Bewegt Menschen, nicht Geld

Ruffboards-Gründerin Melanie Ruff beim Pitch.
Ruffboards gewinnen für Österreich beim internationalen Gründer-Wettbewerb .

Aus London.

Die alten Dielen des Dachbodens knarren bei jedem Schritt. Hinter den Kulissen des Drehs ist deshalb besonders behutsames Bewegen angesagt. Denn vor der Kamera geht es für 18 Menschen heute um die Zukunft ihrer Geschäftsidee. Jede Ablenkung ist hinderlich, jedes Geräusch gefährdet ihre Konzentration. Diese Menschen geben gerade alles, um den perfekten Pitch hinzulegen.
Denn hier, am Dachboden einer alten Fabrikshalle nahe der Tower Bridge in London, findet das Europa-Finale des „Join Our Core“ Social-Start-up-Wettbewerbs statt. Die Gründer pitchen um 10.000 Euro und die weltweite Präsenz des eigenen Firmenlogos auf Millionen Ben-&-Jerry’s-Eisbechern im Jahr 2015. Zudem erwartet sie ein halbjähriges Ashoka-Mentoring, das sie mit den Mächtigen und Wissenden vernetzen soll. Je weiter die gute Tat reicht, desto größer ihre Wirkung in der Welt, so die Idee hinter dem Bewerb.

Gut gegen gut

Mehr als 430 Start-ups aus neun europäischen Ländern haben sich heuer beworben. Zwei 18- bis 35-jährige Gründer aus jedem Land durften am Mittwoch vergangene Woche schließlich beim Finale gegeneinander antreten – nur einer pro Land konnte gewinnen. Diese Gründer präsentieren sich: Sie schwimmen gegen den Wirtschafts-Strom und stellen Mitmenschen und die Lösung gesellschaftlicher Probleme in den Vordergrund ihres Geschäfts, nicht den Profit.
Für Österreich pitchen heuer Melanie Ruff mit „Ruffboards“, einem Start-up, das mit Ex-Häftlingen alte Snowboards zu Longboards erneuert, und Theresa Steininger mit ihrem nachhaltigen Wohnkonzept „Wohnwagon“. Sie müssen sich am Dachboden vor der neunköpfigen internationalen Unternehmer-Jury beweisen. Nervös sind sie nicht, sagen sie. Ihre Anspannung spürt man aber. Um 15:30 wird Ruff auf den kleinen grünen Kunstrasen ins Studio gebeten. Ein letztes Durchatmen, Sammeln, los geht’s. Immer dabei: ihr Longboard. In vier Minuten erklärt sie der Jury, warum sie nicht auf Kosten von anderen leben will und Ruffboards gegründet hat, in weiteren acht geht sie auf deren Fragen ein. Ihr Pitch geht Schlag auf Schlag und Steininger ist dran. Gleiche Aufgabe, gleich gute Lösung – Applaus, ein Handshake hier, ein Foto da. Binnen weniger Minuten ist das Spektakel, auf das die jungen Frauen wochenlang hingefiebert haben, vorbei. „Jetzt muss ich mal skaten gehen, den Kopf frei kriegen“, lacht Ruff.
Um acht Uhr ist es entschieden. Jerry Greenfield, Mitbegründer der Eis-Marke, ruft zur Gewinner-Verkündung. Die Projekte aus Österreich seien ihm besonders in Erinnerung geblieben, sagt er später im Interview. Ruffboards konnten sich beim Pitch mit ihrer Hands-on-Mentalität gegen „Wohnwagon“ durchsetzen – und so zum Sieg rollen.

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Der Ben-&-Jerry’s-Gründer über Einfluss, Visionen und Hürden von Social Start-ups.

KURIER: Ein Business mit sozialem Gedanken begeistert immer mehr Gründer. Ein Trend oder gar eine neue Wirtschaftsära?
Jerry Greenfield: Die Menschen wollen ihrer Arbeit heute eine Bedeutung verleihen. Sie suchen nach Wegen, ihre Überzeugungen und Werte in die Art, wie sie ihren Lebensunterhalt verdienen, einzubauen. Meine Generation war noch nicht imstande, sich bewusst dafür zu entscheiden. Das war für viele dann auch kein befriedigender Weg zu leben.

Was waren Ihre Beweggründe für diese Entscheidung?
Ben und ich hatten weder Geld noch Erfahrung, wir waren Neulinge und haben unseren Eis-Verkauf deshalb ziemlich konventionell aufgestellt. Über die Jahre haben wir aber verstanden, welche Rolle ein Business in der Gesellschaft spielen kann. Diese Macht nutzen wir seitdem, um ernste Angelegenheiten anzupacken.

Mit welchen Hürden muss man als soziales Start-up rechnen?
Die Gründer sind typischerweise sehr stark in ihrer Vision, ihren Werten und sozialen oder nachhaltigen Zielen. Manchmal fehlt es ihnen aber etwas an sattelfesten Business-Modellen, sie brauchen auch Unterstützung bei der Finanzierung.

Wie attraktiv ist Soziales für Banken?
Es gibt mittlerweile einige, die sich in dieses Feld hineinwagen. Aber die Bank ist üblicherweise kein Ort, an den man als sozialer Entrepreneur hingeht. Da trauen sich Investoren schon mehr, sie sind eher gewillt, größere Risiken auf sich zu nehmen. Und ein Investment in Soziales macht sich in ihrem Portfolio natürlich auch gut.


Diesem Finanzierungsproblem kommen Sie nun entgegen.
Genau. Vergangenes Jahr konnte ein „Join Our Core“-Gewinner durch das Ashoka-Mentoring mit den passenden Menschen zusammengebracht werden und hat es geschafft, für seine Idee 1,1 Millionen Euro zu lukrieren. Wir geben den Gründern aber auch Selbstbewusstsein und ein starkes Netzwerk. Wir helfen ihnen, ihre soziale Identität herauszuarbeiten. Manche fühlen sich isoliert, weil sie die einzigen in ihrem Bekanntenkreis sind, die so etwas machen. Wir stellen diese Menschen aber aufs Podest und sagen: Das können junge Menschen bewegen. Wir wollen diese Generation inspirieren.

Die Gewinner besuchen Sie in Ihrem Headquarter in Vermont, USA. Was können Sie von Ihnen und Ben Cohen lernen?
Wir sind nicht perfekt und haben nicht die Antworten auf alle Fragen. Aber wir reden mit ihnen und zeigen ihnen, was unser Verständnis von nachhaltigem und sozialem Wirtschaften ist. Wenn jemand vertiefende Beratung, etwa zu seinen Finanzen braucht, kann er sich für zwei Stunden mit unserem CFO zusammensetzen. Wir zeigen aber auch: Das sind Bereiche, mit denen ein soziales Geschäft hadert, seid darauf vorbereitet. Das wichtigste ist, dass die Gründer eine Vision davon entwickeln, wie ihre Geschäftsidee global die Welt verändern könnte.

Das bunte Eis in den bunten Bechern ist dank des Start-up-Wettbewerbs in aller Munde. Das kann bei manchem einen fahlen Beigeschmack hinterlassen. Engagiert sich ein Global Player wie Ben & Jerry’s sozial, sieht er sich oft mit dem Vorwurf des Greenwashings, der Reinwaschung von den eigenen wirtschaftlichen Sünden, konfrontiert. Durch gut inszenierte Förderung und PR würden Konzerne nur kompensieren und die eigene Marke aufpolieren wollen, heißt es schnell. Kaum ein Unternehmen, das sich mit einer guten Tat nicht gern in seinem Nachhaltigkeitsbericht brüstet.
Wie Onkel Ben im Spider-Man-Comic aber schon sagt: „Aus großer Macht folgt große Verantwortung.“ Die Großen können gestalten und die Kleinen brauchen einen Schubs – unabhängig vom Anlass. Eine Finanzspritze und mediale Aufmerksamkeit können sie weit bringen – die neue Gründer-Generation kommt ihrer Mission, die Welt ein bisschen besser zu machen, so tatsächlich näher. Wer in Kanada oder Neuseeland kennt schon „Ruffboards“? Wer kennt „FoodLoop“ oder „Shifo“? Ab Jänner wird ihr Logo aber auf Millionen Ben-&-Jerry’s-Eisbechern zu sehen sein, ihr Netzwerk wird sich vervielfachen, ihre Business-Idee dadurch multipliziert.
Durch die Großen kommen die Kleinen voran. Auch, wenn es in manchen Firmen tatsächlich nur um das Abputzen des Drecks am Stecken gehen mag – ihre Hilfe ist relevant und setzt zumindest an einer guten Stelle an.

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