"Bevormundung ist unnötig"

Monika Pusz sieht die Welt in großen Pixeln und arbeitet mit einem Vergrößerungs-Programm am PC.
Monika Pusz hat ein Diplom in der Tasche, ist zweifache Mama, hat einen Job – und ist fast blind.

Monika Pusz’ Lebensbegleiter heißt Fred. Er ist da, wenn sie Orientierung sucht, er zeigt ihr den richtigen Weg. Fred ist ihr Gehstock. Monika PuszSehvermögen beträgt ein Prozent auf dem rechten Auge, zehn Prozent auf dem linken. Das war nicht immer so – ihr Sehvermögen schwand langsam. Nach ihrem Studium der Landschaftsplanung musste sie daher neue Karrierepläne schmieden. Seit drei Jahren betreut sie Kunden im s ServiceCenter und will zeigen, dass körperlich beeinträchtigte Menschen vollwertige Mitarbeiter mit Anspruch auf Gleichbehandlung sind.

KURIER: Wie schränkt Sie Ihre Sehbeeinträchtigung im Alltag ein? Monika Pusz: Zu 80 Prozent ist sie normal geworden. Dann gibt es die 20 Prozent, die einen an die Grenzen treiben – wie etwa bei Türnummern finden. Dann komme ich eine Dreiviertelstunde früher zum Termin und frage mich vor Ort durch.

Sie haben die BOKU absolviert, arbeiten jetzt im Callcenter. Wie kam es dazu?

Nach der Diplomarbeit ist mein Sohn auf die Welt gekommen, in der Karenz habe ich noch eine Zusatzausbildung zur Abfallwirtschaftsbeauftragten gemacht. Mein Sehvermögen hat aber ständig abgenommen und ich dachte: Jetzt musst du dich auf dein neues Leben vorbereiten. Ich habe Hunderte Bewerbungen in alle Richtungen ausgeschickt und einen Braille-Kurs gemacht. Dann bin ich auf diesen Job aufmerksam gemacht worden – und habe ihn als guten Berufseinstieg gesehen. Davor wäre ich am liebsten in die Landschaftsplanung gegangen.

Wie sind Ihre Bewerbungen angekommen?

Es gab kaum Rückmeldung. Ich habe mich aber auch noch über die ABAk (Arbeitsassistenz, verbindet Akademiker mit Behinderung und Arbeitgeber, Anm.) beworben. Da bin ich sehr wohl zu Gesprächen eingeladen, aber auch relativ schnell abgelehnt worden.

Warum?

Ich glaube nicht, dass es an der Sehbeeinträchtigung gelegen hat. Ich habe mich eben auch für ganz andere Bereiche beworben – da hat die passende Ausbildung gefehlt.

Wie war dann der Berufseinstieg?

Eine große Umstellung. Ich bin für anderthalb Monate ins Arbeitstraining vom AMS gekommen. In dieser Zeit wird der neue Arbeitsplatz getestet. Das Erlernen der Braille-Schrift war aber heftig. Mein Tastsinn war nicht so aufgeprägt, es hat sich nach einer Weile wie ein Reibeisen angefühlt. Die Sinne sind da völlig durcheinander.

Es heißt, durch die Beeinträchtigung eines Sinnes würden die anderen besser funktionieren.

Das stimmt, mein Geruchssinn ist extrem ausgeprägt.

Hilft Ihnen das im Job?

Ich weiß dadurch, wann welche Chefin ums Eck gebogen kommt. Das erkennt man am Duft (lacht).

Welche Hürden sehen Sie im Job?

Gewisse Aufgaben werden einem nicht zugemutet – das ist das größte Problem für Menschen mit Behinderung. Die anderen tendieren dazu, einen zu bevormunden. Sie sagen: "Ach, das schafft er nicht. Das wird nichts." Gewisse Dinge gehen natürlich wirklich nicht. Aber sehr viele sehr wohl. Das muss man den anderen immer beweisen. Dieser Prozess ist zäh. Bevormundung ist unnötig.

Welche Weiterentwicklungsmöglichkeiten haben Sie?

Diese Firma ist groß und breit gefächert, es gibt immer wieder Möglichkeiten, in andere Bereiche zu wechseln.

Es heißt, diverse Teams sind besser aufgestellt – je vielfältiger, desto effizienter.

Das sehe ich auch so. Mein Bildschirm ist zum Beispiel sehr groß und ich sehe dadurch sehr viele Details – und dadurch auch Kleinigkeiten, die einem anderen vielleicht entgehen.

Lediglich 22 Prozent der heimischen Betriebe erfüllen die Quote für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung. Verstehen Sie das?

Viele fürchten den Mehraufwand, den es am Anfang eventuell geben könnte. Es ist eben ein Prozess, bis man die speziellen Schulungen absolviert und seinen Platz im neuen Job gefunden hat. Aber das kann man überbrücken. Dann funktioniert alles wie am Schnürchen – genauso wie bei jedem anderen. Viele hegen auch Vorurteile, dass diese Menschen etwa öfter im Krankenstand sind. Ich kann nicht für alle sprechen, aber es ist schon schwierig genug, einen Job zu finden. Wenn man dann einen hat, spielt man natürlich nicht damit. Der erhöhte Kündigungsschutz ist da keine Job-Garantie.

Was halten Sie von der Quote?

Ich habe von ihr profitiert.

Ihr Wunsch an den Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung?

Es braucht ein Wollen und mehr Aufklärungsarbeit von beiden Seiten. Erst dann kann mit den Vorurteilen aufgeräumt werden.

Die 38-Jährige studierte Landschaftsplanung an der BOKU. Nach ihrer Karenz – Pusz hat zwei Söhne – stieg sie 2012 mit einer starken Sehbeeinträchtigung beim s ServiceCenter der Erste Bank und Sparkasse ein. Sie arbeitet 25 Stunden an Marketing-Aktionen und betreut Kunden im Frontoffice.

15. 10., Tag des Weißen Stockes
Beim Blinden und Sehbehinderten-Verband steht heuer der „Zugang zum Arbeitsmarkt“ im Mittelpunkt. Verstärkte Aufklärungsarbeit soll den überdurchschnittlichen Anstieg der Arbeitslosenzahlen bei (seh-) behinderten Menschen aufhalten.

Kommentare