Was tun, wenn sich Grundstücksgrenzen verschieben?

Ein Grenzstein (Symbolbild)
Drei Experten erklären, was zu tun ist, wenn der Nachbar sich auf dem eigenen Grundstück breitmacht.

Eigentlich ist sie klar geregelt, ja sogar in Stein gemeißelt: Die Grundstücksgrenze. Doch wenn Grenzsteine verschwinden und nach jahrzehntelanger Nutzung nicht mehr klar ist, wo das eigene Grundstück endet und das des Nachbarn beginnt, kann es sein, dass etwas errichtet wird, das eigentlich am Nachbargrund steht.

Oft wird das erst Jahre später klar – dann kommt es zu Nachbarschaftsstreitigkeiten. Schwerwiegender sind Fälle, in denen Bauern jahre- und kilometerlang im Feld des Nachbarn Getreide, Mais oder Gemüse anbauen und ernten.

Wie werden diese Grenzfälle gelöst?

Rechtsexpertin Nicole Neugebauer-Herl rät, ins Grundbuch und den Kataster zu blicken. „Diese zeigen, ob das Grundstück im ,rechtlich gesicherten Grenzkataster’ oder im ,Grundsteuerkataster’erfasst ist“, weiß Neugebauer-Herl. Rechtsexperte Peter Hauswirth fügt hinzu: „Ist im Gutsbestandsblatt neben der Grundstücksnummer der Buchstabe ,G’ vermerkt, ist das Grundstück im Grenzkataster erfasst.“

Das Problem: Die überwiegende Zahl der Grundstücke ist noch nicht im Grenzkataster eingetragen. In diesem Fall muss auf Grenzsteine, Zäune und den Grundsteuerkataster zurückgegriffen werden. Hauswirth: „Beim Grundsteuerkataster dient die Katastralmappe nur zur Veranschaulichung der Lage des Grundstücks. Die darin erfassten Grenzen sind nicht rechtlich bindend.“ Sie können sogar Unschärfen von bis zu zehn Prozent enthalten.

Was tun, wenn sich Grundstücksgrenzen verschieben?

Urkunden verraten Grenzen

Jedes Grundstück erzählt seine Geschichte in Form von Urkunden. Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen (IKV) können diese deuten und verschwundene Grundstücksgrenzen rekonstruieren. „Dafür ist eine Vermessung in der Natur notwendig.

Im Büro wird der vermessene Naturstand mit den Urkunden und der Katastermappe verglichen und beurteilt, wo die Grenzen verlaufen“, erklärt IKV Michaela Ragossnig-Angst. Im Anschluss wird eine Grenzverhandlung mit allen betroffenen Parteien ausgeschrieben.

Dabei werden die berechneten Grenzen vom IKV ausgesteckt und gekennzeichnet. „Die anwesenden Eigentümer aller betroffenen Grundstücke legen dann gemeinsam die Grenze fest“, sagt Ragnossnig-Angst. In dieser Situation nimmt die Vermessungsexpertin häufig die Rolle einer Mediatorin ein: „In den meisten Fällen erfolgt die Festlegung einvernehmlich.“

Zum Abschluss unterschreiben die Beteiligten das „Protokoll zur Grenzverhandlung“ vor dem IKV, der als „technischer Notar“ die Zustimmung bestätigt. Der neue Grenzverlauf wird dann mit Antrag auf Umwandlung in den Grenzkataster beim zuständigen Vermessungsamt gestellt und übernommen.

Eine anderes Bild zeigt sich, wenn sich die Beteiligten nicht einigen können. Neugebauer-Herl: „Dann kann entweder im außerstreitigen Verfahren der Antrag gestellt werden, den Verlauf der unkennbar gewordenen Grenze nach dem letzten ruhigen Besitzstand festzusetzen oder im streitigen Verfahren der behauptete richtige Verlauf der Grenze mittels Feststellungsklage festgestellt werden.“

Was tun bei überhängenden Bäumen?

Sind die Grenzen klar definiert, der eigene Grund aber trotzdem von Nachbars Bäumen oder sogar landwirtschaftlicher Bewirtschaftung eingenommen, raten die Rechtsexperten, zunächst das Gespräch zu suchen. Hilft das nicht, gelten unterschiedliche Gesetze für Grenzübertretung und Nutzung des Nachbargrundstücks:

- Bäume und Hecken: Überhängende Äste und Wurzeln dürfen auf eigene Kosten entfernt werden. Neugebauer-Herl: „Dabei ist die Pflanze schonend zu behandeln.“ Der sogenannte Grenzbaum existiert rechtlich nicht.

- Zäune und Gebäudeteile: Ob Grenzen überschritten werden, muss durch eine Vermessung festgestellt werden. Ragossnig-Angst: „Sobald man unsicher ist, ob dies der Fall ist, sollte man dringend mit einem Ziviltechnikerbüro für Vermessungswesen Kontakt aufnehmen.“

- Ersitzung: Rechte können durch langjährige Nutzung ersessen werden. Hauswirth: „Als Voraussetzung ist eine kontinuierliche Besitzausübung während der gesamten Ersitzungszeit, die mindestens 30 Jahre überstrecken muss.“ Außerdem ist die Redlichkeit des Nutzers wichtig. „Wenn beispielsweise dem Landwirt bewusst ist, dass er kein Recht auf die Besitzausübung hat, kann er das Recht auch nicht ersitzen.“ Unter gewissen Voraussetzungen können Eigentumsrechte im Grundbuch eingetragen werden.

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