Das Bett und das Pendel: Ein Besuch im Prüfzentrum des TÜV

Das Bett und das Pendel: Ein Besuch im Prüfzentrum des TÜV
Der TÜV AUSTRIA testet die Belastbarkeit von Möbelstücken und vergibt Zertifikate. IMMO war beim Härtetest dabei.

Ein Plastik-Hinterteil wird immer wieder auf einen Sessel gedrückt. Zwei Meter weiter schlägt ein Gummi-Pendel gegen die Stäbe eines Gitterbettes. In der Halle in einem Prüfzentrum im Süden von Wien müssen Möbel Härte beweisen. Hier lotet der TÜV AUSTRIA mit verschiedenen Tests die Grenzen ihrer Belastbarkeit aus. Schließlich sollte ein Tisch nicht kippen, ein Sesselbein darf nicht brechen und ein Kasten nicht umfallen. Ziel ist es nicht, das Stück kaputtzumachen, sondern zu überprüfen, ob es die vorgegebenen Normen erfüllt. Nur wenn alle Tests positiv bestanden wurden, gibt es am Ende das TÜV-Prüfsiegel.

Das Bett und das Pendel: Ein Besuch im Prüfzentrum des TÜV
Gerade wird mit dem Biege-Wechsel-Test die dynamische Belastung beim Hinsetzen simuliert. Dabei werden abwechselnd ein Plastik-Po auf die Sitzfläche und ein Druckstempel auf die Rückenlehne eines Sessels gepresst. Immer abwechselnd, stundenlang. Dabei macht es Zisch, Pffft, Klick, Quietsch – immer und immer wieder. Nicht gerade eine angenehme Geräuschkulisse. Doch die meiste Zeit hört ohnehin niemand zu. Denn die Prüfer aus der Abteilung Produktsicherheit stellen zwar die Anlage ein, müssen aber während der Tests nicht die ganze Zeit daneben stehen.
Manchmal läuft die Anlage mehrere Stunden oder sogar Tage durch. Während eines Tests darf nämlich nicht abgebrochen werden. „Würde ein Prüfstand brechen oder sich ein Stück extrem verformen, schaltet sich die Anlage automatisch ab“, erklärt Paul Preissler, Fachbereichsleiter Produktsicherheit. „Elf bis zwölf Prüfungen können hier gleichzeitig durchgeführt werden.“

Selbst gebaut

Das Bett und das Pendel: Ein Besuch im Prüfzentrum des TÜV
Die Anlage haben die TÜV-Techniker selbst entworfen und gebaut. Seit 2010 ist die Konstruktion aus Aluminiumprofilen, Pneumatik-Zylindern und Gewichten im Einsatz. Die Stärke des Luftdrucks wird über den Computer reguliert. Welche Belastung ein Möbelstück unbeschadet überstehen muss, ist unterschiedlich. Das kommt nicht zuletzt darauf an, wo es eingesetzt wird: Für Sessel in Schulen gelten andere Normen als für Sitzgelegenheiten in Hotels oder Privaträumen. Ein Stuhl für das Wohnzimmer muss mehr aushalten als einer für den Garten. Ein Beispiel: Die Sitzfläche eines Sessel für den Außenbereich wird beim Test bis zu 50.000-mal mit 110 bis 120 Kilo belastet.

Möbel müssen viel aushalten

Neben dem Stuhl wird gerade ein Gitterbett geprüft. Ein solches Möbelstück muss einiges verkraften. Schließlich liegen Kinder nicht nur brav im Bett, sie toben herum, hüpfen auf und ab oder rütteln an den Gitterstäben. Ein Gummi-Pendel schlägt zehn Mal von innen und zehn Mal von außen auf jeden einzelnen Gitterstab. Als Nächstes werden die Techniker die Anlage für eine Stoßprüfung vorbereiten. „Bei diesem Test wird je 1000-mal auf sieben verschiedene Punkte auf dem Boden des Bettes geschlagen. Die Bodenplatte darf dabei weder brechen noch splittern. Allein dieser Test dauert etwa einen Tag“, erklärt Preissler. Fällt ein Stück bei der Prüfung durch, kann der Hersteller die notwendigen Änderungen vornehmen und das verbesserte Möbel erneut testen lassen.

Das Bett und das Pendel: Ein Besuch im Prüfzentrum des TÜV
Von der Auftragsvergabe bis zur Ausstellung des Zertifikats vergehen im Schnitt vier Wochen. Die Kosten variieren je nach Möbelstück und Norm. „Der Test eines einfachen Sessels kostet 2000 bis 2500 Euro. Gibt es Armlehne, Rollen oder sogar einen höhenverstellbaren Sitz, wird es natürlich teurer“, sagt Preissler. „Eine Prüfpflicht gibt es nicht in Österreich. Ein Möbelhersteller muss also seine Stücke nicht testen lassen. Viele tun es trotzdem – und nützen das TÜV-Pickerl für Werbezwecke.“

Das Bett und das Pendel: Ein Besuch im Prüfzentrum des TÜV
Der TÜV AUSTRIA vergibt verschiedene Prüfsiegel. Am umfangreichsten ist „TÜV GS geprüft“: Dafür muss neben den mechanischen Test auch eine chemische Prüfung durchgeführt werden. „Da werden zum Beispiel Kleber und Lacke untersucht. Entweder die Hersteller lassen das testen und bringen uns eine Bestätigung oder wir geben den Prüfauftrag außer Haus. Für dieses Siegel wird außerdem eine Fertigungsstättenkontrolle gemacht. Wir fahren also auch zum Unternehmen hin“, erzählt Preissler. Nach einigen Jahren laufen die Zertifikate ab – dann müssen die Stücke wieder zum Härtetest.

Der TÜV überprüft, ob Normen erfüllt werden. Doch was ist eine Norm? Eine Norm ist kein Gesetz, sondern eine Empfehlung von einem Expertenkomitee. Das Austrian Standards Institute (vormals Österreichisches Normungsinstitut) stellt die Plattform für Experten aus Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft, von Prüfstellen und aus Forschungseinrichtungen zur Verfügung. Auch Verbraucher sind in den Normenkomitees vertreten. Normen werden etwa alle drei Jahre auf ihre Aktualität überprüft. Manche halten Jahrzehnte, andere müssen regelmäßig aktualisiert werden. In einer ÖNORM werden der Stand der Technik und die Anforderungen an das jeweilige Produkt festgehalten – zum Beispiel, welche Belastungen ein Sessel für den Wohnbereich aushalten muss. In Normen ist auch geregelt, wie eine Prüfung durchzuführen ist, damit die Ergebnisse von verschiedenen Prüfstellen vergleichbar sind. Etwa 80 Prozent der ÖNORMEN sind europäische (ÖNORM EN) oder internationale Normen (ÖNORM EN ISO).

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