Was tun, wenn der Nachbar nervt?
Lautstarke Musik um Mitternacht, Rasenmähen am Sonntagmorgen, quakende Frösche, die einem den Schlaf rauben: Für viele stellt das Zusammenleben in der heißesten Zeit des Jahres eine Geduldsprobe dar. Je häufiger sich ein Problem wiederholt, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass es einmal kracht. "Gerade was den Lärm betrifft, birgt der Sommer ein hohes Konfliktpotenzial", sagt Rechtsanwalt Nikolaus Weiser von der gleichnamigen Kanzlei. Die Menschen halten sich vermehrt im Freien auf, es herrscht Ferienstimmung – keine Freude für jene, die aufstehen müssen oder bei offenem Fenster ruhen.
"Um eine Belästigung ausmachen zu können, muss man sich ansehen, was zu welcher Zeit zulässig ist." Generell gilt: Zwischen 22 Uhr abends und 6 Uhr früh, ab Samstagmittag und an Sonn- und Feiertagen sind geräuschintensive Tätigkeiten zu unterlassen. Auf die Mittagsruhe sollte täglich geachtet werden. Darüber hinaus gibt es Sonderbestimmungen in einzelnen Gemeinden, die die Zulässigkeit von Tätigkeiten wie Rasenmähen zeitlich festlegen. Außerdem sind in manchen Hausordnungen Regelungen festgehalten, an die sich Mieter oder Eigentümer zu halten haben.
Lärmbelästigung: Ortsunüblich und wesentlich?
"Bei Emissionen ist immer zu beurteilen, ob sie einerseits ortsunüblich sind und andererseits eine wesentliche Beeinträchtigung darstellen", erklärt Sandra Cejpek von der Kanzlei Anwalt Guntramsdorf. In einer Gegend mit Biotopen und Naturteichen kann das Quaken von Fröschen als ortsüblich gelten. In einer städtischen Kleingartensiedlung wahrscheinlich weniger. Je nach Situation kann der Nachbar durchaus aufgefordert werden, den Froschbestand auszusortieren oder die Ansiedlung weiterer Artgenossen zu erschweren. "Hier ist jedoch immer der Einzelfall zu beurteilen und festzustellen, ob die zugezogenen Bewohner oder das Biotop vorher da waren", erklärt die Rechtsanwältin.
Ob eine Lärmbelästigung als wesentlich gilt, hängt auch von der Häufigkeit ab: Tägliche Partys, durchgehendes Musizieren, mehr als 30 Minuten langes Hundegebell oder pausenlos tobende Jugendliche begrenzen die Freiheit des Gegenüber. "Allerdings sind beim Zusammenleben von Menschen gewisse Elemente in Kauf zu nehmen. Dazu gehören auch spielende Kinder oder dass abends am Balkon geplaudert wird", erläutert Weiser.
Grillen als Konftliktpunkt
Wird der Grill angeworfen, schmeckt das auch nicht jedem. Braten im Garten gilt im Sommer als üblich, äquivalent zu dem Geruch, der beim Kochen durch geöffnete Fenster ins Freie dringt. Geschieht dies allerdings den ganzen Tag über, kann das zum Streit führen. Ebenso bei der Ausübung am Balkon: "Das Grillen mit Kohle kann ein feuerpolizeiliches Problem darstellen. Hier geht es mehr um die Gefahrenquelle denn um die Beeinträchtigung", erklärt der Rechtsexperte. Auch hier lohnt sich ein Blick in die Hausordnung, in der manchmal nur E- oder Gasgriller zugelassen sind. "In einer Wohnhausanlage wird die Tätigkeit wohl eher als ortsunüblich und beeinträchtigend betrachtet werden als in einer Reihenhausanlage", ergänzt Cejpek.
Welche Maßnahmen helfen?
Beide Experten raten primär zu einem klärenden Gespräch. "Die Erfahrung zeigt, dass sich ein einmal entfachter Nachbarschaftsstreit zu einem Krieg entwickeln kann. Daher ist es umso wichtiger, Probleme sofort anzusprechen", sagt die Rechtsanwältin. Führt dies zu keiner Lösung, kann immer noch die Polizei gerufen werden. Allerdings kann dies auch zu Eskalation und zur Verfestigung der Gräben führen. Bei schwierigen Fällen empfiehlt es sich, einen Mediator einzuschalten, in kleinen Gemeinden kann auch der Bürgermeister die Rolle des Schlichters einnehmen.
Spielt sich der Konflikt innerhalb von Wohnungen ab, sollte man sich an den Vermieter bzw. Hausverwalter wenden. Scheitert eine gemeinsame Lösung, bleibt nur noch der Weg zum Gericht, um eine Unterlassungsklage einzureichen. "Geht es um Lärm, sollte man ein Tagebuch führen, in dem detailliert Belästigungen und deren Intensität festgehalten wird", empfiehlt Cejpek. Meist wird nach Einbringen der Klage ein schalltechnisches Gutachten zur Überprüfung vom Gericht angefertigt.
Beliebter Streitpunkt: Pflanzen und Bäume
Herüberhängende Äste können im eigenen Bereich so entfernt werden, dass die Pflanze keinen Schaden nimmt. Der Grünschnitt ist dabei selbst zu entsorgen und nicht über den Zaun zu werfen. Wichtig ist, dass die Grundstücksgrenze, auch im Luftraum, nicht übertreten wird: Wer die Hecke im Areal des Nachbarn zu stutzen beginnt, kann schlussendlich wegen Besitzstörung oder Sachbeschädigung geklagt werden.
Gesetzlich geregelt ist das Recht auf Licht: "Ist der Bewuchs nebenan so intensiv, dass in den Aufenthaltsräumen auch untertags künstliche Beleuchtung notwendig ist, kann man dagegen vorgehen", sagt die Rechtsexpertin. Hierbei muss zuerst ein Schlichtungsversuch erfolgen – danach ist eine Klage auf Unterlassung beim zuständigen Bezirksgericht möglich. "Die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes legen allerdings den Schluss nahe, dass die Beeinträchtigung tatsächlich sehr stark sein muss – auch was den zeitlichen Umfang betrifft", meint Weiser.
Grundsätzlich ist beim Hauskauf oder der Anschaffung einer Wohnung bereits im Vorfeld auf die Gestaltung des Umfelds zu achten – in einer ländlichen Umgebung kann der vorhandene, großzügige Baumbestand durchaus als ortsüblich gelten.
Stark gegossene Balkonblumen, deren überschüssiges Wasser auf die untere Freifläche oder den Gehsteig tropft, sorgen auch immer wieder für Ärgernis. Ein paar Tropfen sind nicht zu vermeiden – wird der darunterliegende Bereich allerdings überschwemmt, muss das nicht hingenommen werden. Sollte das klärende Gespräch nicht fruchten, ist die Hausverwaltung zu informieren. Auch in diesem Fall kann als letzte Konsequenz eine Unterlassungsklage eingebracht werden, erklärt Cejpek.
Immer häufiger Videoüberwachungen
Meist sind es ähnliche Fälle, die immer wieder Konflikte auslösen. Allerdings ändern sich die technischen Rahmenbedingungen: "Der Bereich der Videoüberwachung wird zu einem immer größeren Thema. Es gibt Nachbarschaftsstreitigkeiten, bei denen Kameras in Blumenkisten versteckt werden", erzählt Weiser, der diesen Trend für die zweite, aktualisierte und im Herbst erscheinende Ausgabe des Buches "Mein Nachbar nervt" (Linde Verlag) berücksichtigte. "Die systematisch-permanente Überwachung des Nachbarn bzw. seines Grundstückes stellt einen Eingriff in dessen Persönlichkeitsrechte dar und wird auch zu Beweiszwecken unzulässig sein."
Bleibt abschließend nur zu hoffen, dass das Sprichwort „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu“ möglichst weitverbreitet Anwendung findet – damit der Sommer schlussendlich zu einem Fest für alle wird.
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