Wie sich der Frühjahrputz auf die Psyche auswirkt

Wie sich der Frühjahrputz auf die Psyche auswirkt
Warum misten wir gerade zu dieser Jahreszeit aus und können uns gleichzeitig von gewissen Dingen einfach nicht trennen?

Strahlt der ausgefranste Pulli Freude aus und macht die zerfetzte Jeans noch glücklich? Diese Fragen sollte sich jeder stellen, der versucht seinen Kleiderkasten auszumisten. Zumindest wenn es nach der japanischen Aufräumexpertin Marie Kondo geht. In ihren Büchern und der neuen Netflix-Serie gibt sie Tipps, um vollgeräumte Häuser wieder auf Vordermann zu bringen.

Fällt die Antwort nach dem Glücksgefühl negativ aus, so ist es – laut Kondo – an der Zeit „Danke“ zu sagen und sich von dem einstigen Lieblingsstück zu verabschieden. Zugegeben, die Japanerin treibt das Aufräumen und damit auch die Emotionen der Menschen in der TV-Serie auf die Spitze – im positiven und negativen Sinn. Während das bei so manchen Zuschauern peinliche Berührung auslöst, steckt dahinter tatsächlich handfeste Psychologie.

Das bestätigt auch Psychologin Natalia Ölsböck: „Es gibt insgesamt vier Grundbedürfnisse, die unsere Seele gesund halten. Eine davon ist das Bedürfnis nach Kontrolle, das uns Sicherheit und Orientierung gibt.“ Dieses Gefühl wird auch durch Ausmisten und Putzen ausgelöst. „Dadurch entsteht Freiraum zur Weiterentwicklung“, erklärt Ölsböck weiter.

Ausmisten mit Strategie

Ölsböck: „Die gesammelten Stücke sind keine toten Dinge. Sie erzählen ein Stück der eigenen Lebensgeschichte. Darin stecken Emotionen und Energien.“ Um einen ersten Überblick zu bekommen, empfiehlt Marie Kondo die Kästen auszuräumen und den Inhalt auf einen Haufen zu werfen. Beim Aussortieren selbst würde sich Psychologin Ölsböck dann nach dem sogenannten Drei-W-System orientieren. Dabei werden die Gegenstände nach den Kategorien „wichtig“, „weitergeben“ und „wegwerfen“ sortiert.

Hilfreich sei auch ein Foto von einem geliebten Gegenstand zu machen, bevor er weggegeben wird. „So kann man das Stück immer noch ansehen, es nimmt aber kaum noch Platz weg“, erklärt Ölsböck. Beim Recyceln und Weitergeben von geliebten Dingen, tröstet auch der Gedanke, dass daraus etwas Neues entsteht. „So kann das geliebte Stück weiterleben“, sagt die Psychologin.

Blockaden überwinden

Prinzipiell gelte dafür folgende Regel: Wurde ein Gegenstand seit zwei Jahren nicht benutzt, wird er nicht gebraucht. „Die Besitzer können darauf vertrauen, dass sie alles haben, was sie tatsächlich benötigen“, sagt Ölsböck. Sollten ein paar Gegenstände doch zu wertvoll für den Flohmarkt sein, können sie in einem Geschenkkorb gesammelt und zu Geburtstagen weitergegeben werden.

Zu guter Letzt empfiehlt Ölsböck den tapferen Ausmistern, sich über ein leeres Regal zu freuen und dieses Gefühl erst einmal wirken zu lassen. „Es ist nun wieder Platz und dadurch können neue Erlebnisse in das Leben treten.“

Frühjahrsputzen für die Seele

Der Frühling symbolisiert generell einen Neubeginn. Die Natur blüht auf. Alles fühlt sich frisch und lebendig an – das motiviert zum Saubermachen. Mehr Sonnenlicht offenbart auch die ein oder andere Schmutzschicht. „Zusätzlich ist sicherlich auch der kulturelle Aspekt des Frühjahrsputzes ein unbewusster Motivator“, erklärt Katrin Wippersberg vom Psychotherapie Institut Wiener Couch.

Auch das längere Tageslicht aktiviert die Menschen. „Dadurch kommen die körpereigenen Botenstoffe wie Serotonin in Schwung“, sagt Wippersberg. Somit steigen Stimmung und vor allem auch Antrieb. Die Kettenreaktion geht weiter: Nun steigt die Motivation für die Putz-Aktion.

Die Aktivität kurbelt wiederum den Stoffwechsel an und das tut gerade nach einem langen Winter gut. „In der kalten Jahreszeit neigen Menschen vermehrt zu depressiven Verstimmungen. Putzen ist, wie Sport, ein gutes und natürliches Hilfsmittel dagegen“, fügt Natalia Ölsböck hinzu.

Nicht übertreiben

Alles Schritt für Schritt anzugehen und sich nicht zu überfordern, ist dabei ein wichtiger Tipp. Ansonsten hat der befreiende Frühjahrsputz eine gegenteilige Wirkung. Ölsböck: „Bei jedem einzelnen glänzenden Fensterflügel und jeder aussortierten Schublade keimt Freude und ein Erfolgserlebnis auf – und das sollte voll ausgekostet werden.“

Die Psychologin empfiehlt, sich nicht einen ganzen Raum vorzunehmen, sondern individuell einzuschätzen, was zeitlich und energiemäßig zu schaffen ist. „Mit einer sauberen Wohnung ist auch ein inneres Gefühl der Reinigung zu spüren“, erklärt Ölsböck. Der Frühjahrsputz dürfe auch das ganze Jahr andauern, solange es Spaß macht und der Seele guttut.

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