Die Psychologie des guten Wohnens

Die Psychologie des guten Wohnens
Wohnen ist mehr als ein Dach über dem Kopf. Der Kurier hat recherchiert, wie man psychisch gesund wohnt?

Wohnen ist ein elementares Grundbedürfnis des Menschen. Aber reichen vier Wände und eine versperrbare Türe oder braucht man das Einfamilienhaus? Wie viele Quadratmeter der Mensch zum Leben braucht, sei vornehmlich eine kulturelle Frage, sagt Michael Obrist, Universitätsprofessor für Wohnbau und Entwerfen an der TU Wien. „Aber natürlich gibt es ein zu klein. Man braucht in etwa 25 bis 30 Quadratmeter pro Person“, so der Architekt. Auch der Architektur- und Wohnpsychologe Herbert Reichl meint im IMMO-Gespräch, es sei viel mehr eine Frage der Zonen, als der Größe. „Der Mensch braucht Zonen. Auch in einer kleineren Ein-Zimmer-Wohnung braucht der Mensch eine Ruhe- und eine Aktivitätszone“. Diese ließen sich auch durch Gestaltung, etwa durch Raumteiler schaffen. Wohnungen müssten trotzdem groß genug sein, um Gäste empfangen zu können, denn „Isolation kann zu psychischen Krankheiten führen. Insbesondere Kinder brauchen den Kontakt zu anderen.“Die einsame Hütte ist also nicht für jeden die gesündeste Wohnwahl.

In Zonen wohnen

Die Psychologie des guten Wohnens

Neben sozialen Kontakt braucht der Mensch Geborgenheit. Wer wenig Raum hat, sollte darauf achten, das Bett in eine Nische zu platzieren, um erstens Geborgenheit zu generieren und zweitens eine räumliche Trennung zur Aktivitätszone zu schaffen, in der gekocht, gegessen und gearbeitet wird. Die Trennung von Ruhe- und Aktivitätszonen ist auch bei Familienwohnungen elementar. Wer keinen extra Ruheraum neben der Aktivitätszone hat, in der die Familie zusammen kommt, solle sich etwa im Schlafzimmer einen Entspannungsort schaffen. Etwa ein Möbelstück, in dem man sich besonders wohlfühlt. „Bei mir ist das eine Hängematte. Das Bett aber sollte dafür nicht verwendet werden“, erklärt Reichl die Wohn-Zonen. Die Gestaltung des Wohnraumes ist ein wichtiger Punkt der Selbstermächtigung, meint Reichl. Auch Obrist spricht bei der Wohnplanung und Gestaltung von einem Punkt „der persönlichen Ordnung der Welt und Weltanschauung.“

Experte: Wohnpsychologe Herbert Reichl

Die Psychologie des guten Wohnens

Bei der Gestaltung sollte auf die menschlichen Bedürfnisse eingegangen werden. Etwa die eingangs angesprochenen nach Sicherheit und Geborgenheit. Daher gilt bei Freiflächen und Fenstern: „Sehen, aber nicht gesehen werden. Denn Menschen wollen einen Überblick haben, aber nicht beobachtet werden.“ Das sei besonders bei Kindern, Kranken und Älteren eine psychologische Gefahr – hier könnten Ängste entstehen. „Je mehr Regulationsmöglichkeiten, desto besser. Zum Beispiel durch Vorhänge aus weichem, dicken Stoff. Die schlucken auch Schall.“ Auch Farben und Materialien spielen eine Rolle .

Der Mensch und die Natur

„Der Mensch hat immer in der Natur gelebt und braucht das auch im Wohnraum“, erklärt Reichl. Wie in der Natur sollte der Boden dunkel, die Decke hell sein. „Weiße Wände sollte man vermeiden.“ Weiß als Nicht-Farbe gebe dem menschlichen Gehirn zu wenig Reize. Für die Ruhezone könne man hier ein warmes Grün, für die Aktivitätszone etwa ein helles Orange wählen, empfiehlt Reichl.

Auch bei Materialien sollte auf Natürlichkeit geachtet werden: Denn der Bewohner fühle seinen Wohnraum. „Haptik ist sehr wichtig“. Im besten Fall ist der Zugang zur Natur gegeben. Wer keinen Balkon oder Garten hat und nicht ins Grüne blickt, könne sich anders behelfen. „Mit Bildern in Fenstergröße, die Weite und Natur darstellen, sowie mit Pflanzen. Einem großen Ficus mit einer ausladenenden Krone oder vielen kleinen“, so Reichl. Ob in Hütten oder Palästen – der Mensch braucht Zugang zur Natur und kann sich notfalls auch austricksen. Es gilt: auf die Größe kommt’s nicht an.

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