In Alpbach fliegen die Hack’ln tief

Alpbach
Europäisches Forum: Industriellenvereinigung verabschiedet sich. Franz Fischler will Neuausrichtung.

Das waren noch Zeiten. Als Friedrich Dürrenmatt in der holzgetäfelten Gaststube las, Indira Gandhi, Jitzchak Rabin, Theodor Adorno und Karl Popper diskutierten und André Heller mit Gustav Peichl im Tiroler Bergdorf den Künstlerfreistaat Artopia ausrief. Den Gründervätern des Europäischen Forum Alpbach, Otto Molden und Simon Moser, schwebte 1945 eine umfassende Erneuerung des geistigen Lebens in Europa vor.

Auch wenn heute Generaldirektoren lieber auf den Terrassen der herausgeputzten Dorfhotels smalltalken anstatt im modernen Kongresszentrum Nobelpreisträgern zu lauschen, ist das sommerliche Forum immer noch die bedeutendste interdisziplinäre Plattform für Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur im Lande. „Doch der gesellschaftspolitische Diskurs ist verlorengegangen, Alpbach verkommt immer mehr zum Networking-Event. Da muss sich was ändern“, kritisiert ein Insider.

Das sieht Franz Fischler, ehrenamtlicher Präsident des Forums und ehemaliger EU-Landwirtschaftskommissar, genauso. „Konfrontativer und breiter“ soll Alpbach werden, mit „stärkerer Internationalisierung“. Weshalb Fischler die publikumsträchtigste Veranstaltung, die Wirtschaftsgespräche, für 2014 neu aufstellt. Dabei hat er sich allerdings heftig mit dem bisherigen Exklusiv-Partner, der Industriellenvereinigung (IV), angelegt.

Fischler holte die Wirtschaftskammer (WKÖ) und die Arbeiterkammer ins Boot. Mit der Begründung: „Wenn die Panels mit Leuten besetzt sind, die immer dieselben Meinungen vertreten, kann daraus keine Debatte entstehen. Alpbach stand aber immer für Debatten.“

Vor Weihnachten teilte IV-Präsident Georg Kapsch Fischler in einem deutlich formulierten Brief den Ausstieg mit. Das neue Konzept überzeuge nicht, durch die Einbindung weiterer Partner verliere man die Exklusivität, „zudem befürchten wir, dass das Programm- und Veranstaltungsdesign stark kompromissorientiert ausfallen wird“. Außerdem hätte man sich als langjähriger Partner erwartet, in die Überlegungen eingebunden zu werden, bevor entschieden werde.

Der Verdacht, der Schwarzenbergplatz sei vor allem wegen der Arbeiterkammer ausgestiegen, wird in Industriekreisen dementiert. AK-Direktor und Faymann-Vertrauter Werner Muhm, der ebenso wie WKÖ-Chef Christoph Leitl 50.000 Euro lockermacht, ätzt trotzdem: „Die IV will nur das hören, was die von ihr ausgesuchten Referenten sagen.“ AK-Präsident Rudolf Kaske legt nach: „Wir sind im 21. Jahrhundert angekommen, die Wirtschaft sind wir alle.“

Die WKÖ hofft, dass die Wirtschaftsgespräche jetzt „moderner, jünger und kontroversieller werden“. Fischler strich den Kämmerern nämlich mangels Perspektiven ihre Perspektivengespräche.

Den Vorwurf, ideologisch im eigenen Saft zu schmoren, lässt sich der liberale Kapsch nicht gefallen: „Wir haben immer auch Referenten mit anderen gesellschaftspolitischen Meinungen eingeladen. Diversität ist uns wichtig.“ Genau das würde durch Fischlers neues Konzept eingeschränkt. Man solle aus Alpbach „keinen Sozialpartnergipfel machen“.

Nationalbank-Präsident und Ex-Industrieller Claus Raidl, VP, ist als Vizepräsident des Forums für die Wirtschaftsgespräche zuständig und kann den Ausstieg der IV nicht nachvollziehen: „Eine liberale Einstellung ist das nicht.“ Die Wirtschaftsgespräche würden „auf sehr hohem Niveau weitergeführt, konfrontativ und mit mehr Meinungsvielfalt“.

Aus den Technologiegesprächen zog sich die IV schon vor drei Jahren zurück. Dafür dürfte heuer Siemens mit dabei sein. „Als Technologie-Unternehmen überlegen wir, als Teilnehmer eine Veranstaltung auszurichten“, sagt Siemens-Österreich-Chef Wolfgang Hesoun, SP-naher Präsident der Wiener Industrie.

Fischler muss sich auch aus Bankenkreisen (Finanzgespräche) und dem Tourismus autoritäres Agieren vorwerfen lassen. „Er hat seine neue Linie strikt durchgezogen und hat uns einfach aus dem Forum gekickt“, ärgert sich Rainer Ribing, WKÖ-Tourismus-Geschäftsführer. Die Touristiker bleiben trotzdem in Alpbach, halt außerhalb des Forums.

Konzerthaus

Dissonanzen zwischen Raidl und Kapsch gibt’s nicht nur wegen Alpbach. Im Direktorium des Konzerthauses stand die Nachfolge der verstorbenen Präsidentin Theresa Jordis an. Im 25-köpfigen Gremium, das Geldgeber für das Traditionshaus auftreiben soll, entbrannte ein hitziger Streit. Raidl wurde von einer Gruppe um den liberalen Gesundheitsökonomen Christian Köck zur Kandidatur motiviert, andere Mitglieder opponierten vehement dagegen. Kapsch, der das finanzklamme Konzerthaus mit jährlich 300.000 Euro unterstützt, drohte, nicht mehr weiterzuzahlen. Was ihm den Vorwurf einer „Wer zahlt, schafft an“-Mentalität einbrachte. Der gekränkte Raidl zog seine Kandidatur zurück. Im Hintergrund dürfte der Kfz-Industrielle Peter Mitterbauer im Direktorium mitorchestriert haben. Mit dem Noch-Aufsichtsratschef der Staatsholding ÖIAG verbindet Raidl nicht gerade eine tiefe Freundschaft.

Ein zerstrittenes Direktorium ist das Letzte, was das Konzerthaus, auf dem aus der Renovierung noch ein Schuldenberg von mehr als sechs Millionen Euro lastet, brauchen kann. „Wenn das Direktorium auseinanderdividiert wird, überlege ich mir, die Mittel zurückzuziehen. Aber das hat nichts mit der Person Raidl zu tun“, betont Kapsch, der das Konzerthaus seit mehr als 20 Jahren als Unternehmer großzügig unterstützt.

Jetzt herrscht wieder Harmonie. Kapsch tritt aus dem Direktorium aus, sponsert aber weiter. Kompromiss-Kandidat ist Ex-Raiffeisen-Chef Christian Konrad. Seine Wahl wird morgen, Montag, vor dem Jägerball ohne Misstöne über die Bühne gehen. Konrad hat sich freie Hand bei der Personalauswahl ausbedungen und Raidl als Vizepräsidenten nominiert. Das Direktorium wird um sieben Mitglieder aufgestockt. Darunter Johanna Rachinger, Chefin der Nationalbibliothek, Börse-Chefin Birgit Kuras, OMV-Boss Gerhard Roiss, der Wiener Magistratsdirektor Erich Hechtner, Klaus Buchleitner, Chef der Raiffeisen-Holding NÖ-Wien, und Sanierer Erhard Grossnigg.

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