Industriellenvereinigung: Fachkräfteagentur soll Industriestandort Österreich stärken
Um den Industriestandort Österreich zu stärken will die Industriellenvereinigung (IV) eine Fachkräfteagentur ins Leben rufen. Denn trotz hoher Arbeitslosigkeit kämpften die heimischen Industriebetriebe nach wie vor mit einem Mangel an qualifizierten Fachkräften. Zudem sollen die Investitionsaktivitäten längerfristig gefördert werden, denn diese seien ein weiterer wichtiger Faktor, um nachhaltiges Wachstum zu erzielen, sagte IV-Chef Georg Knill am Donnerstag.
Die großen Volkswirtschaften USA und China liefen Europa und auch Österreich in der aktuellen Aufschwungsphase davon, sagte IV-Ökonom Christian Helmenstein. Während die beiden Länder für heuer starke Wachstumsraten prognostizieren, bleibe Europa zunehmend zurück. Um am Aufschwung teilhaben zu können, müssten daher jetzt Maßnahmen gesetzt werden, um die Industrie zu stützen und das Wachstum anzukurbeln. "Die Industrie ist ein Wohlstandsgarant in Österreich und wird es auch in Zukunft sein können, wenn man sie lässt," so Helmenstein.
Es dürfe aber nicht das alleinige Ziel sein, nur auf Vorkrisenniveau zurückzukommen, sondern es müsse darüber hinaus gehen. Dafür müsse der Fachkräftemangel adressiert, das Eigenkapital gestärkt, die Staatsschuld abgebaut und auf strukturgestaltende Maßnahmen wie eine Investitionsprämie gesetzt werden. Darüber hinaus müsse auch die Innovation und die Digitalisierung weiter vorangetrieben werden, so Helmenstein.
Mit einer Fachkräfteagentur soll dem Mismatch zwischen Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt die Stirn geboten werden, führte Knill aus. Laut Vorschlag der IV soll diese einen Kompetenzatlas erstellen, aus dem ersichtlich wird, in welchen Bereichen es einen Bedarf an Fachkräften gebe. Daraus abgeleitet soll dann das Bildungsangebot mit der Nachfrage aus der Wirtschaft abstimmt werden. So soll ein langfristiger Abbau des Fachkräftemangels ermöglicht werden.
Für die Agentur könnten "ein paar Millionen" Euro an Finanzierung zur Verfügung stehen. Woher genau die Mittel oder das Personal dafür kommen könnte, benannte der IV-Chef nicht im Detail. Man befinde sich bereits im Gespräch mit den jeweiligen Ressorts der Regierung, das wären vor allem das Bildungs-, Arbeits- sowie Wirtschaftsministerium. "Ich könnte mir vorstellen, dass wir nach dem Sommer mit der Agentur starten", so Knill.
Ein Angriff auf die Arbeit des Arbeitsmarktservice (AMS) sei die Idee der Fachkräfteagentur aber nicht. Man arbeite hervorragend mit dem AMS zusammen und sei im guten Austausch. Die Agentur ergänze die Arbeit des AMS aber um das passende Bildungsangebot, das dem Fachkräftemangel vorbeugen soll, so Knill. Als weitere Maßnahme im Arbeitsmarkt könnte sich Knill auch vorstellen, das Instrument der Eingliederungsbeihilfen auszuweiten.
Ein weiterer wesentlicher Punkt für die Standortförderung seien die Investitionen. "Die Frage wie wir aus der Krise herauskommen, ist investitionsgetrieben", sagte Knill. Die Investitionsprämie sei ein starkes Instrument um das Wachstum wieder anzukurbeln. Diese sei aber zeitlich begrenzt, weshalb die IV sich für eine Wiedereinführung des Investitionsfreibetrags ausspricht. Konkret schlug Knill einen Freibetrag von 30 Prozent der getätigten Investitionen vor, das würde in etwa einer Förderprämie von sieben Prozent entsprechen. Auch der Ausbau der Infrastruktur sei für eine leistungsfähige Wirtschaft unerlässlich. Hier müssten vor allem Genehmigungen für große Projekte beschleunigt werden, so Knill.
IV-Generalsekretär Christoph Neumayer schlug überdies einen Decarbonisierungsfonds vor, um beim Übergang zu einer klimafreundlicheren Industrie zu unterstützen. Der Fonds könne beispielsweise zur Co-Finanzierung im Emissionshandel oder zur Kompensation für Strompreissteigerungen herangezogen werden. "Es muss uns bewusst sein, dass dieser Prozess ein enorm teurer ist", so Neumayer. Man müsse in Milliardenbeiträgen über die nächsten 10 bis 20 Jahre denken. Der Fonds müsse daher aus nationalen und EU-Mitteln gespeist werden.
Weiters betonte Neumayer die Wichtigkeit von internationalen Handelsabkommen. So wäre es wichtig, dass ein Abkommen mit Australien geschlossen werde und auch, dass wieder mit den USA über ein Abkommen gesprochen werde. Auch ein Abkommen mit China sei sinnvoll, wenn es richtig ausgestaltet sei. Das derzeit auf Eis liegende Abkommen sei nicht perfekt, adressiere aber bereits die richtigen Themen, beispielsweise den Datenschutz, so Neumayer.
Weiters brachte Knill bereits bekannte IV-Forderungen wie eine Senkung der Körperschaftssteuer (Köst) und der Lohnnebenkosten wieder aufs Tableau. Gefordert wird eine Köst-Senkung von 25 auf 21 Prozent. Dies wäre auch für die Stärkung der Eigenkapitalquoten der Unternehmen relevant. Die steuerliche Gleichstellung von Eigen- und Fremdkapital wäre ebenfalls eine wichtige Maßnahme für die Unternehmen. Bei den Lohnnebenkosten nannte Knill keinen konkreten Betrag, Entlastungspotenzial sieht Knill jedoch bei den Beiträgen zur Unfallversicherung, dem Familienlastenausgleichsfonds und dem Arbeitslosenversicherungsbeitrag.
Die IV will im Laufe des Jahres noch eine langfristige Strategie für den Industriestandort präsentieren. Die von der Bundesregierung gestern vorgestellte Standortstrategie sei richtig und wichtig gewesen, wurde von allen drei Rednern betont. Die Regierung hat gestern angekündigt, Österreich bis 2040 zu einer der Top-10-Wirtschaftsstandorte weltweit zu machen und dabei sieben Kernthemen definiert: Digitalisierung der industriellen Produktion, Technologieführerschaft in einzelnen Industriebereichen, der Ausbau von digitalen und Service-Geschäftsmodellen, die Energie- und Mobilitätswende, Green Tech & Green Materials, Life Science & Biotech sowie "Lebensqualität, Kreativität und Kunst".
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