Die letzten Ferien des Lebens

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Uni abgeschlossen, jetzt wartet das Berufsleben: Wehmut und Wünsche zweier Weltenwechsler

Die Nervosität steigt. Die Nächte werden durchgelernt, Privates auf Eis gelegt, aufgeregt wird an Stiftkappen und Fingernägeln gekaut. Am letzten Tag des Studiums, der Diplomprüfung, zittern die Luft und die Knie der Studierenden. Noch einmal treiben sie sich zur Höchstleistung. An der Spitze ihrer Belastbarkeit verpufft der Druck auf einmal. Es ist geschafft. Philip Wallner schüttelt ungläubig den Kopf, hält die Luft an. Er atmet tief aus: „Das war’s jetzt. Eine Ära ist vorbei.“

Respekt vor dem Job

Mit dem Uni-Abschluss beginnt für den 25-jährigen Master of Science in Gesundheits- und Rehabilitationstechnik der sogenannte Ernst des Lebens. Davor hat Philip Respekt. Täglich bekommt er mehrere Job-Annoncen direkt aufs Handy, hat den Arbeitsmarkt – wie viele seiner Klassenkollegen von der FH Technikum Wien – dauernd im Auge. „Ich weiß, so viel Zeit wie jetzt werde ich so schnell nicht wieder haben. Ich versuche auch wirklich, sie zu genießen. Aber es ist nicht so einfach, entspannt mit Freunden zu grillen oder am See zu liegen, wenn die Zukunft noch so offen ist“, zuckt er mit den Schultern. Irgendwie arrangiert er sich dann aber doch mit seinem Gewissen. Seine letzten Ferien will er sich nicht verderben lassen. „Ich muss nicht mehr lernen, kann ausschlafen, das ist toll!“, lacht er. Barfuß sitzt er im Park, die Slackline zwischen zwei Bäumen gespannt – sein ständiger Begleiter in diesen Wochen. Hier trifft er sich mit Freunden nach ihrer Arbeit zum Basketballspielen, „Chillen“ oder um beim nahe gelegenen Heurigen den Abend ausklingen zu lassen.

Den Absolventen treibt es jetzt fast täglich Outdoor: Klettern, raften, Kurztrips mit Freunden „aber halt auf kleinem Fuß“, erzählt er. Für einen Sommerurlaub wurde gespart. Mit seiner Freundin will er nach Zypern. Ein Bungee-Sprung soll hinterher den Sommer seiner letzten Ferien besiegeln.

Kommt Job, enden Ferien

Für ein gutes Jobangebot würde Philip die Ferien aber vorzeitig beenden. Seine Wunschrichtung: Konstruktion oder Qualitätsmanagement in der Medizintechnik. Der Job dürfte mit viel Reisen verbunden sein, auch einen Umzug innerhalb Österreichs schließt er für eine gute Stelle nicht aus. „Die Stimmung muss aber passen. Flache Hierarchien, viel persönliche Einbindung, nette Kollegen. Ein gutes Gehalt ist wünschenswert. Das Wichtigste ist mir aber, ich komme gern zur Arbeit.“ Seine Freizeit darf trotz anstehendem Berufsleben nicht zu kurz kommen. „Ich möchte, dass die Work-Life-Balance funktioniert.“ Mit dem ersten Job soll auch die erste Wohnung, die richtige finanzielle Verantwortung her. „Ich freue mich auf die neuen Freiheiten. Ob jetzt alles besser oder schlechter wird? Es wird alles anders.“

Nicht erholen, tun

Katrin Harreither macht sich nicht so viele Gedanken über die letzten Ferien. Der Absolventin der Internationalen Entwicklung an der Uni Wien kann das Berufsleben nicht schnell genug losgehen. Zwar zitterte sie ihrer Diplomprüfung vor zwei Wochen lange entgegen, verschnaufte hinterher aber nicht. „Die letzte Zeit im Studium war so eine Kopfarbeit, dass ich nur mal wieder in die Erde greifen und mich schmutzig machen will“, erzählt sie, ihre Augen leuchten mit ihrem Lachen um die Wette.

In die Erde greifen möchte die 25-Jährige im kleinbäuerlichen Betrieb ihrer Mutter, aber auch hauptberuflich. Während manche ihrer Kollegen erstmal die Seele baumeln lassen, zeichnet Katrin energisch mit beiden Händen Brücken in die Luft, welche ugandische und österreichische Kleinbauern zu einer Zusammenarbeit tragen sollen – so die Geschäftsidee, mit der sie sich ab sofort selbstständig macht. Bevor sie im August nach Uganda fliegt, um ihr Geschäft zu starten, will sie ihrer Mutter über die Schulter schauen. Ob sie sich jetzt nicht auch etwas Zeit für sich gönnen möchte? „Das ist ganz bestimmt nicht meine letzte freie Zeit. Das mit dem Arbeiten ist eine Kopfsache. Man muss es für sich richten“, erklärt sie. Freiheit und Unabhängigkeit seien ihr im Berufsleben das Wichtigste. Ihr Studienabschluss stimmt sie nicht wehmütig. Zwar hätte sie die Uni fachlich und auch persönlich sehr bewegt, aber „ich sehe das nicht als das Ende einer Ära. Ich weiß, dass die Zeit, die jetzt vor mir liegt, mindestens genauso spannend wird.“ Wie sich ihr Berufsleben nach diesen Sommermonaten genau weiterentwickelt, kann sie noch nicht sagen. Sie ist aber voller Mut, Energie und Überzeugung. „Ich weiß nur, dass es gut wird.“

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