In den alten Schweinestall wird demnächst eine Lebensmittelkooperative einziehen und aus dem ehemaligen Wohntrakt werden Therapieräume: Ende September bezogen 41 Erwachsene samt 26 Kindern das gemeinschaftliche Wohnprojekt „KooWo“ nahe Graz.
Auf dem Gelände eines 3,7 Hektar großen Bauernhauses mit umliegenden Äckern und Wiesen entstanden 28 Wohneinheiten in drei neu errichteten Häusern in Holzbauweise – die bestehenden Teile des Bauernhauses wurden zu Gemeinschaftsflächen umgebaut. „Derzeit überlegen wir, wie wir den landwirtschaftlichen Betrieb wieder aufnehmen können, um uns selbst mit Gemüse und Getreide zu versorgen“, sagt KooWo-Mitbegründer und Architekt Werner Schwarz.
Die Zahl der Bauernhäuser, die gemäß ihrem ursprünglichen Zweck genutzt werden, sinkt in Österreich rasant: Gab es Anfang der 1990er Jahre noch 282.000 land- und forstwirtschaftliche Betriebe, sind es heute nur mehr 160.000. Viele Scheunen, Ställe und Werkstätten stehen leer.
Für die Eigentümer werden die riesigen Gebäude dann zum Problem: Wird nichts investiert, verfallen sie. Und was dann? Gleich ganz abreißen oder den Bestand doch irgendwie erhalten? „Die großen, voluminösen Bauernhäuser haben großes Potenzial“, sagt Albert Moosbrugger vom Vorarlberger Architekturbüro firm.
Das erste Projekt der Genossenschaft Die WoGen, die auf gemeinschaftliche Wohnprojekte spezialisiert ist, ist das „KooWo“ in Volkersdorf bei Graz. Eine Gruppe von 41 Erwachsenen und 26 Kindern baute 28 Wohneinheiten in drei Neubauten in Holzbauweise.
Der bestehende Bauernhof wurde revitalisiert und in Gemeinschaftsflächen wie eine Küche, Kinderspielraum, Bibliothek und Musikzimmer umgebaut. Auch der landwirtschaftliche Betrieb soll mit dem Anbau von Gemüse und Getreide nun wieder aufgenommen werden.
„Gerade in Zeiten, wo Grundstücke knapp und die Preise hoch sind, sollten diese Flächen genützt werden.“
"Sprache des Bestands" in der Moderne weiterentwickeln
Diesen Gedanken hatten auch die Bauherren des „Haus W.“ in Bezau im Bregenzerwald. Ein Onkel bewohnte ein klassisches Bauernhaus auf einem Steilhang mit Blick auf den Ort. Weil die vierköpfige Jungfamilie ein neues Zuhause suchte, beschloss sie, das leer stehende Stallgebäude samt Heulager im Haus des Onkels zu einem Wohnhaus umzubauen. Dabei wurden zwei getrennte Wohneinheiten geschaffen, die jedoch mit gemeinsamen Sockel und Dach von außen als Einheit wirken. „Wir haben versucht, den Neubau in der Sprache des Bestands zu gestalten“, sagt Architekt Moosbrugger. „Deswegen hat der Neubau eine relativ geschlossen wirkende Fassade, so wie auch der alte Stall es hatte.“
Allerdings: auf den zweiten Blick verbirgt sich hinter der Fassade aus Lattenrost eine großzügige Balkonzone, die mit Schiebeelementen geöffnet werden kann.
firm Architekten planten für eine Familie einen neuen Wohntrakt auf drei Geschoßen und passten ihn so an den bestehenden Hof an, dass das Gebäude wie eine Einheit wirkt. Dafür wurden das Dach und die Sockelzone führt beide Teile einheitlich gestaltet.
Die Fassade des Neubaus besteht aus vertikalen Fichtenlatten, hinter der sich eine Balkonzone verbirgt. Außerdem bietet die Fassade dadurch einen Sonnenschutz und kann als Schiebeelemente geöffnet werden können.
Alt und Neu zu verbinden – das stand auch bei der Planung des „Haus obd’r Lech“ in Lech am Arlberg im Vordergrund. Eine so genannte dendrochronologische Untersuchung, wo das Alter mithilfe vorgefundener Holzreste bestimmt wird, ergab, dass das Walserhaus Ende des 14. Jahrhunderts errichtet wurde. Allerdings waren Teile davon in einem katastrophalem Zustand. „Es war eigentlich ein Wunder, dass das Haus überhaupt noch gestanden ist“, sagt Architekt Matthias Hein.
Architekt Matthias Hein gestaltete mit seinem Kollegen Gernot Thurnher die Erhaltung des Walserhauses aus dem 14. Jahrhundert so, dass es schlicht und unauffällig bleibt – so, als ob es schon immer so gewesen wäre. Die Teile des Bauernhauses, die noch funktionierten, wurden erhalten. Die anderen Bereiche mit den vorhandenen Materialien saniert oder komplett neu gebaut. Das "Haus obd'r Lech" ist heuer übrigens für den Bauherrenpreis nominiert.
Anfangs waren die Bauherren hin- und hergerissen: Sollten sie das Bauernhaus abtragen und neu bauen oder doch eine aufwendige Sanierung wagen? Sie entschieden sich für eine Erhaltung. „Das war mutig“, meint Hein, „doch das Ergebnis spricht für sich: die Haptik, die Gerüche und Authentizität des Altholzes könnte mit einem Neubau niemals erreicht werden.“
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