Impfstoff "made in Austria" für die Welt
Versorgungssicherheit ist derzeit ein ganz großes Thema in der Pharmabranche. Der weltgrößte Pharmakonzern stellt in Orth an der Donau/NÖ Impfstoffe zum Schutz vor Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) sowie vor Meningitis her. Jährlich verlassen zehn Millionen Impfdosen das Werk. Der KURIER sprach mit Top-Managerin Kirsten Lund-Jurgensen, zuständig für die weltweite Produktion und Logistik, über die Zukunft des Standortes, lokale Produktion und „Pickerl“ für Medikamente.
KURIER: Pfizer hat 2014 die Impfstoff-Produktion in Orth an der Donau von Baxter übernommen. Welche Perspektiven hat der Standort innerhalb des Konzerns?
: Unser Produktionswerk in Orth ist ein Kompetenzzentrum für die Wirkstoffherstellung von bakteriellen und viralen Impfstoffen. Ein einzelner Produktionsdurchlauf unseres FSME-Impfstoffs dauert im Schnitt neun Monate; zusätzlich müssen die Planungs- und Beschaffungszeiten berücksichtigt werden, die den Herstellungsprozess auf bis zu zweieinhalb Jahre verlängern. So einen komplexen Impfstoff herzustellen funktioniert nur mit Mitarbeitern, die viel Erfahrung, technisches Know-how sowie Hingabe und Leidenschaft für ihr Wirken mitbringen. In Orth arbeiten 270 Mitarbeiter, die auf mehr als 40 Jahre Erfahrung in der Impfstoffproduktion zurückblicken können. Dieses Know-how ist extrem wertvoll für Pfizer und unser globales Produktionsnetzwerk.
Sind weitere Investitionen am Standort geplant?
Das Werk in Orth ist ein wichtiger Teil unserer Impfstoffproduktion, daher investieren wir fortlaufend in den Standort. Seit der Übernahme von Baxter flossen rund 25 Millionen Euro in den Ausbau. Unter anderem haben wir 2016 ein neues Lager gebaut. Aktuelle Projekte umfassen etwa den Austausch unserer Kälteanlagen sowie die Erneuerung der Lüftungsanlagen. Es ist uns sehr wichtig, im Rahmen solcher Projekte auch mit lokalen Partnern zu kooperieren – sehr oft arbeiten wir mit Unternehmen aus der Region.
Welche Länder werden von Orth aus mit FSME-Impfstoff beliefert?
Unser FSME-Impfstoff wird weltweit an Länder geliefert, die von Zecken und betroffen sind. Die größten Märkte sind europäische Länder, Russland und Kanada.
Wie laufen die Kontrollen (auch der Zulieferer) beim FSME-Impfstoff ab?
Der gesamte Produktionsprozess wird laufend überwacht – jede Charge wird nach jedem Produktionsschritt auf Qualität überprüft. Darüber hinaus werden auch die Ausgangsmaterialien und Hilfsstoffe bereits bei der Anlieferung getestet, um sicherzustellen, dass sämtliche für den Prozess notwendige Materialien den festgelegten Qualitätskriterien entsprechen.
Nach Medikamentenengpässen ist Versorgungssicherheit ein großes Thema in der Branche. Pfizer hat 58 Produktionsstätten weltweit. Wie viele davon sind in Europa und sind weitere geplant?
Pfizer hat derzeit 16 Produktionsstandorte in elf europäischen Ländern, darunter auch Österreich. Wir evaluieren unser Zuliefer- und Produktionsnetzwerk laufend.
In Europa nehmen wegen einer zunehmenden Impfmüdigkeit Infektionskrankheiten wie Masern wieder zu. Was soll aus Ihrer Sicht getan werden?
Es gibt weltweit unzählige wissenschaftliche Beweise von unabhängigen Wissenschaftlern zu den Vorteilen, die
Impfstoffe für den Schutz der öffentlichen Gesundheit und das Wohlergehen der Gesellschaft bringen. Wir müssen Diskussionen zum Thema Impfen auf Ebene dieser wissenschaftlichen Fakten führen.
Ab 2019 müssen auf Geheiß der EU alle Medikamente zusätzliche Sicherheitsmerkmale auf der Verpackung tragen. Welche Vorteile bringt das für Konsumenten?
Wir haben im Laufe der Jahre einen Anstieg an gefälschten Arzneimitteln beobachtet. Fälschungen bergen Risiken durch ihre unvorhersehbare Qualität: Sie können zu viel, zu wenig oder auch gar keinen Wirkstoff enthalten. Für Patienten können sie daher lebensgefährlich sein. Durch zusätzliche Sicherheitsmerkmale auf Medikamentenverpackungen (Serialisierungspflicht, Anm.) soll die pharmazeutische Lieferkette – und damit jeder einzelne Patient – noch besser vor solchen gefälschten und nicht zugelassenen Arzneimitteln geschützt werden. Die Umsetzung muss bis zum 9. Februar 2019 in sämtlichen Ebenen der Lieferkette abgeschlossen sein. Die Auswirkungen auf das Pharmageschäft sind daher erheblich.
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Zur Person:
Kirsten Lund-Jurgensen, gebürtige Deutsche, ist seit 1999 bei Pfizer in unterschiedlichen Management-Funktionen tätig. Als Executive Vice President and President Pfizer Global Supply (PGS) verantwortet sie die weltweite Produktion und Logistik. Pfizer ist mit rund 97.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 52 Mrd. Dollar weltgrößter Pharmakonzern. In Österreich sind 520 Mitarbeiter beschäftigt, davon 270 am Produktionsstandort in Orth an der Donau/Niederösterreich.
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