Italienische Lehre: Antonio Citterio im Interview

Italienische Lehre: Antonio Citterio im Interview
Antonio Citterio zählt weltweit zu den wichtigsten Designern und Architekten. IMMO hat mit ihm über seine Arbeit gesprochen.

KURIER: Sie sind Architekt und Designer. Was ist schwieriger: Die Gestaltung eines Gebäudes oder eines Gebrauchsgegenstands?
Antonio Citterio: Ich finde es herausfordernd, an verschiedenen Projekten zu arbeiten. Es ergeben sich immer wieder neue oder andere Probleme – das ist spannend. Es geht nicht darum die richtige Lösung zu finden, sondern darum bestimmte Erwartungen zu erfüllen. Mies van der Rohe hat einmal gesagt, die Gestaltung eines Stuhls ist so schwierig, wie die Gestaltung eines Wolkenkratzers, und dem kann ich nur zustimmen. Für mich wäre es etwa undenkbar, ein Produkt zu entwerfen ohne die entsprechenden Fertigungstechnologien zu kennen. Ich konzentriere mich nie nur auf die Schaffung eines einzigen Produktes. Mir geht es eher darum, das strategische Unternehmensangebot zu ergänzen, welches ich selbst mitdefiniere. Deshalb habe ich immer eine sehr tiefgründige Verbindung zu den Unternehmen mit denen ich zusammenarbeite.

Heute wird fast alles als Design verkauft. Woher wissen wir, was gutes und was schlechtes Design ist?
Design ist zum fixen Bestandteil des industriellen Prozesses und Marktes geworden. Es ist etwas Konkretes mit einem eigenen inneren, nicht nur formalen oder ästhetischem, Wert. Es gibt auch „falsches“ Design, vor dem man sich schützen muss: überflüssiges Design. Medien entscheiden, ob ein Objekt in Mode ist oder nicht – egal welche Werte das Objekt transportiert. Es wird automatisch geschätzt, selbst dann, wenn es hässlich, ungemütlich oder einfach nicht funktional ist. Wir müssen nach diesem anderen Design Ausschau halten, dem echten mit zeitgenössischem Charakter. Es geht nicht nur um Ästhetik, das Objekt ist nicht nur ein reiner Kunstgriff.

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Häufig werden Original-Entwürfe gefälscht. Wurden Sie schon einmal mit einer Kopie eines Ihrer Entwürfe konfrontiert? Wie schützt man sich dagegen?
Ja, ich wurde leider schon öfters mit einer Kopie konfrontiert und in manchen Fällen wurde auch mein Name falsch verwendet. Dieses Thema wird bereits international diskutiert. Es geht um das Recht geistiges Eigentum zu verwenden. Unglücklicherweise wird noch immer diskutiert und nicht gehandelt. Schutz konnte man bisher nur für bestimmte Branchen (IT, Software) erlangen.
Für Vitra haben Sie den Stuhl Grand-Repos konzipiert. Der Entwurf ist ein Nachfolger des berühmten Loungestuhles von Charles Eames. Wie schwierig war es für Sie, in diese großen Fußstapfen zu treten?
Seit vielen Jahren haben wir zum Entwerfen eines Lounge-Sessels immer diesen Fünfzigerjahre-Bestseller als Vorbild verstanden. Mit dem Grand Repos für Vitra wollten wir keinen „Ersatz“ schaffen, wir wollen den Erfolg des Eames Chairs ergänzen. Nach mehr als zwanzig Jahren Erfahrung und erfolgreicher Zusammenarbeit ist es uns gelungen, einen anspruchsvollen Feder-Mechanismus zu entwickeln, der Spannungen des Sitzes beim Verstellen der Rückenlehne synchronisiert.

Wenn Sie den Entwurf mit nur einem einzigen Wort beschreiben müssten, welches wäre es?
Es wäre: Abend.

Welchen Rat können Sie jungen D­esignern mit auf den Weg geben?
Die Einstellung ist wichtig, man muss immer am Boden bleiben. Meinen Studenten rate ich auch immer: „Ihr seid keine Genies,
ihr habt nicht die Idee erfunden, die Welt zu revolutionieren. Wenn ihr also die Chance bekommt, eure Arbeit einem Unternehmen zu zeigen, dann solltet ihr die Zusammenarbeit nicht mit der Frage nach einem Vertrag zum Schutz eurer Ideen beginnen.“
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MARC EGGIMANN,
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Zur Person

Antonio Citterio wurde 1950 im italienischen Meda geboren. 1972 diplomierte er auf dem Mailänder Polytechnikum in Architektur. Nach dem Abschluss gründete er mit Paolo Nava ein Büro und arbeitete vorerst als Industriedesigner. Dem Entwerfen von Möbeln und der Architektur selbst widmete er sich später.

Ende der 1990er-Jahre gründete er mit Patricia Viel das Büro „Antonio Citterio and Partners“. Seit über zehn Jahren lehrt er an der Akademie für A­rchitektur in Mendrisio (Schweiz), an der Domus Akademie in Mailand und an der Universität „La Sapienza“ in Rom.

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