Es läuft der Song „Ich möchte ein Eisbär sein“, Fächer werden verteilt. Als die Wiener Wohnbaustadträtin Katrin Gaal diese Woche den „Hitze-Aktionstag“ in der Leopoldstadt eröffnet, tropft den Zuhörern der Schweiß von der Stirn. Die Politikerin sagt nüchtern: „Wir müssen uns mit Maßnahmen gegen die Hitze in der Stadt beschäftigen.“ Gerade hat die Stadt Wien ein 2,3 Millionen Euro schweres Förderpaket auf den Weg gebracht. Doch was wirkt am besten gegen die Hitze?
Kühlung auf natürlichem Weg
„Wenn man einen ökologischen Ansatz verfolgt, dann muss es Ziel sein, Kühlung auf natürlichem Weg zu schaffen“, sagt Nadja Pröwer vom Immobilienberatungsunternehmen Drees & Sommer. Während Städter unter der Sommerhitze stöhnen, entwerfen Architekten Strategien für eine klimaresisente Stadt. Diese vier Maßnahmen sind am besten:
1. Bäume, Bäume, Bäume.
Für Florian Reinwald vom Institut für Landschaftsplanung an der Boku Wien ist klar, was der effizienteste Weg für die Kühlung von Städten ist: „Bäume, Bäume, Bäume. Das klingt nicht sehr innovativ, aber die Natur hat hier die beste Lösung parat.“
Ein großer Baum ist in der Lage, seine Umgebungstemperatur um gefühlt bis zu 15 Grad zu senken. Er spendet Schatten, verdunstet Wasser (Stichwort Verdunstungskälte) und bietet einen Lebensraum für Tiere. Und: Grün tut Menschen psychisch gut.
In Neubaugebieten ist es vergleichsweise einfach, Bäume zu setzen. Schwierig wird es in dicht verbauten städtischen Lagen – vulgo Betonwüsten. So ein Gebiet ist auch Wien-Neubau, wo Menschen an glühend heißen Sommertagen nur im Schatten der Häuserfluchten Schutz finden. Im August wird die Zieglergasse zur „kühlen Meile“ umgebaut: 24 große Ulmen, Kühlbögen und ein entsiegelter Bodenbelag.
Doch Bäume brauchen Platz, und der ist in Wien-Neubau rar. Vor allem unter der Erde für das große Wurzelwerk. Da sind Kanäle, Strom- und Gasleitungen vergraben. Und diese für Bäume zu verlegen oder zu schützen, kostet Geld, und zwar um ein Vielfaches mehr als der Baum selbst: bis zu 30.000 Euro pro Pflanze.
Interaktive Grafik der Stadt Wien zum Baumbestand finden Sie hier.
Außerdem fallen für einen Baum ein bis zwei Stellplätze weg. „Fragt man die Bewohner, ob sie für Parkplätze oder Bäume sind, fällt die Antwort eindeutig auf Bäume“, sagt Bezirksvorsteher Markus Reiter. „Darum werden wir 2020 zwei weitere Gassen umbauen: die Zollergasse und Neubaugasse.“
2. Grün ist das neue Glas.
Allein in Wien liegt das Potenzial für Begrünung direkt an Gebäuden, sprich an Fassaden und auf Dächern, bei rund 10.000 Hektar. Die Kühlleistung von begrünten Fassaden ist gigantisch. Ein Beispiel: Die größte grüne Fassade, jene 850 Quadratmeter große Grünwand der MA 48 in Wien-Margareten, entspricht 75 Klimageräten mit 3.000 Watt. Die Kosten in der laufenden Pflege sind vergleichsweise gering: sie betragen rund zehn Euro pro Quadratmeter und Jahr. „Am wirksamsten sind Fassadenbegrünungen an der Süd- und Westseite von Gebäuden“, erklärt Begrünungsexperte Jürgen Preiss von der MA22.
Auch am Bürohaus von Florian Kraus gibt es eine mehrere Meter hohe grüne Fassade aus Wildem Wein, in der es von Bienen und Hummeln summt und brummt. Florian Kraus ist Chef des Softwareunternehmens Greenpass. Das Start-up, ein Spin-off der Boku, hat ein weltweit einzigartiges Planungstool entwickelt, das Stadtplanern und Architekten genau aufzeigt, wie viel Grad Abkühlung eine bestimmte Maßnahme bringt. „Architekten verwirklichen sich gerne bei der Fassadengestaltung. Bisher meinten viele, dass eine Begrünung die Gestaltung einschränkt. Wir merken aber, dass Grün stark im Kommen ist. Grün ist das neue Glas.“
3. Lüfte das Viertel!
Ein großer Hebel in der Kühlung von Städten ist die Orientierung von Gebäuden. Die Baukörper müssen so ausgerichtet sein, dass Ventilation in einem Stadtviertel möglich ist und durch Bauten nicht blockiert wird. In Wien etwa ist eine der wichtigsten Kaltluftbahnen jene des Wien-Flusses, die kühle Luft vom Wiener Wald in die Stadt transportiert.
Bei der städtebaulichen Planung des nächsten Bauabschnitts in der Seestadt Aspern, den Seeterrassen, wurde auf die Durchlüftung des Viertels Rücksicht genommen. Das Architekturbüro Studio Vlay Streeruwitz entwarf zwar eine geschlossene Blockrandbebauung – allerdings wurden Öffnungen gemacht, sodass kühle Luft einströmen kann.
4. Sponge City.
Was im ersten Moment nach einer TV-Serie für Kinder klingt, ist in Wirklichkeit das neue Schlagwort in der klimasensiblen Stadtplanung: die Sponge-City (Deutsch: Schwammstadt). Das Konzept ist, dass Regenwasser in Städten gehalten und nicht abgeleitet wird, damit Wasser für Pflanzen vorhanden ist und Verdunstungskälte entstehen kann. Zur Zeit fließen fast 100 Prozent des Wassers in den Kanal.
Ein Vorzeigeprojekt dafür ist die in Bau befindliche „Biotope City“ am Wienerberg. Dort soll kein einziger Regentropfen abfließen. Dafür wurde vor allem sehr dicht und komprimiert gebaut, um viele Freiflächen zu belassen und so wenig wie möglich zu versiegeln. Baumscheiben und Gründächer werden mit Substraten befüllt, die Wasser länger halten können. Überschüssiges Nass wird in ein Feuchtbiotop geleitet. „Man kann deutlich mehr machen, als bisher üblich war“, sagt Landschaftsökologe und Berater Thomas Knoll.
Trotz der vielen Maßnahmen, die derzeit ergriffen werden, braucht es vor allem eines: Geduld. Planungsprozesse dauern viele Jahre. Grätzel, die jetzt gebaut werden, wurden zu einer Zeit am Computer entworfen, wo von urbanen Hitzeinseln keine Rede war.
Das weiß auch Paul Oblak. Er koordiniert für die Stadt Wien das Programm „Infrastrukturelle Anpassungen an den Klimawandel“ (kurz: InKA) und soll die vielen Stellen, die mit der Thematik befasst sind, zusammenbringen. Und das sind viele – Umweltschutz, Wasser, Mobilität, Wohnbauförderung um nur einige zu nennen. Er sagt: „Bei den derzeitigen Planungen für neue Stadtviertel sind wir eingebunden und diskutieren intensiv, wie eine klimasensible Planung aussehen kann.“
Der Wiener Gemeinderat beschloss im Jänner jedenfalls, dass bei Wettbewerbsverfahren künftig Klimawandelanpassungs-Maßnahmen berücksichtigt werden müssen.
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