Häuser zum Durchatmen und Wohlfühlen
Sind sie noch ganz dicht? Ja, sind sie. Manche sogar zu dicht. Damit möglichst wenig Wärme verloren geht, hat man immer dichtere Gebäude gebaut. Dabei ist der natürliche Luftaustausch, wie man ihn aus Altbauten kennt, verloren gegangen.
Die Folge: Schadstoffe und Feuchtigkeit werden nicht ausreichend abgeführt. Daher ist die Lüftungstechnik derzeit das bestimmende Thema in der Baubranche. Nicht umsonst steht der IBO-Kongress nächste Woche unter dem Motto "Lüft!". Wie jedes Jahr findet die Fachveranstaltung des Instituts für Bauen und Ökologie im Rahmen der Bauen & Energie Messe in Wien statt. "Wir haben einen großen Paradigmenwechsel in der Baukultur – so wie in den 1970er-Jahren, als eine bessere Wärmedämmung das große Thema war", sagt Peter Tappler, Gerichtssachverständiger für Schadstoffe in Innenräumen und einer der Vortragenden.
"Im Neubau wird man sich in Zukunft überlegen müssen, welche Lüftungsanlage man nimmt und nicht mehr, ob man eine nimmt." Es dürfen nämlich in Zukunft (mit wenigen Ausnahmen) nur noch Häuser mit Lüftungsanlagen errichtet werden. "In den Bauordnungen wird eine entsprechende OIB-Richtline umgesetzt. Das ist zwar noch nicht in allen Bundesländern passiert, wird aber über kurz oder lang in ganz Österreich der Fall sein", so Tappler.
Auswahl
Die Auswahl ist recht groß und reicht von einfachen Anlagen bis zur Komfortlüftung mit Feuchte-Rückgewinnung. Grundsätzlich funktioniert das System folgendermaßen: Die frische Außenluft wird angesaugt, im Lüftungsgerät gefiltert und über einen Wärmetauscher geführt, wo sie mit der Abluft aus dem Gebäude temperiert wird. Die Frischluft wird zuerst in die Wohn- und Schlafräume geleitet und dann weiter in die Küche und die Sanitärräume. Von dort wandert die verbrauchte Luft zurück zum Wärmetauscher und wird anschließend ins Freie abgeleitet.
Auch in bestehenden Objekten kann man eine Lüftungsanlage einbauen. "Oft ist das aber nur möglich, wenn das Gebäude komplett entkernt wird. Schließlich müssen für den Einbau einer Lüftungsanlage viele Wände aufgerissen werden", so Tappler. Es gibt aber auch schon einfache Systeme mit weniger Rohren, die man leichter einbauen kann. "Derzeit gibt es alle paar Monate neue Entwicklungen", erzählt der Sachverständige. "Für eine einfache Anlage muss man bei der Sanierung einer Wohnung mit 2000 bis 3000 Euro rechnen. Im Neubau verursacht die kontrollierte Wohnraumlüftung Mehrkosten von etwa 10.000 Euro pro Wohnung."
Wer eine Lüftungsanlage installieren will, sollte sich gut informieren. Unabhängige Lüftungstechniker des IBO bieten Beratungen für Neubau und Sanierung. Kosten: ab 180 Euro.
Falsche Erwartungen
Doch nicht jeder kann sich mit der Idee einer automatischen Lüftung anfreunden. Psychologe Alexander Keul macht mit seinen Studenten an der Universität Salzburg Studien zum Nutzerverhalten im Passivhaus. Er hat herausgefunden, dass viele Bewohner falsche Erwartungen haben: "Von vielen wird im Winter die Luftfeuchtigkeit als zu gering erlebt. Aber wenn die Außenluft sehr kalt und daher trocken ist, kommt eben trockene Luft in die Wohnung – egal, ob man eine Lüftungsanlage hat oder das Fenster aufmacht."
Keuls Studien zeigen, dass es nach wie vor viele Vorurteile und Vorbehalte gibt – die meisten entstehen aus Unwissenheit. "Die Bewohner müssen die Anlage kennen. Wer keine Bedienungsanleitung bekommt, sollte eine von der Verwaltung verlangen", rät Keul. "Man muss verstehen, wie das System funktioniert, damit man sich zu Hause wohlfühlt."
Evaluationen haben auch gezeigt, dass viele Bewohner gerne hin und wieder das Fenster öffnen. "Das kann man auch machen. Wenn es draußen sehr heiß oder extrem kalt ist, darf man aber nur kurz lüften. Sonst kann man die Temperatur im Haus nicht halten. Eine Lüftungsanlage ist keine Aircondition. Man kann zwar Temperatur regulieren, aber nur innerhalb eines gewissen Rahmens", betont Keul.
Technisch funktioniert die Wohnraumlüftung bereits sehr gut, die Anlagen müssen aber richtig eingestellt und gewartet werden. Wie jede Haustechnik sollte man auch die Lüftung alle fünf bis zehn Jahre von einem Installateur überprüfen lassen. Ein Mal pro Jahr sollten die Bewohner den Filter wechseln, dann bleiben die Rohre auch lange sauber – und die Luft im Haus immer frisch.
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