Aufstand der Praktikanten

„No pay is not okay“ skandieren UN-Praktikanten vor dem UN-Sitz in Genf. Sie wollen auf das Problem der unbezahlten Praktika aufmerksam machen.
Weil UN-Praktikanten nicht bezahlt werden, geht Teuta Turani medial auf die Barrikaden. Mit Erfolg.

Teuta Turani muss sparen. Statt mit der U-Bahn in die Arbeit zu fahren, fährt sie Rad. Ihr Kühlschrank ist meist leer, dafür kennt sie viele Geschmackssorten der Supermarkt-Instant-Nudeln. Turani, 23 und Bachelorabsolventin, ist während ihres Gap-Years Praktikantin im Büro der Vereinten Nationen in Genf. Beneidenswert, einerseits. Sie darf hinter die Kulissen der großen NGO blicken, internationale Diplomatie-Luft schnuppern, wertvolle Kontakte für einen einflussreichen Karriereweg knüpfen. Für eine UN-Referenz im Lebenslauf würden viele junge High Potentials alles tun. Sogar gratis arbeiten.Und das müssen sie auch. Denn wer hier ein Praktikum ergattert, arbeitet für kein Geld – die UNO (einige Organisationen im UN-System bieten mittlerweile Stipendien an) bezahlt ihre Praktikanten nicht. Zusätzlich fallen für die jährlich rund 2000 neuen UN-Praktikanten Kost und Logis an. "In Genf macht das etwa 1200 bis 1500 Euro im Monat", erzählt Turani, die hier seit sieben Monaten lebt. Geld, das man vorher gespart haben muss. 78 Prozent ihrer Praktikanten-Kollegen müssen für ihren Traum deshalb, so wie sie, zusätzlich von ihren Eltern unterstützt werden. Das Paradoxe, so Turani: "Als UN-Praktikant darfst du nebenbei nicht arbeiten gehen." Eine zu hohe Investition fürs Schnuppern, findet sie. "Ich habe hier leider nicht so viel gelernt, wie ich gehofft hatte."

Gratis-Arbeit

Dass die Praktikanten-Arbeit gratis ist, ist kein Geheimnis. Seit Ex-UN-Praktikant David Hyde vergangenes Jahr Fotos von sich im adretten Business-Look vor seinem Zelt am Campingplatz nahe Genf veröffentlicht hat, bringen die Betroffenen das Thema auch selbst aufs Tapet. Sie wollen die UNO von innen heraus zu einem Umdenken in ihrem Bezahl-System zwingen.Bei ihrer öffentlichen Kritik sind sie kreativ.

Aufstand der Praktikanten
Teuta Turani, honorarfrei
Turani dokumentiert auf Twitter und Instagram aktuell unter dem Hashtag#unpaidisunseen Situationen ihres Praktikanten-Alltags. Ihr Symbol dafür: ein Paar Schuhe. "Die Schuhe haben keinen Besitzer, denn auch wir sind innerhalb der UN unsichtbar", sagt sie. Auf den Schnappschüssen stehen sie vor Auslagen mit Ausverkauf-Schildern oder abends unterm Schreibtisch beim Bearbeiten von UN-Grafiken über Jugendarbeitslosigkeit. "Irgendwie ironisch", kommentiert Turani im Tweet.
Aufstand der Praktikanten
honorarfrei, Teuta Turani
Es sind Schnappschüsse, wegen derer die 23-Jährige öfter zum Büro-Chef zitiert wurde. "Ich war unbequem, habe die Sachen offen angesprochen. Es gab schon Sympathisanten unter den Mitarbeitern, aber keinen, der das Thema offen unterstützen würde." Turanis Bilder von innen tragen nämlich auch eine heikle Botschaft nach außen: Dass es nur für privilegierte Jugendliche möglich sei, in der einflussreichen Organisation Praktikant und später einmal Mitarbeiter zu werden. Damit entstehe ein gefährliches Ungleichgewicht, erklärt Turani.

Ihre Praktikanten-Kollegen jedenfalls küren #unpaidisunseen zu ihrem Leitsatz bei aktuellen Protesten. Erst am Dienstag demonstrierten sie auch in Zelten in Anlehnung an David Hyde auf dem Place des Nations in Genf. Offizielle Stellungnahmen auf die Forderungen der Praktikanten gab es von der UNO bisher nicht. Aber immerhin: Aufgrund der aktuellen Ereignisse wurde das Thema diese Woche offiziell auf die Agenda des fünften Komitees, das im März in New York tagt, gesetzt.

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