Industriellenvereinigung: Zwei sind einer zu viel

Nationalbank-Präsident Claus Raidl machte aus seiner Meinung über die Staatsholding ÖIAG nie ein Hehl. Den Austritts-Brief schreibt er jetzt doch nicht.
Wie Mitterbauer & Co. den Nationalbank-Präsidenten Claus Raidl loswerden wollten.

Claus Raidl ist ein Mann, der seine Meinung offen sagt. Auch wenn’s unbequem ist. Klar, dass sich der Präsident der Nationalbank damit nicht nur Freunde macht. In der altehrwürdigen Industriellenvereinigung beispielsweise. Der ehemalige Stahlmanager ist persönliches Mitglied und sitzt als Gast im Vorstand.

Noch. Einige der Herren schätzen Raidls scharfe Kritik an der Staatsholding ÖIAG und deren Aufsichtsräten überhaupt nicht. Sie würden Raidl lieber heute als morgen loswerden. So einfach geht das allerdings nicht. Der Präsident der Notenbank ist nicht irgend jemand. Käme in der Öffentlichkeit und der Politik eher nicht gut, wenn die Industrie wegen Meinungsdifferenzen einen derart hochrangigen Mandatar vor die Türe setzen würde.

Raidl, der in grauer Vergangenheit als Jung-Manager im Vorstand der ÖIAG saß, beobachtet den von der schwarz-blauen Regierung Schüssel/Grasser installierten, sich selbst erneuernden Aufsichtsrat der Staatsholding seit Jahren sehr kritisch. Dabei hatte der ehemalige Böhler-Chef und Voest-Vorstand dieses Modell als wirtschaftspolitischer Berater von Wolfgang Schüssel selbst vorgeschlagen. Die Intention war, einen Prellbock zwischen Politik und Wirtschaft zu schaffen und den parteipolitischen Einfluss einzubremsen.

Der Aufsichtsrat geriet jedoch rasch zum Freundesverein der Auto- und Papier-Industriellen, die alle miteinander geschäftlich und/oder privat verbunden waren. Und Raidl musste bald eingestehen, dass die Selbsterneuerung doch keine so gute Idee war.

Vor allem Peter Mitterbauer (Miba) empörte sich über Raidl. Der ehemalige Präsident der IV war bis zum Vorjahr Aufsichtsratspräsident der ÖIAG. Kurz vor seinem Abgang passierte Mitterbauer noch die Peinlichkeit, dass er in letzter Sekunde zur entscheidenden Aufsichtsratssitzung der ÖIAG über den Telekom-Syndikatsvertrag mit America Movil eingeflogen werden musste, weil das Gremium sonst nicht beschlussfähig gewesen wäre.

Im Oktober holte Raidl in einem Interview mit Armin Wolf in der ZIB2 nach dem Abschuss von OMV-Chef Gerhard Roiss wieder kräftig aus. Er sprach von einem "Desaster", diese ÖIAG mit dem Vorstand und dieser Aufsichtsratsstruktur "braucht wirklich niemand". Man habe zwar die Parteipolitik aus der ÖIAG hinausgebracht, nur leider habe sich "eine gewisse Gruppe etabliert, die sich selbst erneuert und eigene Interessen verfolgt hat". Aus dem Prellbock sei ein Bunker einer kleinen Gruppe geworden.

Zu starker Tobak für Mitterbauer und dessen Jagdfreunde. Im Präsidium der IV ging’s heiß her. Die Hardliner wollten Raidl endlich hinaus kippen. Womit IV-Präsident Georg Kapsch ein Problem gehabt hätte. Als ehemaliger liberaler Politiker hält Kapsch die Meinungsfreiheit hoch. "Wir werfen niemanden hinaus, nur weil er eine andere Meinung vertritt. Wir legen aber sehr wohl Wert darauf, wie diese Meinung vertreten wird" – mehr will Kapsch im KURIER-Gespräch nicht sagen.

Man suchte also eine diplomatische Lösung, um eine direkte Konfrontation zu vermeiden. Für offene Auseinandersetzungen sind sich die Industriellen zu vornehm. Wie aus dem Präsidium zu hören ist, soll Kapsch schließlich Raidl nahegelegt haben, bei den nächsten Vorstandssitzungen ganz einfach nicht mehr zu erscheinen.

Wird spannend, ob Raidl tatsächlich nicht kommt. Gegenüber dem KURIER wollte er keinen Kommentar abgeben. Insider wollen wissen, dass Raidl anfänglich grob verärgert war und ein Austritts-Schreiben Richtung Schwarzenbergplatz schicken wollte. Mit dem Inhalt, wenn ich meine Meinung nicht mehr frei äußern kann, pfeif’ drauf. Wie man hört, soll sich Raidl inzwischen anders entschieden haben und nicht mehr daran denken, das Feld freiwillig zu räumen.

Denn der oberste Notenbanker hat auch seine Fans. "Ich habe mich bei Herrn Raidl gemeldet und mich für das Interview bedankt", sagt Norbert Zimmermann (Berndorf). Der Industrielle steckte mitten in der Reformierung der ÖIAG und hatte in der hochkarätigen koalitionären Arbeitsgruppe die Rolle des parteifreien Mediators. Raidls Aussagen habe er dabei als "durchaus hilfreich" empfunden. Zimmermanns Enttäuschung über das Ergebnis, die neue ÖBIB, ist eine andere Geschichte.

"Ich würde es sehr bedauern, wenn Raidl nicht mehr zu den Vorstandssitzungen kommt. Er bringt immer wieder unkonventionelle und sehr gescheite Ideen ein. Und mit seiner Kritik hat er recht", sagt ein weiter Industrieller. Der wie einige seiner Kollegen lieber nicht genannt werden will, um nicht zwischen die Fronten zu geraten. Mitterbauer war für den KURIER nicht erreichbar.

Die tiefe Animosität zwischen Mitterbauer und Raidl, beide 72, zeigt sich auch an anderen Schauplätzen. Im Direktorium des Wiener Konzerthauses kam es im Vorjahr zu heftigen Dissonanzen um die Nachfolge der verstorbenen Präsidentin und Mitterbauer-Vertrauten Theresa Jordis. Obwohl Raidl die Mehrheit der Stimmen hatte, zog er seine Kandidatur zurück. Kapsch hatte gedroht, das finanzklamme Konzerthaus nicht mehr weiter zu sponsern. Als Kompromiss-Kandidat sprang Christian Konrad (Raiffeisen) ein.Raidl und Mitterbauer meiden einander konsequent bei gesellschaftlichen Events. Soweit man sich halt bei der Enge des Wiener Parketts aus dem Weg gehen kann. Aber am selben Tisch sitzen, das geht gar nicht. Ist allerdings nicht so, dass es Kapsch mit den älteren Herren sonst immer leicht hätte. Als er sich Ende November in der ORF-Pressestunde kritisch über die ÖIAG äußerte und von einem Modell sprach, das sich überlebt habe, musste er selbst einiges an Kritik einstecken.

Nicht ganz friktionsfrei war übrigens auch die Wahl des SPÖ-nahen Siemens-Österreich-Chefs Wolfgang Hesoun zum Präsidenten der Wiener IV. Um einen Roten – an sich schon eine Seltenheit in der Industrie – an der Spitze zu verhindern, wurde ein Papier-Industrieller zur Gegenkandidatur überredet. Der zog allerdings von sich aus wieder zurück. Inzwischen dürfte man eingesehen haben, dass gute Kontakte ins Wiener Rathaus auch für die IV nicht von Nachteil sind.

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