Zwischen Spektatkel und Naturschutz: Architektur in den Alpen
Schon bei der Anfahrt stockt der Atem. Mit jedem Meter, den die Seilbahn den Berg hinauf gleitet, wird der Blick grandioser. Oben angekommen am 3040 Meter hohen Gaislachkogel, einem eindrucksvollen Gipfel im Ötztal, eröffnet sich ein 360-Grad-Alpen-Panorama.
Auch die britische Filmproduzentin Barbara Broccoli dürfte diese Szenerie in Entzücken versetzt haben, als sie im Winter 2014 zum ersten Mal den Fuß auf den Gaislachkogel setzte. Der Besuch endete in einer Filmszene: das Bergrestaurant „ice Q“, die Gletscherstraße und das Rettenbachtal wurden zum Drehort des 24. James Bond-Films „Spectre“.
Nun wurde dem berühmtesten Geheimagenten der Welt am Gaislachkogel ein Denkmal gesetzt. Im Sommer eröffnete „007 Elements“, eine multimediale Ausstellungsfläche auf 3000 Metern Seehöhe. Auf 1200 Quadratmetern Fläche – 80 Prozent davon wurden in den Berg gebaut – tauchen Besucher in die kühle und archaische Welt von James Bond ein. „Bei der Eröffnung waren sogar Medien wie Al Jazeera und NBC da“, sagt Jakob Falkner, Chef der Bergbahnen Sölden.
Architektur in den Alpen wird zunehmend zum Tourismusmagnet und fungiert als Wahrzeichen einer ganzen Region – das zeigt „007 Elements“. Gute Architektur nutzt dabei die spektakuläre Landschaft und Aussicht. „Die Nachfrage nach anspruchsvollen Projekten im alpinen Umfeld hat deutlich zugenommen“, so Architekt Johann Obermoser, der „007 Elements“ geplant hat.
Doch gerade die aktuellen Diskussionen um die weitere Ski- und Seilbahnerschließung in Tirol macht deutlich, dass Bauen in den Bergen eine Gratwanderung ist: zwischen spektakulärer Architektur und dem Schutz der sensiblen Naturwelt sowie der Schonung knapper Bodenressourcen.
In Extremlagen auf mehreren tausend Metern ist Bauen freilich eine ganz spezielle Angelegenheit: Alle Baumaterialien müssen tausende Höhenmeter zurücklegen und die Bausaison dauert nur von Ende Mai bis Anfang November. Auch die Bauphase von „007 Elements“ war äußerst zäh. Die Baumaterialien wurden über die enge Gletscherstraße auf den Gipfel gekarrt. Dann gab es einen Wettereinbruch, mitten im Sommer fiel Schnee. „Wir brauchten drei Tage, um den Schnee zu räumen, erst dann konnten die Arbeiter wieder fahren“, erinnert sich Jakob Falkner, Chef der Bergbahnen Sölden. Noch dazu setzte der Winter früher ein als sonst. Daher mussten die letzten Bauteile per Hubschrauber hinauf gebracht werden. „Die Arbeiter haben bei Minus 28 Grad noch betoniert. Wir waren an der Grenze.“
Doch das Vorhaben gelang: „007 Elements“ ist heute die einzige James Bond-Erlebniswelt dieser Größe rund um den Globus.
Der größte Bauherr im hochalpinen Gelände ist der Alpenverein. Mehr als 500 Hütten besitzt und verwaltet der Alpenverein. Allerdings ist die Neuerschließung des Gebirges mit neuen Unterkünften seit 1923 faktisch abgeschlossen. Lediglich Zu- und Ersatzbauten werden getätigt – jedes Jahr bei ein bis zwei Objekten. Für größere Vorhaben wird ein geladener Architekturwettbewerb ausgeschrieben. „Die oberste Prämisse sind einfache und funktionale Hütten“, so Peter Kapelari, Abteilungsleiter beim Österreichischen Alpenverein.
Ersatzbauten werden oft nötig, weil die Hütten in die Jahre gekommen sind. So wie die Seethalerhütte über der Dachstein-Südwand in Oberösterreich. 1929 direkt am Fels errichtet und mehrmals erweitert, tat sich in den vergangenen Jahren unter der Hütte durch das Schmelzen des Permafrostes ein Spalt auf. Kapelari: „Schon allein aus diesem Grund wurde ein Ersatzbau notwendig.“
Permafrost ist eine große Herausforderung. Gebäude müssen nämlich so geplant sein, dass die Wärme im Inneren bleibt und den ohnehin durch den Klimawandel gefährdeten Permafrost nicht zusätzlich auftaut.
Dazu kommt, dass vor Baubeginn mit Probebohrungen die Geologie des Geländes genau erforscht werden muss: handelt es sich um festen Fels oder nur um Geröll, das durch das Eis zusammengehalten wird? Peter Kapelari: „Bauwerke werden daher mit Anker oder tiefen Stützen im Boden fixiert, sodass sie beim Schmelzen des Permafrostes nicht abrutschen können.“
Da es in vielen höheren Lagen weder Kanal-, Wasser- noch Stromanschluss gibt, werden beim Alpenverein Hütten so geplant, dass sie autark funktionieren: Das gelingt mit Solarpaneelen an der Fassade, Klär- und Wasseraufbereitungsanlagen müssen mitbedacht werden. Peter Kapelari: „Bei den meisten Ersatzbauten erhöhen wir die Bettenkapazität nicht. Allerdings werden die Hütten größer, weil sich die Baubestimmungen hinsichtlich Fluchtwege, Personalunterkünften und Brandschutz geändert haben.“
Und wie reagieren die Bergsteiger darauf, dass urige Holzhütten modernen Bauten weichen? „Manche sind nostalgisch. Doch moderne Bauten haben den Vorteil, dass sie von der Wärmedämmung um ein Vielfaches besser sind und dass man auch schöne Panoramafenster hat“, meint Kapelari.
Wenn draußen ein Schneesturm tobt, dann wird nirgendwo sonst als in einer Berghütte deutlicher: Architektur diente seit jeher als Schutz vor der Natur. Dieses Verständnis dreht sich nun um. Beim Bauen in den Bergen muss mitgedacht werden, wie die Natur vor den Menschen geschützt werden kann. Das Dilemma daran: Die Touristen kommen auch wegen der Architektur in die Berge.
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