Barton: Mehr "Wir", weniger "Ich" bei Managern

Barton: Mehr "Wir", weniger "Ich" bei Managern
McKinsey gilt als mächtigste Beraterfirma der Welt. Trotzdem sorgt sich Weltchef Dominic Barton um die Zukunft.

Keine Firma braucht Consulter“ – dieser Satz stammt tatsächlich aus dem Mund des Chefs der mächtigsten Unternehmensberatung der Welt. Dominic Barton, Worldwide Managing Director der einflussreichen McKinsey & Company, ist eben anders.

Vielleicht war auch er einmal ein großkotziger Dreißigjähriger im Designeranzug? Man kann es sich nicht vorstellen. Karrierehungrig war der 1962 in einer kanadischen Kleinstadt Geborene aber sicher, sonst wäre er nicht, wo er heute ist. Barton wirkt intensiv, keine Frage, aber der schlanke Mann mit den schönen Händen überzeugt durch zurückhaltende Intelligenz. Floskeln und Starallüren? Keine. „Dom“ antwortet auf eMails persönlich und ruft zurück. Verlässlich. Dem Sohn eines Geistlichen fällt kein Stein aus der Krone, wenn er sagt: „Da wissen andere besser Bescheid als ich.“ Vielleicht hat er deshalb in der eigenen Firma auch Kritiker? Der KURIER bat ihn zum Gespräch.

KURIER: Wer braucht überhaupt Consulter?
Dominic Barton: Eigentlich niemand. Jedenfalls nicht so, wie Firmen Anwälte brauchen. Es gibt keine Verpflichtung, uns zu beschäftigen. Aber wir sehen eine starke Nachfrage, die in Zeiten steigernder Instabilität immer größer wird.

Berater stehen aber nicht selten im Verdacht, mehr zu kosten, als sie bringen.
Genau daher lehnen wir Projekte ab, bei denen wir nicht qualifiziert sind oder nicht unserer 1:10-Regel folgen können. Die besagt: Wir müssen zehn Mal mehr bringen, als wir kosten. Ein einziges schlechtes Projekt ist wie Gift im Trinkwasser.

Fühlen Sie manchmal persönlich die Ablehnung Ihrem Berufsstand gegenüber?
Bei meiner Hochzeit kam jemand zu mir und sagte: Ihr wart bei uns und habt nichts Gutes getan. Das hat mich getroffen. Andererseits: 80 Prozent unserer Aufträge kommen über Referenzen. Und ich hoffe, ich wirke nicht arrogant, wenn ich sage: Das bedeutet, dass wir gut sind.

In der eigenen Firma haben Sie es mit Erneuerungsplänen auch nicht immer einfach.
Ja. Ich musste Kosten reduzieren. Zwar wurde niemand entlassen, aber ich habe Vorteile wie Business-Class-Flüge oder teure Hotels gestrichen. Manche waren wütend auf mich. Zweitens meine ich, dass nicht jeder Klient mit einem Problem einen McKinsey-Projektmanager und zwei Mitarbeiter braucht. Manche Kunden wollen einfach unsere Daten. Wie etwa in China. Dort machen wir seit 10 Jahren Verbraucherstudien mit 60.000 Leuten.

Sie sagen, McKinsey sei nicht gut darin, die eigene Medizin zu nehmen. Warum?
Wie ein Arzt, der selbst einen Arzt braucht, holen auch wir Rat von CEOs ein. Manche erstaunt das. Zu unserer Zukunft: Ich fürchte, manchmal wenden wir zu stark das New-York-Business-Model an. Ich sorge mich über unsere Flexibilität. Vielleicht sind wir teils auch zu arrogant aufgetreten. In China kosten wir oft mehr als das gesamte Management. Da fragt man natürlich, was wir bringen.

Was wird das bestimmende Karrieren-Thema der Zukunft?
Wir leben heute länger, Menschen müssen über multiple Karrieren nachdenken. Wenn ich bei McKinsey in Pension gehe, muss ich mich vorbereiten, was ich die 30 Jahre danach mache.

Schon Pläne?
Würde ich bei McKinsey gefeuert, würde ich wohl ein Polytechnikum in Deutschland kaufen und daraus eine Kette machen. Deutschland ist in der Technikerausbildung Weltspitze. Dort ist es kein Stigma, „nur“ Techniker zu sein.

In der Technik liegt – noch immer – die Zukunft?
Die Technologie entwickelt sich drei Mal schneller als das Management. Könnte ich meine Ausbildung neu starten, würde ich mir ein besseres Verständnis der Technik aneignen. Sie ist Herz und Basis des Fortschritts.

Zurück zum Thema Pensionen: Viele gehen früh in Pension, weil sie erschöpft sind. Geht es, mehr zu arbeiten?
Ich stimme zu, 24/7 und die verschwimmenden Grenzen zwischen Privat- und Berufsleben bedeuten Stress. Dagegen habe ich keine Lösung anzubieten. Wir sehen auch, dass die Anzahl der Menschen, die in den USA CEOs werden wollen, abgenommen hat. Die Leute merken: Das ist nicht so ein toller Job.

Kann man die zu viel verlangende Business-Kultur verändern?
Es braucht Rollenvorbilder. Aber der Puls des Marktes schlägt immer schneller. Ich gehe mit Jetlag etwa um, indem ich laufe. Persönliches Zeit- und Ressourcenmanagement ist für CEOs ein großes Thema. Man muss etwa wissen, zu welcher Tageszeit man am fittesten ist, Entscheidungen zu treffen. Solche Kleinigkeiten verändern, wie Führungskräfte führen.

Führen diese derzeit gut?
Führungskräfte von Morgen müssen es anders machen. Was sie tun und wer sie sind verändert sich. Sie müssten lernen, mit einem Auge durch ein Teleskop und mit dem anderen durch ein Mikroskop zu sehen.

Mehr Charakterschule?
Man kann nicht andere führen, bevor man sich selbst führen kann. Manager brauchen ein Verständnis für den Sinn ihres Tuns. Auch unser kapitalistisches System braucht Renovierung. Alle denken in viel zu kurzfristigen Zyklen.

Was war Ihre wichtigste Management-Lehre?
Ich habe Möglichkeiten angenommen, mit tollen CEOs zusammengearbeitet und ich widme jedes Jahr der gemeinnützigen Arbeit Zeit. Ich glaube, es war ein CEO in Korea, der mir folgende buddhistische Weisheit mitgab: „Je mehr du gibst, ohne etwas zurückzuerwarten, desto mehr wirst du erreichen.“

Unternehmen: McKinsey und Company

McKinsey & Company Inc., gegründet 1926 in Chicago, ist ein globales Management-Beratungsunternehmen mit 18.000 Mitarbeitern. McKinsey berät laut eigenen Angaben mehr als 95 Prozent der weltweit größten Unternehmen und hat damit eine starke Machtposition aufgebaut. „McKinsey- Mafia“ nennen Gegner das Unternehmen, das zwar eine hohe Mitarbeiterfluktuation hat, Firmengeheimnisse jedoch gut bewahrt und stets auf eine strahlend weiße Weste Wert legte. Flecken bekam diese, als Senior-Partner Anil Kumar 2010 Insidergeschäfte gestand.

Dominic Barton stieg 1986 bei McKinsey Toronto ein. Drei Anläufe braucht es, bis er zum Partner wurde. Seit 2009 Worldwide Managing Director, ist der Oxford-Absolvent firmenintern nicht unumstritten. Kritisiert werden seine Sparmaßnahmen, sein Fokus auf Marketing und vor allem die für McKinsey unübliche Öffnung nach außen. Seinen Mut für Veränderung verglich das Manager Magazin mit dem von US-Präsident Barack Obama.

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