Kampf gegen die Verkehrsflut: Ein Ticket für die ganze Stadt

Kampf gegen die Verkehrsflut: Ein Ticket für die ganze Stadt
Im Kampf gegen die Verkehrsflut suchen Experten nach völlig neuen Konzepten.

An ihnen soll in Zukunft kein Weg vorbeiführen: Mobilitätsplattformen sind der einzige Ausweg aus dem Verkehrskollaps, der den Städten durch das steigende Verkehrsaufkommen droht. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie der Boston Consulting Group (BCG), die dem KURIER vorab vorliegt.

Solche Plattformen gibt es in Österreich bisher nur ansatzweise, wie den ÖBB-Ticketshop, in dem man online oder auf Automaten selber mit wenigen Schritten ein Ticket für verschiedene Verkehrsmittel und Anbieter buchen kann. Am besten vorstellen kann man sich die Mobilitätsplattform der Zukunft, wenn man im Routenplaner auf Google Maps eine Verbindung von A nach B sucht und mehrere Verkehrsmittel, wie Straßenbahn, U-Bahn und Schnellbahn inklusive An- und Abfahrtszeiten sowie Fußwege mit Gehzeiten und der gesamten Reisezeit angezeigt bekommt.

Das gilt als Vorstufe einer Mobilitätsplattform, diese müssen in Zukunft aber mehr können, sagt Nikolaus Lang, einer der Senior Partner und Co-Leiter des BCG-Zentrums für Mobilitätsinnovationen und Mitautor der Studie „The leaders in urban mobility will be regional, not global“.

„In einem nächsten Schritt müssen Mobilitätsplattformen digitale Tickets ausstellen und eine Zahlung für mehrere Verkehrsmittel möglich machen“, sagt Lang. Das könne so weit gehen, dass nicht nur verschiedene öffentliche Verkehrsmittel, sondern auch Anbieter wie Uber, E-Scooter und andere im Angebot sind.

Der schnellste Weg

Um im hektischen Alltag der Städte funktionieren zu können, müssen die Plattformen mehrere Kriterien erfüllen. Die Stadt Wien ist zum Beispiel wegen der Topografie und der Donau mit einer der weltweit höchsten Dichten an Straßenbahnen und Bussen auf ihre Art und Weise einzigartig, erklärt Lang.

Als erstes müssten alle voVerkehrsmittel, wie Wiener Linien, E-Scooter, Leihfahrräder, Taxis, etc. in dem System enthalten sein – und zwar neutral, ohne Kunden teurere Varianten, wie Taxis, aufzudrängen. Weiters müsse die Verkehrslage miteinbezogen und eine Schnittstelle zur Verkehrssensorik der Stadt hergestellt werden, die das Verkehrsaufkommen misst. „Es muss nicht nur der günstige, sondern auch der schnellste Weg sein“, sagt Lang.

Alle Anbieter müssten sich darauf einigen, dass pro Fahrt mit verschiedenen Verkehrsmitteln nur ein Ticket ausgegeben wird, wie etwa mittels eines QR-Codes. Nicht zuletzt brauche es die entsprechende IT, um Verkehrsmittel, Verkehrsfluss, Ticketverkauf und Bezahlung unter einen Hut zu bringen. Städte werden geradezu gezwungen sein, sich mit dem Thema zu beschäftigen, denn der Verkehr wird mehr, meint Lang: „Um den Verkehrsfluss wirklich effizient zu gestalten, müssen Städte eine stärkere Rolle beim Verkehrsmanagement und der Verkehrssteuerung spielen.“

Menschen würden sich immer mehr bewegen und der Verkehrsmittelmix werde bunter. In den 1960er-Jahren wurden täglich 1,5 verschiedene Verkehrsmittel pro Tag verwendet. In den 90er-Jahren waren es 2,3 und heute sind es 3,2. Waren die Menschen früher vor allem mit dem eigenen Pkw und der Straßenbahn unterwegs, so kommen heute E-Scooter oder Uber dazu.

E-Mobilität

Mikromobilität (etwa Fahrräder, E-Fahrräder und E-Scooter) wird in Ballungsräumen zunehmen, glaubt Lang. Sie muss aber stärker reguliert werden, was auch kommen wird, glaubt der Experte. Ergänzt werde die Mobilität durch Roboter-Shuttles in Form von Minibussen, allerdings würden diese nicht vor 2025 auf der Straße sein. Das klassische Taxi werde es trotz Anbieter wie Uber weiter geben – ordentliche Fahrzeuge und ein gutes Fahrerlebnis vorausgesetzt. „Allerdings müssen noch digitale Buchungs- und Abrechnungssysteme ausgebaut werden, ähnlich wie bei Uber oder Free Now“, sagt Lang. Das Auto könnte im Verkehrsmix der Städte künftig keinen Platz mehr haben. Städte könnten wegen Gebühren und Verstopfung eine No-go-Zone für private Pkw werden, heißt es in der Studie.

Bis es dazu kommt, könnte „Smartparking“ Abhilfe schaffen. Acht bis 23 Prozent des Verkehrs in Städten entfällt auf das Parkplatzsuchen. Smarte Systeme kennen die Zieladresse und bieten rechtzeitig freie Parkplätze an oder reservieren diese sogar für wenige Minuten.

Wer bei Mobilitätsplattformen noch weiter denken will, kann sich ein Ticket von seiner Wohnung zum Flughafen, inklusive Flug und Fahrt zum Hotel in einer anderen Stadt vorstellen. Dafür wäre eine stärkere Vernetzung der einzelnen Anbieter nötig, was allerdings noch ein Weilchen dauern dürfte.

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