Arbeiten, wo andere ruhen

Arbeiten, wo andere ruhen
Steinmetz Bernhard Schaffer graviert jeden Tag Grabsteine und berät Hinterbliebene.

Jeden Morgen übertritt Bernhard Schaffer am Tor 2 des Wiener Zentralfriedhofs die Grenze ins Jenseits. Als einer von wenigen Lebenden unter vielen Ruhenden pflegt er 330.000 Gräber auf 2,5 Millionen .

1 Allerheiligen – auch für Sie eine besinnliche Zeit?

Es ist eigentlich die stressigste Zeit des Jahres. Kurz vorher kommen viele Kunden zu mir, wollen die Inschrift auf den Gräbern auffrischen lassen. Wenn sich einmal im Jahr die Verwandtschaft am Friedhof trifft, muss das Grab eben schön aussehen.

2 Wie lange brauchen Sie für eine komplette Inschrift? Zehn bis zwölf Wochen.

3 Arbeiten Sie als Steinmetz nur an Grabsteinen? Zu 80 Prozent graviere ich sie, zu 20 Prozent helfe ich bei ihrer Montage aus. Also eigentlich ja. Ich renoviere aber auch alte Ehrentafeln. Und natürlich habe ich auch den Kundenkontakt bei einem Todesfall.

4 Wie betreut man Kunden in so einer Situation richtig? Das ist manchmal sehr schwierig. Man muss den Hinterbliebenen gut zureden. Manche brechen zusammen wenn ich ihnen Grabsteine zeige, manche machen ganz zu. Aber das Reden mit den Kunden ist wichtig. Verschlossenheit ist bei einem Todesfall das Schlechteste. Mit der Zeit kommt zwar Routine in die Arbeit, man lernt es irgendwie – man muss es irgendwie lernen. Aber auch für uns Steinmetze gibt es Situationen, die wir untereinander wegreden müssen. Wenn wir Kindergräber gravieren oder solche, wo das Geburtsdatum gleich ist wie das unserer Eltern.

Arbeiten, wo andere ruhen
5Wie viel Zeit verbringen Sie am Friedhof? Jeden Tag. Ob ich am Grabstein arbeiten kann oder nicht, hängt allerdings von der Witterung ab. Ist es zu kalt, wird die Farbe der Inschrift zu dunkel, ist es zu heiß, wird sie rissig. Wenn alles passt, arbeite ich ab sieben Uhr in der Früh. Ist ein Grabstein fertig, bearbeite ich den nächsten.

6 Welche Eigenschaften braucht man für Ihren Job?

Eine künstlerische Begabung und eine kreative Ader. Und viel Vorsicht: Beim Hantieren mit den schweren, messerscharf polierten Steinen kann es schon mal passieren, dass einem die Finger zwischen die Kanten rutschen. Aber ich habe alle meine Finger noch.

7 Wie wird man Steinmetz?

Man besucht drei Jahre lang die Berufsschule, lernt technisches Zeichnen, handwerkliches Arbeiten, bekommt einen Einblick in den Bausektor. Vorher sind gute Schulnoten in Mathematik und Kunst wichtig. Moderne Steinmetze suchen heute nur mehr nach dem Zeugnis aus.

8 Haben Sie Rituale?

Schon seit 31 Jahren liegt mein Werkzeug immer links, mein Kübel steht immer rechts von mir.

9 Was wollten Sie als Kind werden?

Archäologe. Vielleicht wird das ja noch (lacht).

10 Was mögen Sie am Job?

Die Kreativität und dass der Beruf so besonders ist. Viele Besucher bleiben stehen und schauen sich an, was ich da eigentlich tue. Ich arbeite traditionell mit Werkzeug – da wird nichts gefräst. Darauf bin ich stolz.

11 Was gefällt Ihnen weniger?

Das Wetter manchmal: Wenn ich fünf Stunden am Grabstein sitze und die Hand am eiskalten Stein abgelegt habe.

12 Wie viel verdienen Sie?

Ich verdiene gut und komme aus. Ein schöner Urlaub im Jahr geht sich aus.

13 Sie haben täglich mit dem Tod zu tun. Wie schalten Sie ab?

Ich spiele Eishockey.

Fakten

Lebenslauf

Der Steinmetz mit Kärntner Wurzeln wird am 20. Juni 1967 in Wien geboren. Er besucht die Sporthauptschule in Schwechat mit einem Schwerpunkt in Leichtathletik. 1982 entscheidet er sich für die Berufsausbildung bei den Wiener Stadtwerken zum Steinmetz, fünf Jahre später macht er die Ausbildung zum Schrifthauer und Graveur. Heute arbeitet er in einer Werkstatt am Wiener Zentralfriedhof und graviert auf traditionelle Art (mit Werkzeug, ohne Fräse) täglich Grabsteine, berät Kunden oder hilft bei der Montage neuer Gräber mit.

Grabsteine in Zahlen

235 Inschriften veredelt Steinmetz Bernhard Schaffer im Jahr.

330 Tausend Gräber stehen alleine am Wiener Zentralfriedhof. Schaffers Werkstatt nimmt aber Aufträge in ganz Wien und Umgebung an.

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