„Bildet euch weiter, nur so besteht ihr“

„Bildet euch weiter, nur so besteht ihr“
Noch nie haben sich so viele Erwachsene weitergebildet, zeigt die neue „Bildung in Zahlen“-Erhebung.

KURIER:  Der neue „ Bildung in Zahlen“-Bericht zeigt: Immer  mehr Erwachsene nutzen  Aus- und Weiterbildungsangebote, 60 Prozent sollen  es aktuell sein – ein neuer Höchstwert.  Boomt die Erwachsenenbildung?
Elke Gruber: Alle Experten, mit denen ich diese Ergebnisse besprochen habe, sind ein wenig verblüfft, auch ich war erstaunt. Denn aus anderen Teilen der Welt hört man immer wieder, dass die Weiterbildung entweder stagniert oder sogar zurückgeht. Aber die Arbeitskräfteerhebung zeigt ein ganz ähnliches Bild, wenn es um lebenslanges Lernen geht und auch die Volkshochschulen verzeichneten gerade ihre besten Geschäftsjahre.

Warum bilden sich immer mehr Menschen weiter?
Die Weiterbildung ist endlich in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die aktuellen Zuwachsraten gehen zwar sehr stark auf den beruflichen Kontext zurück, aber auch Neugier, Freude am Lernen oder Persönlichkeitsentwicklung spielen eine Rolle. Zudem hat sich in den letzten 30 Jahren das Bildungsniveau erhöht und wir wissen: Menschen mit höherer Bildung sind wesentlich bildungsaffiner. Das hat aber auch seine Schattenseiten, denn die Ungleichheit der Bildung führt sich dann auf höherer Ebene fort.

Höchste Teilnahmequote gibt es bei den 25- bis 34-Jährigen. Wollen sich die Jungen breiter aufstellen, auf  alle Eventualitäten des Joblebens gefasst sein?
Sie müssen sogar. Früher hat man eine Weiterbildung gemacht, um aufsteigen zu können, heute fällt man ohne sie raus. Die Zahlen sind aber auch Ausdruck eines immer flexibleren Arbeitsmarktes – die Jungen haben Stehzeiten und nutzen das eben zum Lernen. Ein Faktor ist auch, dass diese Generation von ihrer Sozialisierung  her bildungsaffin ist. Ihnen wurde immer gesagt: Bildet euch weiter, nur so besteht ihr im Leben.

Haben die Menschen mehr Lust auf Bildung oder erwarten die Firmen das von ihren Mitarbeitern?
Ich habe gerade einen Vortrag zum Thema „Lebenslanges Lernen zwischen Wollen, Müssen und Können“ gehalten. Es sind sicher alle drei Parameter, die das Spannungsfeld ausmachen.
Aber es scheint, Firmen packen das Thema stärker an. Schon 88 Prozent sollen laut der Erhebung Weiterbildung fördern oder finanzieren.
Eines ist leider weiter sichtbar: Unternehmen investieren mehr in die Weiterbildung von Männern als von Frauen. Die absolvieren die berufsbezogene Weiterbildung eher in der Freizeit. Da herrscht ein finanzieller Gap.

Obwohl sich mehr Firmen engagieren, wird für den Einzelnen weniger ausgegeben  als früher. Wie passt das zusammen?
Meine Vermutung ist, dass man vieles, wie beispielsweise Teambuilding-Ausflüge übers Wochenende, heute ins Internet oder in Inhouse-Schulungen verlagert hat. Da geht natürlich manches vom Sinn der Weiterbildung verloren.

Vor allem Menschen mit Beschäftigung nutzen Weiterbildungsangebote, Menschen ohne Arbeit kaum. Ist das nicht paradox?
Die Teilhabe an Weiterbildung ist in unserer Gesellschaft ganz stark an Beruf und Beschäftigung gekoppelt. Weiterbildung kann eben nur einen Teil des Ganzen leisten.

Die Gruppe der Ü50-Jährigen ist am stärksten von Arbeitslosigkeit betroffen. Trotzdem gibt es hier den geringsten Zuwachs an Weiterbildung.
Solange die Unternehmen sagen, sie wollen keine 50-Jährigen beschäftigen, werden sie sie auch nicht weiterbilden. Viel hängt auch von der Größe ab: die großen Firmen sind weiterbildungsaktiver  als Kleinunternehmen. Das ist aber logisch: Wie soll man als ein Betrieb mit zehn, elf Mitarbeitern drei zur Weiterbildung schicken?

Welche Trends sehen Sie? Was wird wichtiger?
Global geht es natürlich überall um die Digitalisierung. Was von diesem großen Hype bleiben wird, ist hoffentlich ein ausgewogenes Verhältnis zwischen sozialen Kontakten und digital gestützten Angeboten. Was ich aber schon sehe, sind sehr spezielle Angebote für den Einzelnen. Die Unternehmen  fragen sich immer häufiger: Was kann ich dem Mitarbeiter geben, damit er seine Arbeit besser bewältigen kann?

Bildungs-Vorbild

Zur Person: Elke Gruber ist Leiterin des Arbeitsbereiches Erwachsenen- und Weiterbildung am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft der Uni Graz. 2017 wurde sie mit dem  Bruno-Kreisky-Preis für das Politische Buch ausgezeichnet, gewann den Sonderpreis in der Kategorie „Arbeitswelten – Bildungswelten“ und ihr wurde der Staatspreis für Erwachsenenbildung in „Wissenschaft und Forschung – Gesamtwerk“ verliehen.

Bildung in Zahlen

Die Statistik Austria veröffentlichte diese Woche ihren aktuellen Bericht zur Struktur des österreichischen Bildungswesens. Fazit: Österreicher liegen bei der Erwachsenenbildung im europäischen Spitzenfeld.

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