Nutzwertgutachten: Wem gehört was?

Nutzwertgutachten: Wem gehört was?
Wenn Zinshäuser an einzelne Wohnungseigentümer abverkauft werden, passieren im Nutzwertgutachten oft Fehler.

„Das Nutzwertgutachten soll das Verhältnis der Wohnungseigentumsobjekte zueinander darstellen“, weiß Rechtsexpertin Daniela Kager. In weiterer Folge werden die Eigentumsverhältnisse mithilfe des Nutzwertgutachtens und des Wohnungseigentumsvertrags ins Grundbuch übertragen.

„Die korrekte Berechnung ist auch deshalb wichtig, weil sie die Basis der Verteilung der Aufwendungen, Betriebskosten und Erträge innerhalb der Eigentümerschaft regelt“, erklärt Kager. Es komme immer wieder vor, dass allgemeine Teile, die der gesamten Eigentümergemeinschaft gehören, wie Gang oder Dachboden, in die Nutzwertermittlung einbezogen werden. „An allgemeinen Teilen der Liegenschaft kann jedoch kein Wohnungseigentum begründet werden“, erklärt sie.

Fatale Fehler

Ein solcher Fehler könne nicht nur die Nichtigkeit der Nutzwertfestsetzung, sondern auch die darauf aufbauende Eigentumsbegründung nach sich ziehen. „Erst kürzlich hatte ich den Fall, dass jemand eine Dachterrasse verkauft hat, die es gar nicht gibt“, erzählt Regina Lettner. Sie ist Architektin und Gerichtsverständige für Nutzwertgutachten.

In natura gebe es die Dachterrasse natürlich schon. Da sie baubehördlich aber als Flachdach bewilligt ist, gilt sie laut Wohnungseigentumsgesetz als Allgemeinfläche und ist deshalb nicht eigentumstauglich. Das passiere sehr oft, erklärt sie weiter und setzt zur nächsten Geschichte aus ihrem Berufsalltag an: „Ich bearbeite derzeit ein Gutachten, in dem ein Nutzwertanteil an einer Wohnung errechnet wurde, der behördlich nicht vorhanden ist.“

Da weder bei der Baubehörde noch beim damaligen Gutachter Pläne aufliegen, ist nicht nachvollziehbar, wie der Fehler zustande kam.

Messen und Rechnen

Nutzwertgutachten zu erstellen, kann ein schwieriges Thema sein. Dabei werden die Anteile, die eine Wohnung oder ein Büro an einem Haus hat, exakt errechnet und festgeschrieben, um im Anschluss ins Grundbuch übertragen zu werden.

Für Haus- oder Miteigentümer sei ein Nutzwertgutachten laut Lettner meist in zwei Fällen wichtig: „Wenn eine oder auch mehrere Wohnungen verkauft werden, oder im Erbfall.“ Wird eine Wohnung ohne Nutzwertgutachten verkauft oder vererbt, sei nie klar, wer welchen Teil des Hauses benutzen darf und jedem gehört ein Teil von allem.

Zu- und Abschläge

Die Nutzwert-Berechnung basiert auf der Nutzfläche. „Diese Flächen sind auch baubehördlich bewilligten Plänen zu entnehmen“, erklärt Lettner. Sind die Angaben jedoch unrichtig, ist auch die Grundlage des Gutachtens falsch.

„Häufig ist die Bewilligung für bauliche Änderungen wie WC- und Badeinbau, Gangvereinnahmungen, Keller- und Dachausbauten oder Loggen und Terrassen nicht gegeben“, erklärt Lettner. Wird das übersehen oder nicht ordentlich bearbeitet, führe das zu einem Rattenschwanz an rechtlichen Problemen.

Lettner: „Es ist anzuraten, das Gutachten immer vor Ort zu erstellen und danach die baulichen Änderungen durch ein Bewilligungsgesuch bei der Baubehörde zu beantragen.“

Ist das Bewilligungsgesuch genehmigt, kann das Nutzwertgutachten erstellt werden. Dabei gehen Gutachter von einer Regelwohnung aus.

„Hat diese Regelwohnung beispielsweise einen Balkon und eine andere Wohneinheit im Haus nicht, bekommt die Wohnung ohne Balkon einen Abschlag. Hat eine andere Wohnung ein Bad mehr, bekommt diese einen Zuschlag“, erklärt Lettner. Derselbe Vergleich wird mit Dachschrägen, Stockwerkslagen, Balkonen und mehr angestellt.

Falsch berechnet – was tun?

„Es gibt mehrere Möglichkeiten, dieses Problem in den Griff zu bekommen“, beruhigt Nutzwertgutachterin Regina Lettner. Messungen machen sowohl Sachverständige oder Ziviltechniker, aber auch Geometer, sprich Zivilingenieure für Vermessungswesen.

„Letztere besitzen meist die besten Geräte, um Bestandshäuser richtig zu vermessen“, weiß die Gutachterin. Flächenunterschiede von bis zu drei Prozent werden laut Wohnungseigentumsgesetz zugelassen.

Überschreitet die Neuberechnung diese Grenze, kann ein Antrag auf Berichtigung in Wien bei der Schlichtungsstelle MA 50 und in den Bundesländern beim Bezirksgericht eingereicht werden.

„Dazu sind sowohl das alte als auch das neue Nutzwertgutachten nötig – hilfreich ist auch der Vermessungsplan “, so Lettner. Prinzipiell gilt eine dreijährige Gewährleistung des Gutachters. Für versteckte Mängel haftet er dreißig Jahre.

Bezahlen muss, wer schuld ist

„Das kann der Verkäufer, aber natürlich auch der Gutachter sein. Je nachdem, wer die Verantwortung zu tragen hat, muss auch die Kosten für die Richtigstellung übernehmen“, erklärt Lettner.

Weist das Gutachten grobe Fehler bezüglich Wohnungszubehör auf oder ist das Wohnungseigentum falsch gewidmet, dann ist das ein zwingender Grund, die Nutzwertberechnung aufzuheben. Das ist beispielsweise der Fall, wenn eine Terrasse nicht bewertet wurde oder ein Abstellraum mit einer Größe von einem Quadratmeter als Wohnungseigentumsobjekt gewidmet wurde.

Je nach Fehler müssen neben einzelnen Wohnungen teilweise auch gesamte Häuser neu bewertet werden. Das kann dazu führen, dass Kaufverträge rückabgewickelt werden müssen. Lettner: „Die rechtliche Richtigstellung kann manchmal ausarten und das kann teuer werden.“

Kommentare