So funktioniert Nachbarschaftshilfe aus dem Netz

So funktioniert Nachbarschaftshilfe aus dem Netz
Über Online-Plattformen werden Geräte verliehen, Handwerker gesucht und Treffen organisiert.

Wir fahren auf Urlaub, kann jemand unsere Blumen gießen? Ich habe mir das Bein gebrochen, wer würde mit meinem Hund Gassi gehen? Kennt jemand einen guten Kinderarzt in der Nähe? Wer borgt mir am Wochenende seine Bohrmaschine?

So funktioniert Nachbarschaftshilfe aus dem Netz
Fragen wie diese liest man häufig im Online-NetzwerkFrag nebenan. "Wir wollten den Leuten die Möglichkeit geben, Wissen und Ressourcen in der Nachbarschaft besser zu nützen", sagt Stefan Theißbacher, einer der vier Gründer. "Natürlich kann man sich eine Bohrmaschine auch von Freunden ausborgen, aber man muss dafür vielleicht quer durch Wien fahren. Im Haus geht man zum Nachbar zwei Türen weiter."

Was ist Nachbarschaft?

Obwohl – in der virtuellen Welt müssen Nachbarn nicht unbedingt im selben Gebäude wohnen, nicht einmal in der selben Straße. Stefan Theißbacher hat den Begriff weiter definiert: "Nachbarschaft ist alles, was man in zehn Minuten zu Fuß erreichen kann. Für eine junge Familie wird vielleicht auch ein Park, zu dem man ein wenig länger braucht, dazugehören. Wer nicht mehr so gut zu Fuß ist, wird den Begriff Nachbarschaft wahrscheinlich enger fassen."

Der Erfolg gibt seiner Definition Recht: Seit einem Jahr existiert das Nachbarschaftsnetzwerk Frag nebenan mit mittlerweile 12.000 Nutzern. Pro Tag werden im Schnitt 25 Themen neu zur Diskussion gebracht – mit durchschnittlich 3,3 Antworten. Derzeit gibt es die Plattform nur in Wien, nächstes Jahr soll Graz dazukommen, später sogar alle größeren Städten im deutschsprachigen Raum.

Kostet Nachbarschaftshilfe etwas?

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Geld fließt keines – weder als Bezahlung für Dienstleistungen, noch als Provision an die Betreiber des Netzwerks. "Wenn man sich für eine Woche ein Fahrrad ausleiht, kann man sich natürlich mit einer Flasche Wein bedanken, aber das kann jeder halten wie er will", sagt Stefan Theißbacher. "Wir wollen eine Kommunikations- und keine reine Verleihplattform sein. Neben der Nachbarschaftshilfe sind auch Empfehlungen und die Organisation von Treffen oder Initiativen im Grätzel wichtige Themen." So wurde etwa bereits ein Gemeinschaftsgarten organisiert oder eine neue 30er-Zone durchgesetzt.

Wer borgt mir eine Bohrmaschine?

Ein anderes Konzept verfolgt der Online-Marktplatz für Vermietgegenstände Use twice. Hier findet man zum Beispiel eine Heckenschere für drei Euro pro Tag, einen Dampfreiniger für zehn Euro, einen Bohrhammer für 15 Euro und einen Gasgrill für 30 Euro. "Ein Angebot auf die Seite zu stellen ist kostenlos. Der Vermieter legt den Preis, die Kaution und die Mindestmietdauer fest. Eine Provision verlangen wir noch nicht, das ist derzeit noch zu viel administrativer Aufwand", sagt Gründer Markus Heingärtner.

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Ähnlich funktioniert das Konzept der Geschwister Stephanie und Nikolaus Gasche. Sie haben das DienstleistungsportalFleißige Bienegegründet. Provision gibt es keine, Geber und Nehmer vereinbaren die Bezahlung individuell. Doch während bei Use twice Gegenstände vermietet werden, werden auf dieser Plattform Arbeitsleistungen vermittelt – vom Montieren einer Lampe über das Reinigen der Wohnung bis zur Entsorgung von Sperrmüll.

Wer vernetzt die Netzwerke?

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Langsam kommt Struktur in die heimische Tausch- und Vernetzungsszene. Nina Duda hat vor einem Jahr die PlattformVienna Shares gegründet. "Wir wollen ein Dachverband für bestehende Initiativen sein und diese sowohl untereinander vernetzen als auch mit der Bevölkerung zusammenbringen." Die nächste Herausforderung: "Wir möchten auch andere Zielgruppen wie ältere Menschen erreichen – das geht mit Online-Medien nicht. Wie das genau funktionieren wird, wissen wir noch nicht. Beim Projekt Kaesch in der Wohnhausanlage Schöpfwerk funktioniert die Einbindung verschiedener Zielgruppen bereits sehr gut. Dort tauschen die Bewohner Dienstleistungen – zum Beispiel Rasenmähen gegen Hosenbeine kürzen."

Welche Arten von Vernetzung gibt es?

Die Vernetzung von Nachbarn kann also ganz unterschiedlich aussehen. Das bestätigt auch Martin Troger, Geschäftsführer der Hausverwaltung Rustler, die mehr als 1100 Objekte in Österreich betreut: "Wir sehen bei Hausbegehungen immer wieder Flyer, auf denen für Initiativen geworben wird. In einigen Häusern gibt es Runden, die sich regelmäßig zu Kaffee und Kuchen treffen und die nächsten Termine ganz einfach persönlich vereinbaren. In größeren Anlagen gibt es manchmal sogar eine eigene Internetseite, die einzelne Bewohner initiieren und betreuen. Mittlerweile werden aber öfter Gruppen auf Facebook eingerichtet, das ist weniger Aufwand."

Wie wird im Haus kommuniziert?

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Auch in einer Genossenschaftsanlage mit rund 300 Wohnungen in Wien-Ottakring wird über eine Facebook-Gruppe kommuniziert. Der eine verschenkt Tomatenpflanzen, die andere sucht einen Babysitter. Es wird über Veranstaltungen wie Flohmärkte oder Yogakurse informiert und über Unerfreuliches wie Hundstrümmerl im Blumenbeet, kaputte Trockner in der Waschküche oder Probleme mit der Schneeräumung diskutiert. In Gruppen wie dieser gilt nur als Nachbar, wer auch tatsächlich in der Anlage wohnt. Und in manchen Häusern hängen sogar noch Infos am Schwarzen Brett im Stiegenhaus.

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