"Wir Piloten sind nicht abgehoben"

Der härteste Flugstreik aller Zeiten ist vorbei. 5400 Lufthansa-Piloten protestierten von Mittwoch bis Freitag gegen die Einschnitte bei Frühpensionierungen. Nach Ostern könnte es erneut zu Streiks kommen.
Lufthansa-Pilot Jörg Handwerg über die Streik-Erregung und warum seine Gage zu niedrig ist.

Freitag um 23.59 Uhr stiegen die Lufthansa-Piloten wieder ins Cockpit. Der größte Streik in der Lufthansa-Geschichte war damit zu Ende. 3800 Flüge wurden gestrichen, 412.000 Passagiere blieben am Boden, der tägliche Schaden wird auf 25 Millionen Euro geschätzt. Was hat der Streik nun gebracht? Waren drei Tage Streik überzogen? Und sind die Lufthansa-Piloten, die am Ende ihrer Karriere bis zu 260.000 Euro pro Jahr verdienen, komplett abgehoben? Lufthansa-Pilot Jörg Handwerg (47) verteidigt den Streik:

KURIER: Herr Handwerg, der Streik hat viel Schaden angerichtet, aber kein Ergebnis gebracht. War der Streik überzogen?

"Wir Piloten sind nicht abgehoben"
Jörg Handwerk/VEREINIGUNG COCKPIT e.V. Foto per Email von Ida Metzger
Jörg Handwerg:Nein, der Streik ist nicht überzogen. Wir wissen, wenn wir jetzt einknicken, dann kommen als Nächstes auch Kürzungen beim Kabinen- und Bodenpersonal. Wir werden die Lufthansa auffordern, mit uns an den Tisch zurückzukehren. Aber es ist auch klar, dass die Lufthansa mit dem, was sie bis jetzt präsentiert hat, sich nicht nochmals an den Tisch setzen muss. Da muss sich Bewegung zeigen.

Ein Lufthansa-Pilot verdient durchschnittlich 180.000 Euro im Jahr. Das Management fordert Einschnitte bei den Kapitän-Frührenten, was zum Streik geführt hat. Klingt, als würden Piloten nicht genug bekommen?

Das ist keine Gier, sondern eine Frage von Angebot und Nachfrage. Es gibt eben nicht viele Menschen, die die Fähigkeiten mitbringen, die man als Pilot braucht. Die körperliche und psychische Belastung ist enorm. Aber auch die Verantwortung ist groß, nicht nur für Menschenleben, sondern auch für das Kapital. Ein Airbus 280 kostet 250 Millionen Euro. Wenn ein Manager einen Fehler macht, ist er meistens korrigierbar. Ein Pilot muss Entscheidungen in Sekundenbruchteilen fällen. Jeder Absturz kann eine Airline in eine existenzielle Krise führen. Aber auch unser Know-how macht einiges aus. Die Lufthansa hat einmal berechnet, wenn jeder Pilot 100 Kilo Treibstoff pro Flug einspart, dann macht das am Ende des Jahres Einsparmaßnahmen von 100 Millionen Euro aus. Das sind enorme Summen, für die der Pilot verantwortlich ist. Und das wird in anderen Bereichen auch gut bezahlt.

Sie haben also kein Verständnis dafür, dass die Lufthansa-Piloten angesichts dieser Gehälter als abgehoben gelten?

Wir Piloten sind nicht abgehoben. Wie bezeichnen Sie dann einen Manager wie etwa Lufthansa-Chef Christoph Franz, der das 22-fache eines Lufthansa-Piloten verdient? Ich persönlich verstehe die Gerechtigkeitsdiskussion, und wir Piloten machen uns auch Gedanken darüber, ob es in Ordnung ist, dass eine Kindergärtnerin, die ohnehin schon schlecht entlohnt ist, um 50 Euro Gehaltserhöhung kämpfen muss? Andererseits hat jeder die freie Berufswahl. Wir Piloten sind keine Kaste, in die man hineingeboren wird. Wenn man großen Wert darauf legt, viel Geld zu verdienen, dann sollte man sich den entsprechenden Beruf suchen und keine Neiddebatten führen.

Der konkrete Anlass für den Streik war, dass die Lufthansa-Piloten statt mit 55 erst mit 60 Jahren in die Konzern-Frührente gehen sollen. In ganz Europa wird das Pensionsalter hinaufgesetzt, warum sollten ausgerechnet die Piloten hier ein Privileg haben?

Die Kollegen arbeiten ohnehin länger, wenn sie es denn können. Das Antrittsalter lag zuletzt bei 59 Jahren. Aber wir wollen die Flexibilität erhalten. Denn jeder altert unterschiedlich schnell. Es gibt Kollegen, die halten die hohe Belastung nicht jahrzehntelang aus. Auf der Langstrecke fliegen wir Piloten eine Nacht durch – und das vier Mal pro Monat. Wir leben ständig im Jet-Lag. Wir haben starke Klimaunterschiede. Die Gewerkschaft sieht keinen Sinn darin, dass man Piloten zwingt, nur aus finanziellen Gründen Menschen zu pilotieren, die sich aber dazu nicht mehr in der Lage fühlen. Außerdem muss man sagen, hat diese Übergangsregelung der Lufthansa nicht viel Geld gekostet. Denn wenn ein älterer Kollege ausscheidet, rückt ein junger Pilot nach, der weniger verdient. Diese Differenz deckt fast die ganze Übergangsversorgung ab.

Die Flugbranche ist seit Jahren stark unter Druck. Will das Lufthansa-Management mit den Sparmaßnahmen die Airline fit für die Zukunft machen?

Im letzten Jahr gab es eine Dividenden-Rendite von 2,9 Prozent. Der Dax-Durchschnitt liegt bei drei Prozent. Das ist eine Dividende, die über dem Schnitt der letzten 40 Jahre in der Luftfahrtbranche liegt. Wir stehen ja nicht ganz so schlecht da. Aber wir werden eine Emirates-Airline nicht besiegen, indem wir versuchen, die Personalkosten auf das gleiche Niveau zu drücken. Das geht aus steuerlichen und Sozialversicherungsgründen schon nicht. Das kann nicht die Strategie von Lufthansa sein. Und wenn man analysiert: Welche Airlines gingen denn in den letzten Jahren pleite? Es waren meistens Airlines, die schlechte Konditionen für die Arbeitnehmer geboten haben. Der Grund ist, dass das Geschäftsmodell und das Produkt darüber entscheiden, was erwirtschaften werden kann. Natürlich muss man die Kosten im Auge haben.

Bilder: Zahlen und Fakten zum Ausstand

"Wir Piloten sind nicht abgehoben"

Passengers wait in front of check-in machines of G
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Passengers rest while waiting for their flights at
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Lufthansa Pilotenstreik - Frankfurt
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A pilot of German air carrier Lufthansa holds a 50
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Handwerg, spokesman of Vereinigung Cockpit, the un
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Lufthansa Pilotenstreik - Frankfurt
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Swiss Airlines planes are seen in front of a hanga
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Lufthansa Pilotenstreik - Frankfurt
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Lufthansa pilot wears badge reading "strike" on hi

Das heißt, Sie vermuten, dass die Aktionäre hinter den Sparmaßnahmen stecken?

Wir Piloten schauen in das Unternehmen immer sehr genau hinein, da wir mit der Airline quasi verheiratet sind. Aus der Planung der Lufthansa wissen wir, dass die Investitionen, die Pensionszahlungen und auch die Zinszahlungen in den nächsten Jahren nahezu stabil bleiben. Das Einzige, was massiv ansteigen soll, sind die Dividenden für die Aktionäre. Und da sagen wir Piloten: "Wenn es nur darum geht, die Dividenden zu steigern, dann stehen unsere Versorgungsverträge nicht zur Verfügung."

Von dem Streik waren 412.000 Passagiere betroffen. Wie groß war die Wut der Betroffenen?

Da wir Piloten recht gut verdienen, gibt es immer Menschen, die vom puren Neidreflex getrieben werden. Sie meinen, dass bei uns Besserverdienern das Grundrecht, in Streik zu treten, nicht gilt. Zusätzlich hat das Lufthansa-Management versucht, uns öffentlich unter Druck zu setzen, indem sie unsere Gehälter an die Medien gespielt haben. Aber wir sind es seit vielen Jahren gewohnt, angegriffen zu werden.

Sie sagen, Sie verdienen recht gut. Bedeutet das, dass Sie eine Gehaltserhöhung fordern?

Die Gehälter sind grundsätzlich in Ordnung. Wir haben in den letzten zehn Jahren 13 Prozent Erhöhung bekommen. Doch die Inflationsrate lag bei 16 Prozent und die allgemeinen Tarifsteigerungen lagen bei 16 Prozent. Seit drei Jahren gab es keine Lohnanpassungen mehr.

Der Lufthansa-Streik in Zahlen

Um 124.000 Euro pro Jahr geht es bei der Übergangsversorgung für einen 55-jährigen Flugkapitän bis zum Eintritt ins offizielle Pensionsalter. Das Lufthansa-Management will nun die Konzern-Frühpension von 55 auf 60 Jahre anheben. Hier spielen die Piloten nicht mit. 5400 Piloten legten deswegen drei Tage lang ihre Arbeit nieder. Am Ende seiner Laufbahn verdient ein Kapitän rund 260.000 Euro im Jahr. 5,9 Milliarden Euro wendet der Konzern für Löhne auf. Die Lufthansa steigerte 2013 ihren Gewinn um 60 Prozent, auf mehr als eine Milliarde Euro.

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