Ein Immobilienunternehmer als Kapitän
Angefangen hat alles mit einem Ferialjob. Damals in der Hausverwaltung seiner Mutter half Eugen Otto während seiner Gymnasialzeit regelmäßig aus. Zinszettel schreiben, Erlagscheine ausfüllen und die Briefe mit dem Fahrrad austragen. Heute, 35 Jahre später, sieht er diese ersten Schritte als eine Art ,Bonding‘, das bis heute anhält und ihn eigentlich nie wirklich losgelassen hat. In den letzten drei Jahren hat das Unternehmen insgesamt 484.000 Quadratmeter verkauft und vermietet und Immobilien im Wert von mehr als 1,5 Mrd. Euro begutachtet und bewertet.
Wann sind Sie zuletzt selbst mit einem Kunden in einer Wohnung gestanden?
Vor etwa zwei Monaten. Es ging um die Übergabe einer Zweizimmerwohnung an einen Mieter. Eine Mitarbeiterin hat den Termin für Samstag ausgemacht, musste kurzfristig absagen und ich habe übernommen.
Können Sie sich noch an Ihren ersten Immobilienverkauf erinnern?
Ja, während meiner Studienzeit habe ich an zwei Geschäftspartner eines Studienkollegen Wohnungen vermietet. Meine Mutter wollte damals gar nichts damit zu tun haben, sie hat mich lediglich an zwei Maklerkollegen verwiesen. Mit deren Hilfe habe ich schließlich zwei Objekte gefunden, eines befand sich im 13. und eines im 19. Bezirk und beide wurden übernommen. Die Monatsmiete betrug damals jeweils 35.000 Schilling. Die Provision war sehr hoch. Meine Mutter dachte, damit wäre ich verloren und ich würde sofort als Makler ins Geschäft einsteigen wollen. Heute bin ich froh, dass es damals vorerst bei dieser einen Vermittlung geblieben ist.
Das war doch ein durchaus erfolgreicher Start für die erste Vermittlung?
Sicherlich, aber ich vergleiche das ganz gerne mit dem Bergsteigen. Das Gefühl, wenn man den Berg zu Fuß hinaufgeht, ist ein ganz anderes, als wenn man mit der Gondel hinauffährt. Und ich wollte keine Abkürzungen nehmen. Das Jusstudium habe ich als eine gute Grundlage gesehen und ich denke, ich hätte das Geschäft nicht verstanden, wenn mir damals einfach alles in den Schoß gefallen wäre.
Und doch haben Sie das Maklergeschäft in der Firma als neuen Zweig eingeführt?
Ja, allerdings einige Jahre später und es gab eine Bedingung. Ich musste mich in erster Linie um die Verwaltung kümmern, und wenn ich das ordentlich erledige, dann durfte ich mit dem Maklergeschäft beginnen.
Wenn ich heute zurückschaue, war es ein perfekter Einstieg. In der Verwaltung habe ich gelernt, den Dingen auf den Grund zu gehen, denn die Verantwortung gegenüber den Mietern bzw. Eigentümern ist immens. So gesehen war es eine äußerst gute Vorbereitung auf meine Arbeit heute. Und 1989 habe ich dann das Geschäft mit zehn Mitarbeitern übernommen.
Wenn Sie heute zurückdenken, was war die schwierigste Herausforderung?
Mit dem Fachlichen habe ich mich immer sehr wohl gefühlt. Die Leitung des Unternehmens hat mich gefordert. Delegieren zu lernen und darauf zu vertrauen, dass die jeweilige Person die Aufgabe in meinem Sinne löst. Das war für mich ein schwieriger Lernprozess, doch mit dem Anwachsen der Firma war es ein logischer Schritt, Strukturen einzuführen, die mich entlasten. Sorgen hatte ich etwa dann, wenn ich ein Risiko eingehen musste. Da gab es sicherlich auch schlaflose Nächte.
„Ich sehe mein Unternehmen als ein Segelschiff mittlerer Größe aus erstklassigem Material, das mit einer professionellen Crew kleine, mittlere und auch große Reisen unternimmt.“
Was war Ihr erstes großes Risiko?
Eine Büroerweiterung, wo mir im Nebenhaus eine Bürofläche von 400 Quadratmetern angeboten wurde. Zu diesem Zeitpunkt bedeutete dies für mich eine Verdoppelung meiner Fläche. Der Vermieter wusste, dass ich die Räume benötige, und hat dafür einen sehr hohen Zins verlangt. Ich aber wusste, dass ich mir das noch nicht wirklich leisten konnte. Nichtsdestotrotz folgte ich meinem Instinkt – und es war eine gute Wahl.
Der Instinkt als Entscheidungskriterium.
Nicht nur, aber auch. Hätte ich mich immer auf meinen Instinkt verlassen, dann wären mir einige Fehlentscheidungen erspart geblieben. Mein erster Impuls und Eindruck hat mich nie getäuscht, ich habe nur nicht immer danach gehandelt.
Ihr bisher größtes Geschäft?
Der Verkauf der Bawag-Immobilien an Signa mit einem Transaktionsvolumen von fast 500 Millionen Euro. Wir wurden damals exklusiv beauftragt, was eher ungewöhnlich war. Für mich eine sehr intensive und lehrreiche Zeit.
In einem Interview haben Sie einmal Ihr Zuhause als Adlerhorst bezeichnet, wie würden Sie Ihr Unternehmen beschreiben?
Da wir niemals alle Routen und Verhältnisse im Vorhinein kennen können, sind unsere Mannschaft, unsere Ausbildung und das perfekte Zusammenspiel aller an Bord, das solide Material sowie unsere ,Vorräte‘ die beständige Versicherung, dass wir mit allen kommenden Anforderungen gut umgehen können. Natürlich braucht das Schiff auch einen Kapitän, und diese Aufgabe – Kapitän zu sein – nehme ich nun schon seit 25 Jahren und immer noch sehr neugierig, Tag für Tag mit allergrößter Freude über jeden Erfolg und jede neue Erfahrung, wahr.
Wie wichtig ist Ihnen als Kapitän der Blick über den Tellerrand?
Für die Entwicklung eines Unternehmens ist es unumgänglich. Während meines Studiums habe ich auch als Volontär für drei Monate in New York für das Verkaufsbüro von Donald Trump gearbeitet. Ich habe ein Wohnungsprojekt am Central Park betreut und vorrangig Besichtigungen mit europäischen Kunden durchgeführt. Als mein Praktikum zu Ende ging, dachte ich, dass diese Wohnungen auch für österreichische Kunden interessant sein könnten. Die Exposés habe ich aufbereitet und ich war bestens über das Objekt informiert. Doch es kam weder in Amerika noch in Österreich zu einem Abschluss. Einige Kunden haben tatsächlich eine Wohnung erworben, doch sie wollten das Geschäft nicht über mich abwickeln. Sie hatten Bedenken, dass der Verkauf nicht diskret behandelt wird. Aus dieser Erfahrung habe ich gelernt, wie wichtig Diskretion in unserem Beruf ist.
„Das auf Provisionen basierende Maklergeschäft, besonders im Mietwohnungsbereich, hat meiner Meinung nach keine große Zukunft mehr.“
Der Wohnungsmarkt entwickelt sich rasant und ist stark umkämpft. Wie hält man als Unternehmer damit Schritt?
Man muss gut beobachten, Trends aufspüren, immer neugierig bleiben und auch andere Branchen im Blick behalten. Heute muss man viel flexibler sein und gezielter darüber nachdenken, wie man Kunden künftig noch besser erreichen kann. Wichtig ist auch eine klare Positionierung. Ich bin vom ersten Moment an stolz darauf, ein reiner Dienstleister zu sein. Ich wollte immer nur ein guter Makler, Gutachter sowie Verwalter sein – nicht mehr, aber auch nicht weniger.Warum ist Ihnen dass wichtig?Weil ich denke, dass man nicht Dienstleister, Händler und Entwickler gleichzeitig und mit derselben Qualität sein kann. Die Glaubwürdigkeit gegenüber den Kunden würde dabei verloren gehen. Die Digitalisierung hat den Dienstleistungssektor völlig verändert. Das klassische auf Provisionen basierende Maklergeschäft besonders im Mietwohnungsbereich hat meiner Meinung nach keine große Zukunft mehr.
Können Sie das auch begründen?
In diesem Segment wird es immer schwieriger kostendeckend zu arbeiten. Wenn eine Privatperson eine Wohnung vermieten möchte, dann kann sie diese sehr unkompliziert über das Internet verkaufen. Es braucht keinen Makler mehr, der einen in die Wohnung bringt. Was der Kunde von heute braucht, ist das Know-how how und die fundierte Marktkenntnis eines Maklers. Meiner Meinung nach wird es künftig eine noch sensiblere Beratung und Betreuung der Kunden benötigen.
Wie gehen Sie mit Konkurrenz um?
Ich glaube, ohne weitere Anbieter, die in sehr guter Qualität arbeiten, würde man selber in Versuchung geraten, faul zu werden. Dass ich mir unglaublich viel Konkurrenz wünsche, wäre allerdings absurd.Wie wichtig sind Ihnen Auszeichnungen? Die genieße ich und finde sie auch als eine sehr schöne Form der Belohnung. Je unabhängiger die Auswahl zustande kommt, umso wertvoller ist es. Aber manchmal reicht ein einfaches, ehrliches und herzliches Danke.
Die "Hausverwaltung Gertrude Otto“ wurde 1956 gegründet und startet mit der Verwaltung von drei Zinshäusern. Im Jahr 1980 tritt Eugen Otto in das Unternehmen ein. Zehn Jahre später übernimmt er das Familienunternehmen und betreut als Verwalter etwa 100 Objekte. 1990 wird die Dr. Eugen Otto GmbH und somit auch der eigenständige Geschäftszweig als Immobilienmakler gegründet. Heute bietet das Unternehmen mit rund 70 Mitarbeitern neben der Vermittlung und Verwaltung auch die Bewertung von Wohn- und Gewerbeimmobilien. www.otto.at
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