AMS-Chef Kopf: "Wir haben drei große Fehler bei der Integration gemacht"

"35 Prozent der Syrer und 46 Prozent der Afghanen in Österreich sind am Arbeitsmarkt erwerbstätig. Ist das nicht viel zu wenig?" Mit dieser Frage stieg Moderator Stefan Lenglinger am Freitag in das ZIB 2-Gespräch mit AMS-Vorstand Johannes Kopf ein.
Dieser bejaht, weist aber darauf hin, dass jene Asylberechtigten, die nach 2022 gekommen sind, "wesentlich schwieriger" am Arbeitsmarkt zu integrieren seien als jene, die im Jahr 2015 nach Österreich gekommen sind. "Jene, die 2015/16 zu uns geflohen sind, kamen aus einem geregelten Leben, aus einem Job, aus einer Ausbildung. Jetzt kommen Menschen zu uns, die viele Jahre in Flüchtlingslagern verbracht haben. Damals hatten 16 Prozent der zu uns Kommenden bloß vier Jahre eine Schule besucht. Heute sind es 38 Prozent Menschen, die nur eine Volksschulbildung haben. Bei denen ist die Integration viel schwieriger."
"Menschen, die immer noch am Bahnhof stehen"
Knapp 20 Prozent der nach Österreich Geflüchteten hätten es überhaupt noch nie geschafft, hier einen Job zu finden. Sei überhaupt eine realistische Chance gegeben, diese Menschen noch in den Arbeitsmarkt zu bringen?
Man müsse auch jene Dinge betrachten, die sehr gut gelungen sind, relativiert Kopf. "Ich möchte auch anlässlich der zehn Jahre jenen Menschen gratulieren, die es geschafft haben. Wir haben 60.000 Beschäftigte aus Syrien, Afghanistan, Irak und Iran. Darunter sind Tausende, die sich bereits so gut integriert haben, dass sie sogar schon die österreichische Staatsbürgerschaft haben," hebt der AMS-Vorstand positive Aspekte zehn Jahre nach der großen Flüchtlingswelle hervor.
Gleich darauf folgt jedoch das große Aber: "Wir haben allerdings auch Menschen, die 'noch immer am Bahnhof stehen' bei der Integration. Und das ist schlecht."
AMS-Chef Kopf: "Drei Fehler bei der Integration"
Der AMS-Chef verortet drei Fehler, die bei der Integration von Geflüchteten in Österreich gemacht wurden. "Das erste war, dass Asylverfahren bei uns lange Zeit viel zu lange gedauert haben. Dadurch sind Menschen symptomatisch langzeitarbeitslos geworden, bevor sie überhaupt Zugang zum Arbeitsmarkt hatten. Der zweite Fehler war, daran darf ich erinnern, als die Regierung Kurz und FPÖ Anfang 2018 die Mittel für Integration gestrichen hat. Und das Dritte, was uns hierzulande leider nicht gelungen ist und uns jetzt auf den Kopf, ist, dass wir es nicht geschafft haben, die Menschen gut zu verteilen. Wir haben 75 Prozent der Geflüchteten in Wien."
"Dramatisch" sei hierbei, das nach eineinhalb Jahre nach Meldung beim AMS noch immer 30 Prozent dieser Personen kein Deutsch könne. Die Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen und Deutsch zu üben, würde diesen Menschen fehlen, weil sie aufgrund der Ballung in der Bundeshauptstadt in ihrer Community bleiben würden.
AMS-Chef: "Die Fluchtbewegung 2015 ist nicht vorbei"
"Keine optimale Verteilung der Geflüchteten"
Das Problem der Verteilung sei bereits 2016 vielfach diskutiert worden, aber: "Es ist uns leider nicht gelungen und das ist jetzt schlecht. Nur zum Vergleich: Wir haben 32.000 Geflüchtete in Wien, die arbeitslos gemeldet sind und ein paar Hundert in Kärnten, ein paar Hundert in Salzburg, Tausend in Tirol. Das ist keine optimale Verteilung," rechnet Kopf vor.
Auch betont er: "Integration geht von beiden Seiten aus, ist ein Fördern und Fordern. Wir müssen dabei auf diese Leute zugehen. Und wenn ich mir die österreichische Demografie anschaue, dann wäre es gut, wenn wir vielleicht jetzt auf die Idee kommen, Geflüchtete in die Bundesländer zu schicken und auch dort zu integrieren."
Ob eine Senkung von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld dabei helfen würde, die Menschen dazu zu drängen, Deutsch zu lernen und einen Job zu finden?, spricht Moderator Lenglinger eine weitere aktuelle Debatte an. "Klar funktioniert das. Wenn man den Leuten weniger Geld gibt, ist der Druck größer," so Kopf, verweist aber auf die EU-Regelung, die besagt, dass Menschen mit positivem Asylbescheid die gleiche Sozialhilfe erhalten müssen wie Inländer.
"Außerdem folgt damit auch ein weiterer negativer Effekt: Kinderarmut. Kinder können ja nichts dafür, wenn 'der Papa nicht brav ist'. Verzeihen Sie diese zynische Bemerkung," so Kopf.
"Integration der Kinder läuft über die Mütter"
Eine wesentliche Frage sei auch die Rolle der geflüchteten Frauen am Arbeitsmarkt - und auch eine große Herausforderung. "Von jenen, die 2015 zu uns gekommen sind, beträgt die Beschäftigungsquote bei den Frauen nur 40 Prozent, also deutlich weniger als bei den Männern." Ob das nur an den Betreuungspflichten liege - oder daran, dass in gewissen Communities Männer den Frauen das Arbeiten gar nicht erlauben?
Man habe solche und solche, so Kopf. Aber: "Was ganz sicher richtig, ist, dass die Erwerbsneigung dieser Frauen viel niedriger ist. Dort ist es einfach das klassische Rollenbild, dass der Vater arbeitet und die Frau zu Hause bei den Kindern bleibt, so wie es bei uns in den 70er-Jahren war."
Dieses Bild gelte es dringend aufzubrechen, unterstreicht der AMS-Chef. "Ganz viel der Integration der Kinder geht über die Mütter. Deswegen brauchen wir auch Deutschkurse für jene Frauen, die nicht am Arbeitsmarkt, sondern zu Hause sind."
Keine Alternative zur Integration
Abschließend will Moderator Lenglinger noch wissen, ob Asylberechtigte wirklich eine Chance für den Fachkräftemangel in Österreich seien. "Oder wurde uns vor zehn Jahren einfach zu viel versprochen?"
Kopf gibt zu bedenken, dass auch viele sehr gut Qualifiziert gekommen seien. "Wir haben über 200 Ärzte bei der Nostrifikation begleitet, die heute in unseren Spitälern oder im Pflegebereich arbeiten
Aber natürlich würden auch sehr viele Niedrigqualifizierte aus humanitären Gründen nach Österreich flüchten. "Diese Leute nicht zu integrieren und sie nicht zu qualifizieren, gerade die Jungen, das unsinnig. Denn die bleiben hier, die sind Teil unserer Gesellschaft - und damit ist die Nicht-Integration teurer als die Integration. Es ist aus meiner Sicht alternativlos."
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