitteln aktiv bekämpfen wird. Das machen wirklich nur Dummköpfe. Hart verhandeln hat nichts mit hartem Umgangston zu tun. Verhandlungsprofis sind charmant, eloquent und können zuckersüß lobend extrem unter Druck setzen.
Das "Harvard Konzept" besagt, dass richtiges Verhandeln auf einer Win-Win-Situation beruhen soll.
Diese Ideologie mag ja gut klingen. Ich bin aber kein Sozialromantiker. Wir verhandeln im Schnitt 40-mal am Tag, in 20 Prozent der Fälle – wenn Ihr Gegenüber einfach "Nein" sagt – funktioniert einfach kein Win-Win.
Welche Fehler führen sicher zum Scheitern?
Schlechte Vorbereitung, Drohungen und Indiskretion.
Wann haben Sie das letzte Mal nicht das bekommen, was Sie wollten?
Gerade heute morgen. Meine vierjährige Tochter schafft es problemlos, mich um den Finger zu wickeln.
„Quick & Dirty: Die geheimen Strategien und Taktiken des Verhandlungsprofis“ ist im Redline Verlag erschienen; 14,99 Euro.
Der Ghost Negotiator gastiert mit seinem zweitägigen Seminar „Meisterhaft verhandeln - Strategie & Taktik“ vom 9. bis 10. November 2015 in Wien. Tickets über www.akademie-fuer-verhandlungsfuehrung.com erhältlich.
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