Mehr als Kornspitz: Sieben Bäckereien, die Brot eine Bühne bieten
Kaum Farbe, kein Schnickschnack und sehr klare Linien. Immer mehr Bäcker setzen auf Bio und Handarbeit und drücken das auch in ihrer Bäckereigestaltung aus. Im Mittelpunkt steht dabei immer der Backofen und das Brot. Diese sieben Bäckereien zeigen, wie es geht:
1. Öfferl: Neu in der Innenstadt
An der Fensterscheibe türmen sich dutzende Laibe Brot. Um jeden Einzelnen ist Garn zu einer Masche zusammengebundenen. Die „Brote mit Charakter“ wie die Cousins und Inhaber der Bäckerei Öfferl, Georg Öfferl (28) und Lukas Uhl (27), ihre handgebackenen Laibe nennen, liegen auf einer Steintheke. „Wir haben uns bewusst für den Stein „Ceppo“ entschieden. Er wird in einer Höhle am Iseosee abgebaut“, erzählt Lukas Uhl.
Mit dem Material wollten sie maximalen Kontrast zum Brot, gebacken aus langgeführtem Sauerteig und alten Getreidesorten, herstellen. „Sie werden hier kein einziges Stück Holz finden“, sagt Designer Franz Riebenbauer von Studio Riebenbauer. Stattdessen setzen sie für den Standort in der Wollzeile im ersten Wiener Bezirk auf Frescolori (schichtweise aufgetragener Beton), gebürsteten Edelstahl und den Stein Ceppo.
Wichtig war, dass die Bäcker auf dem Stein arbeiten können. Denn direkt an die Verkaufstheke schließt die Backstube mitten im Raum an. Georg Öfferl formt gerade Handsemmeln auf der neuen Arbeitsplatte. „Wir probieren noch herum, aber es funktioniert schon gut“, sagt Lukas Uhl. Bisher wurde auf Buchenholz gearbeitet.
Die Leuchten in Shop, Bäckerei und Gastraum wurden extra designt. „Wir wollen die Wärme des Backofens im Licht widerspiegeln“, sagt Riebenbauer. Am Ende des Cafés führt eine Wendeltreppe einen Stock tiefer zum „Brotaltar“. Er steht auf Erde, die aus dem Weinviertel nach Wien gekarrt wurde. „Damit wollen wir unsere Heimat würdigen.“
Für den Umbau investierte die Familie eine Million Euro.
2. Joseph Brot - Der Pionier
Acht Meter hohe Fenster bieten Einblick in die Joseph Brot Filiale am Albertinaplatz in Wien. In den Auslagen stehen runde Brotlaibe. 2017 hat sich Josef Weghaupt, Inhaber von Joseph Brot, für den Standort im ersten Wiener Bezirk entschieden und sich mit Architekt Thomas Pauli ein Konzept überlegt.
„All unsere Standorte haben Gemeinsamkeiten. Der Backofen ist immer ein zentrales Element. Wir versuchen uns aber in jeden Ort individuell einzufügen“, so der Bäckermeister.
Am Albertinaplatz wurden zwei Geschäfte zu einem zusammengeführt. Ein Schild über dem erhaltenen Portal inklusive restauriertem Türknauf erinnert an das frühere Pelzgeschäft, in dem heute Brot und Kaffee serviert werden.
Im vorderen Bereich, dem heutigen Shop, war früher ein Feinkostladen. Bevor am neuen Design gefeilt wird, hebt Architekt Thomas Pauli die ursprünglichen Pläne aus. Dabei gilt, so viel wie möglich von der Bausubstanz zu erhalten.
In Anlehnung an den früheren Feinkostladen am Albertinaplatz wählten Pauli und Weghaupt Marmor für den Brunnen und das Sideboard im Café aus. Auch die Theke steht an derselben Stelle wie damals. „Unsere Filialen sind hell und transparent. Kunden sollen sich einfach willkommen fühlen“, sagt Weghaupt.
Thomas Pauli fügt hinzu: „Das Design ist auf das wesentliche reduziert, wie das Brot auch auf bestimmte Zutaten reduziert ist. Auf die richtige Mischung kommt es an.“ Am Albertinaplatz ist Eschenholz im Einsatz. Sessel und Tische sind von Pauli selbst designt und von Tischlern aus Österreich gebaut.
3. Parémi: Französische Feinheiten
Patricia Petschenig und Rémi Soulier sind Parémi. Im November 2017 haben die Konditorin und der Bäcker ihr Lokal in der Bäckerstraße 10 eröffnet. Darin vereinen sie französische Back- und Pâtisserietradition mit Wiener Kultur.
Das drückt sich bereits im Standort aus, denn das Haus im ersten Wiener Bezirk steht unter Denkmalschutz. Dem zollen die beiden mit der Innenraumgestaltung Tribut, indem sie auf Vintage-Stücke zurückgreifen. „Wir haben Thonetsessel von einem Kaffeehaus abgekauft und mit alten französischen Bistrostühlen kombiniert“, erzählt Patricia Petschenig.Insgesamt investierten sie rund 600.000 Euro.
Um die Backkunst zur Schau zu stellen, entschieden sie sich für eine Glasscheibe, die den Gastraum von der Backstube trennt, aber kompletten Einblick in die Produktion gewährt.
Präsentiert werden die französischen Spezialitäten auf einer Theke aus weißem Marmor.
Jeden Montag wählt Patricia Petschenig außerdem frische Blumen für das Café aus und begrünt die von der Decke hängende Zugstange je nach Saison. „Derzeit habe ich Eukalyptus und Hortensien ausgewählt“, sagt die Konditorin.
Geschmückt ist außerdem mit Messingelemente, die zu den Griffen im Stiegenhaus des Gebäudes passen. Bei der Einrichtung und Planung hat den beiden Isabelle Soulier, Architektin und Schwester des Bäckermeisters Rémi geholfen.
4. Gragger: Biobrot am Nordbahnhof
Ansfelden, Wien, Berlin, Senegal, Uganda. Die Standorte der Filialen der Holzbäckerei Gragger führen weit über die Landesgrenzen des gebürtigen Oberösterreichers Helmut Gragger hinaus. Dabei haben seine Bäckereien neben den Rezepten eines gemeinsam: Die Präsentation des Brotes. Jeder einzelne Laib hat ein eigenes Fach in einem Regal, das erhöht und somit gut sichtbar an der Wand hängt.
Was für den Laien einfach stylisch aussieht, hat für den Profi rein praktische Gründe. Gragger: „Das wurde schon immer so gemacht. Das Brot liegt nur an zwei Punkten auf dem Holz auf und kann daher nach dem Backen gut auskühlen, ohne, dass es zu schwitzen beginnt.“
Das von Gragger bevorzugte Material ist in allen Filialen geöltes Eichenholz. „Es ist widerstandsfähig und altert schön, denn es ist ein Naturmaterial und man kann es abschleifen und regenerieren.“
Je nach Standort geht Gragger auf die örtlichen Gegebenheiten ein. „Wir haben in Senegal und Uganda eine Bäckerei und die können schöne Terrazzo-Böden aus Muscheln machen.“ Um eine Verbindung zu Wien herzustellen, werden seither auch hier Terrazzo-Böden in den Filialen verlegt. „Ich bin kein Designer, finde aber das Handwerk so cool“, sagt Gragger.
Neue Filiale am Nordbahnhofgelände
Für sein neuestes Projekt arbeitet der Bäckermeister mit Christoph Chorherr und Anna Holzinger zusammen. Gemeinsam planen sie eine Holzofenbäckerei mit Kaffeehaus am neuen Nordbahnhofgelände. „Mitte November wird aufgesperrt“, erzählt Christoph Chorherr.
Der Innenraum wird von zwei silbergrauen Holzöfen dominiert werden. Die Atmosphäre soll an eine Werkstatt erinnern, was Materialien und Möbel ausdrücken. Konkret bedeutet das: Terrazzo-Boden, simpler Putz, Tische und Stühle aus einfachem Holzmobiliar.
Chorherr: „Vielleicht haben wir eine Couch, auf der man lümmeln kann.“ Auch die Bibliothek seines Vaters mit tausenden Büchern wird aufgebaut.
5. Gradwohl: mit neuem Konzept
Oliver Gradwohl ist der Sprössling der Bäckerfamilie Gradwohl. Während er heuer seinen 25. Geburtstag feiert, blickt die Firma auf 60 Jahre Geschichte zurück.
Hans Gradwohl eröffnete die erste Bäckerei 1959 in Weppersdorf, Burgenland und expandierte rasch nach Wien. Peter Gradwohl führt das Unternehmen nun in zweiter Generation und räumt Sohn Oliver Platz für Ideen ein. Daher entstanden vier neue Filialen in den letzten zwei Monaten in Wien.
Schwerpunkt: Helles Biodinkelmehl. Das Interieur soll das Flair der Backstube reflektieren. Das zeigen Fliesen in Betonoptik und eine Wandtapete mit aufgedrucktem Mauerwerk. Gradwohl: „Die Vitrine besteht aus dunklen und hellen Brettern. Es sieht aus, als würde ein leichter Schimmer Mehl darüber liegen.“
6. Felzl: Bausubstanz erhalten
Die Decke in der Felzl-Filiale am Schottentor ist schief und das ist auch gut so. Architekt Hannes Zieher: „Mit Felzl gehen wir auf den Standort ein und gestalten Theke und Sitzbereiche nach bestehender Bausubstanz.“ Da der Grundriss des Raumes den Architekten vor eine Herausforderung stellte (unsymmetrisch, niedrig, denkmalgeschütztes Haus), musste er die Decke „falten“.
„Um dem Raum eine andere Dynamik zu geben, haben wir die Decke schräg herabgesenkt“, erklärt Zieher. Die Theke ist aus gebürstetem Messing und einer aufliegenden Marmorplatte. Die Regale sind aus geölter Eiche und am Boden handgemachte spanischen Fliesen. Zieher: „Das Material soll die Handarbeit der Bäcker widerspiegeln.“
7. 15 süße Minuten: Wiener Kaffeehaustradition
Verspielt und nicht zu ernst will Daniel Colakovic die Einrichtung seiner dritten Bäckereifiliale „15 süße Minuten“ gestalten. Derzeit herrscht noch Baustelle in der Gumpendorfer Straße im sechsten Wiener Bezirk. Allerdings nur noch wenige Tage, denn bereits nächste Woche feiert der neue Standort Eröffnung.
Dabei setzt der Bäckermeister auf Emotion und Leidenschaft zum Brotberuf. „Bar und Vitrine gestalten wir in Eichenholz“, sagt Colakovic. An den Wänden hängen Keramikleuchten, die an Wiener Kaffeehaustradition erinnern.
Der 80 Quadratmeter große Geschäftsraum soll nicht durchgestylt sein, sondern das Handwerk ins Zentrum rücken: „Unser Gebäck wird mit viel traditioneller Handarbeit gemacht. Das soll auch unser Lokal zeigen.“
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