Auftritt und Wirkung: Wie Coaching hilft – und schadet
Es heißt: Nicht der Inhalt eines Auftritts bleibt den Menschen in Erinnerung, es sind die Emotionen, die geweckt werden. Was seit zwei Wochen über die heimischen Fernsehschirme flackert, brennt sich folglich tief in unser Gedächtnis ein – denn hier spielt sich Emotion pur ab. Politiker, die vor der Presse harte Entscheidungen präsentieren. In TV-Interviews unangenehme Fragen beantworten.
Trotz aller Umstände Stärke und Gelassenheit vermitteln müssen. Gefasst bleiben scheint oberste Maxime. Die Parteispitzen versuchen, alles aus ihrer Haltung, Mimik, Gestik, Stimme und Kleidung herauszuholen. Sie verpacken gekonnt ihre Botschaften. Wenn alle Augen auf einen gerichtet sind, wird nichts dem Zufall überlassen. Manche Auftritte gelingen besser, andere schlechter. Manche Akteure drängen merklich ihre Persönlichkeit zurück – heraus kommt dann der Spin der Medien-Trainer.
Jeder möchte gut ankommen
Es sind aber nicht nur Politiker in Stresssituationen, die gefordert sind, standhaft zu wirken. Einen wichtigen Auftritt kann jeder von uns haben. Spitzenmanager etwa, wenn sie vor Stake- und Shareholdern ihre Quartalsergebnisse präsentieren müssen. Sportler, die vor Fans und Kameras eine Dankesrede halten. Oder Bewerber, die im Vorstellungsgespräch den bestmöglichen Eindruck machen müssen. Das alles erzeugt Stress und Druck.
„Jeder Mensch möchte gut ankommen, das haben wir in uns. In vielen Branchen ist es aber Teil des Berufs, sich das zu erarbeiten“, sagt Rede- und Medien-Trainer Georg Wawschinek. Gibt es für eine gute Wirkung, einen souveränen und überzeugenden Auftritt ein Geheimrezept?
Elisabeth Motsch, die mithilfe von Styling, Kleidung und Auftrittstechniken das Profil von Politikern und Managern schärft, ist sich sicher: es ist die Authentizität. Die Arbeitswelt sei heute aber im Wandel: Hierarchien brechen auf, ganze Branchen verändern sich. „Das verunsichert viele, sie wissen nicht, wie sie sich geben sollen“, sagt Motsch.
Für den KURIER analysierten die beiden Auftrittsprofis, wie man in einer Ausnahmesituation – wie sie uns die heimischen Politiker in den vergangenen Tagen vorgelebt haben und in den kommenden Wochen noch vorleben werden – überzeugend wirkt. Eine Analyse in sechs Teilen:
1. Rhetorik und Stimme: Die Wortwahl ist entscheidend
Politiker- und Manager-Ansprachen haben eines gemeinsam: Häufig verlieren sie sich in Parolen und Plattitüden. Da ist von Vertrauen und Verantwortung die Rede und davon, Herausforderungen gemeinsam zu meistern. Manche Zuhörer beeindruckt das noch, viele langweilt es mittlerweile. Was ist wirklich Sache, wo ist die klare Kante?
Zu viel bleibt unbeantwortet – und übrig bleibt oft ein gekünstelter Eindruck. „Man kann es mit Coachings und Trainings auch übertreiben“, sagt Georg Wawschinek, der seine Kunden – Top-Manager – für TV- und Bühnenauftritte vorbereitet. Neben dem Feilen an glaubwürdigen und bewegenden Inhalten, muss aber auch am Instrument, mit dem man sie rüberbringt, gearbeitet werden: der Stimme.
„Das ist eine technische Sache. Wenn man vor einem Auftritt nervös ist, vergessen viele zu atmen, dann sitzt die Stimme nicht gut“, so der Coach. Heißt: Sie ist zu hoch, zu dünn, zu zittrig. Keine guten Voraussetzungen, um souverän zu wirken. Wer Ruhe ausstrahlen will, muss das also trainieren, atmen üben, vor allem aber: im Moment sein. Außerdem klar und langsam sprechen, die Stimme ruhig und tief halten, kurze und prägnante Sätze machen.
Übertreibungen, Belehrungen und Weichmacher vermeiden
„Aus meiner Erfahrung tun sich Menschen, die sich viel mit Sprache beschäftigen und lesen, leichter beim Reden vor Publikum.“ Wie man bei diesem rüberkommt, lässt sich gut durch Videoaufnahmen von sich selbst analysieren. Schwere Fehler seien laut Wawschinek jedenfalls: Monotonie, keine Pausen, keine Zäsuren, zu viele „Ähm“-Nachdenkpausen.
Experten empfehlen zudem, Übertreibungen, Generalisierungen, Belehrungen und Weichmacher (die Worte „vielleicht“ und „eventuell“) zu vermeiden. Je mehr positive Ausdrücke man verwendet, desto eher bleibt auch ein positiver Eindruck zurück – wenn man sie, siehe Rhetorik, glaubhaft rüberbringen kann.
2. Glaubwürdigkeit: Authentisch wirkt sympathisch, ist aber schwierig durchzuhalten
Rede-Coach Georg Wawschinek definiert, wie eine Person beim Beobachter authentisch ankommt: „Wenn das Sein und Schein als übereinstimmend wahrgenommen werden.“ Nachsatz: „Authentisch sein ist kein Kunststück, so zu wirken, schon.“ Wie? Ja: Man müsse sich schon bewusst für die Rolle, die man darstellen will, entscheiden.
Bewusst für eine Rolle entscheiden
Ist man der besorgte Politiker, der energische Manager mit neuen Ideen oder in der strengen Vaterrolle? Seine Eigenschaften müsse man dann auf diese Auftrittsrolle zuspitzen. Optimieren also, um die Botschaft zu vermitteln. Vor allem Frauen hadern bei dieser Selbstoptimierung mit sich selbst: Wie viel von mir soll, darf und muss ich preisgeben? Halte ich Kritik aus, wenn ich nicht weichgespült und Everybody’s Darling bin?
„Manche Frauen nehmen sich absichtlich zurück. Sie sind in Wahrheit extravagant, geben sich aber nahbar und bieder, gehen lieber auf Nummer sicher“, analysiert Elisabeth Motsch die Politikerinnen- und Managenerinnen-Riege. „Eine authentische, bunte Frau muss auch Kritik aushalten können.“
Frauen beobachten besonders kritisch
Auch vermeintlich oberflächliche Eigenschaften, wie die Frisur, das Make-up oder der Nagellack seien Sache der Authentizität – wer immer roten Lippenstift trägt, sollte sein Markenzeichen auch bei öffentlichen Auftritten beibehalten. Frauen haben hier aber sehr genaue Beobachter: andere Frauen. „Ist sie zu präsent, wird sie von anderen Frauen negativ bewertet“, erklärt Motsch.
In der Außenwirkung gelte für Frauen ganz generell: Offene Haare stehen für Schwung, Lockerheit. Zurückgenommene Haare vermitteln Klarheit, Struktur. Bei Männern gilt in der Außenwahrnehmung: ein gepflegter Drei-Tage-Bart, aufgekrempelte Ärmel und keine Krawatte suggerieren, dass man anpacken will, vor Energie strotzt, nahbar und Teil der Masse ist – und nicht mit dem Establishment mitschwimmt.
3. Frauen sollen aufs Frausein setzen
Der erste Styling-Fehler, der Frauen zwar seriös wirken lassen soll, aber stets das Gegenteil bewirkt, ist: einen dunklen Hosenanzug mit Hemdbluse aus dem Schrank zu ziehen. „Das tragen Managerinnen nicht – das tragen ihre Assistentinnen“, sagt Elisabeth Motsch, Expertin für Wirkung und Stilberaterin. Zu oft erscheint diese Kombination auf dem politischen und wirtschaftlichen Parkett.
Weibliche Kleidung wirkt mutig
Getragen mit der Überzeugung: „Ich will in der Geschäftswelt mitspielen, also muss ich ausschauen, wie ein Mann.“ Ein strategischer Fehler. Besser: Aufs Frausein setzen. Mit einem modischen Blazer, einer schlichten Bluse mit besonderen Accessoires und schlichter Hose. Oder ein gut sitzendes Stoff-Kleid. Business Casual sollte der Dresscode der Business-Frau sein, Rock-Hose- und Blazer-Kombis ihre erste Wahl.
Das wirke mutig, nicht so kleinkariert, hätte Format. „Frauen kleiden zu wenig ihren Status und verringern dadurch ihre Wirkung.“ Es gilt: Dunkle Farben wirken bodenständig, kräftig, ernsthaft. Helle lassen einen freundlicher, sozialer wirken. Wer sich unwohl fühlt in dem, was er trägt, strahlt das auch aus – die Menschen, die einen beobachten, spüren sofort: Da fehlt die Authentizität.
Auffällige Accessoires werden bemerkt
Eine Frau müsse sich fragen: „Will ich nett und adrett aussehen oder in dieser Welt mitspielen?“, sagt Motsch. Worauf sie jedenfalls verzichten sollte, seien Ballerinas (erinnern an kleine Mädchen) und Strickjacken (zu leger). Übrigens: Kleine Accessoires betonen, was groß ist – kleine Ohrringe oder Ketten betonen große Nasen oder das Doppelkinn.
Außerdem gilt: Je auffälliger ein Teil, desto mehr Beachtung bekommt es. „Das Auge folgt der Aufmerksamkeit – es kann sein, dass den Inhalten dann weniger Beachtung geschenkt wird.“
4. Anzug und Krawatte müssen zur Persönlichkeit passen
Charisma sucht man bei Outfits von Männern meist vergebens. „Ein Anzug allein macht noch keinen Mann“, sagt Motsch. Er kann schlecht sitzen, altmodisch geschnitten oder abgetragen sein. „Es wird auch zu wenig auf Details, die zur Persönlichkeit passen, wie Krawatte oder Einstecktuch, geachtet“, so die Stilberaterin. Auch hier gilt: Outfit und Styling müssen authentisch sein und zum Typ und Image passen.
Menschen, die ein kerniges Bild abgeben, sollten eher zu griffigem Material greifen, strukturierte Krawatten tragen, gerne auch mal Cord oder Tweed, wenn es weniger förmlich sein darf. Menschen, die eher glatt wirken, stehen wiederum glänzende Stoffe – siehe Jeff Bezos. Motsch empfiehlt, Frisur und Accessoires zu ergänzen: Männern mit einer schlichten Kurzhaarfrisur stünden eher schlichte Accessoires, Männern mit längeren Haaren wiederum extravagantere Stücke.
Die Länge des Barts bleibt ein Streitthema
Das Thema Bart ist ein Streitthema. „Wenn, dann muss er absolut gepflegt sein. Bei den meisten Männern wirkt ein Drei-Tage-Bart versoffen.“ Früher war der Bart überhaupt verpönt. Er hat signalisiert: Man will sich hinter ihm verstecken. Männer und Frauen sollten bei ihrer Garderoben-Wahl übrigens auch den Veranstaltungsort mitbedenken, also vorab herausfinden, vor welchem Hintergrund sie auftreten werden.
Ist er hell, wählt man besser eine kontrastreiche Anzug- oder Blazer-Farbe, da man sonst untergeht. Im Fernsehen sind kleine Muster ungeeignet, sie flimmern. Auch der Anlass entscheidet über die Farbe. Motsch: „Schlechte Nachrichten überbringe ich nicht in Knallrot und auch nicht in Weiß, sondern in gedeckten Farben.“
5. Mimik und Gestik: Was von innen kommt, wirkt
„Die schlüssigste Gestik ist die, die über den Kopf kommt“, sagt Rede-Coach Wawschinek. Heißt: Nur, wenn einen etwas wirklich bewegt, wirkt die Gestik und Mimik rund um die Präsentation echt und berührt andere. „Wenn die Geschichte, die ich erzähle, gut ist, kommt die richtige Gestik zu 90 Prozent automatisch.“ Umkehrschluss: fallen uns als Beobachter Gesten auf, die zu gekünstelt wirken, könnte es sein, dass der Redner selbst nicht vom Inhalt überzeugt ist.
„Es kann schon vorkommen, dass ich als Politiker oder Manager etwas vertreten muss, dass ich nicht gerade spüre.“ Dann bediene man sich eben Gesten, die sich für solche Fälle anbieten würden. Körpersprache-Experte Stefan Verra sagt, gute Gestik hätte zwei Merkmale: Die Amplitude – die Größe der Gesten – und die Frequenz – die Häufigkeit der Gesten.
Gesten müssen zu Gesprochenem passen
Je größer die Bühne, desto größer dürfe die Amplitude sein. „Das wirkt selbstsicher und beruhigend“, erklärt Wawschinek. Wer hingegen zu oft kleine Gesten einsetzt, wirke unsicher und fahrig. Besonders unangenehm für die Zuseher sei, wenn das Gesprochene nicht zum Gestikulierten passe. „Probieren Sie einmal zu sagen: Ich bin glücklich und zeigen mit dem Daumen nach unten“, so Wawschinek.
Ein komisches Gefühl. „Wenn ich über Sicherheit spreche, sollte ich nicht herumzappeln.“ Auffallend seien Gesten, bei denen man sich ins Gesicht fährt. Denn sie offenbaren Nervosität. Den eigenen Körper zu berühren, diene der Beruhigung. Bei Männern könnte das ein Kratzen der Stirn oder der Nase sein, Frauen kommen häufig in die Verlegenheit, mit den Haaren zu spielen. Besser: Einen Stift in die Hand nehmen, um sie beschäftigt zu halten.
6. Körpersprache und Haltung verbessern die Wirkung
Kennen Sie das? Schon aus der Ferne erkennen Sie an ihren Liebsten, wie es ihnen geht. Gehen sie beschwingt oder geknickt? Stehen sie gerade oder hängen ihre Schultern? Die Körperhaltung sagt viel über uns aus – auch, wenn wir nicht darüber sprechen möchten. Vor Publikum sollte man das mitdenken.
Typische Kommunikationsfehler seien etwa, im Stehen die Hände in die Hüfte zu stemmen (signalisiert Überhöhung, Unnahbarkeit), die Arme zu verschränken (signalisiert Ablehnung) oder aber die Arme neben dem Körper hängen zu lassen (suggeriert Lustlosigkeit, zudem werden negative Nachrichten oft so überbracht, dass die Hände unter der Gürtellinie sind).
Beide Beine am Boden wirken souveräner
Beide Füße auf dem Boden seien eine gute Ausgangslage für eine souveräne Wirkung. Frauen halten sich aber nicht immer an diese Empfehlung: Häufig sieht man sie auf einem Bein stehend, das andere dahinter eingewinkelt. „Damit haben sie keinen sicheren Stand und wirken neben Männern, die breitbeinig da stehen, unsicher“, sagt Stilberaterin Elisabeth Motsch.
„Wenn ich etwa auf einer Bühne eine klare Aussage tätigen möchte, mache ich das mit beiden Beinen auf dem Boden, einer offenen Körperhaltung und einem geraden Blick.“ Sobald es darum geht, weicher zu wirken, Verständnis zu zeigen, kann Mann und Frau einen kleinen Kniff einsetzen: den Kopf zur Seite neigen. Das macht nahbar, deutet Empathie an. Oder aber: im Sitzen die Handflächen zeigen. Selbstsicher wirken beide Geschlechter, wenn sie die Schultern nach hinten fallen lassen, das Kinn etwas hinunter schieben und einen starken Blick geradeaus einsetzen.
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