Angehende Akademiker erwarten heute mehr von der ersten eigenen Wohnung. Die Immobilienbranche reagiert mit voll ausgestatteten Appartements.
07.10.15, 06:00
Abgewohnte Einrichtung, Gemeinschaftsküche für zehn Personen und verdreckte Etagenbäder waren gestern. Heutzutage kommen die Ansprüche, die Studenten an ihre eigenen vier Wände haben, Luxusimmobilien gleich. Neben hochwertiger Einrichtung stehen High-Speed Internet und HD-Fernsehen auf der Wunschliste der unter 30-Jährigen. Und der Markt reagiert darauf. Alleine in Wien eröffneten in den letzten zwei Jahren zahlreiche gehobene Studentenwohnheime ihre Pforten.
Wohnen und mehr
So auch das Projekt "Linked Living" des schweizer Unternehmens CORESTATE Capital. Ab Oktober können die Mieter die rund 600 Design-Appartements beziehen. Für 540 Euro bekommt man dort ein 19 Quadratmeter großes Zimmer, das Zusatzprogramm spielt dafür aber alle Stücke. Trotz ausreichender Privatsphäre wird auch das "social networking" im Haus großgeschrieben. Die Benützung der TV- und Learning - Lounges ist wie das tägliche Concierge-Service im Preis inbegriffen. Das Highlight ist die Dachterrasse im 10. Stock, auf der die Mieter bei gemütlichen Grillabenden die Aussicht genießen können. Die sportliche Betätigung im hauseigenen Fitnessstudio muss dagegen extra bezahlt werden. Die Zimmer selbst sind komplett ausgestattet. Eine eigene Kochnische verhindert zudem Staus in der Küche. Wer noch etwas tiefer in die Tasche greift und die Zimmerkategorie "Student+" beziehungsweise "Pro" bucht, kann laue Sommernächte sogar am eigenen Balkon verbringen.
Wie viele Studierende sich diese Annehmlichkeiten auch leisten können oder wollen, ist fraglich. "In diesem sehr hochpreisigen Segment wenden sich die Betreiber vorwiegend an ausländische Studenten und Young Professionals", sagt Wolfgang Amann, gesellschaftender Geschäftsührer des Instituts für Immobilien, Bauen und Wohnen GmbH. Vor allem das Internet ist dabei ein profitabler Vertriebskanal und erlaubt den Betreibern, auch junge Leute außerhalb Österreichs zu erreichen. Aber auch für heimische Hochschüler sind Preise von 350 Euro für ein Zimmer im Wohnheim Realität. "350 Euro ist ein normales Maß, mit dem Studenten heutzutage rechnen." Vor mangelnder Nachfrage müssen sich die neuen Projekte, laut Amann, aber trotzdem nicht fürchten. "Sie spielen bewusst mit dem Image einer elitären Einrichtung. Zudem steigen die Zahlen der Erstsemestrigen kontinuierlich an und es handelt sich nicht unbedingt um ein Klientel mit niedriger Zahlungsbereitschaft. Außerdem finden dort auch Personen Platz, die am herkömmlichen Wohnungsmarkt nicht unterkommen können oder wollen."
Studentenheim auf Zeit
Etwas anders konzipiert, aber nicht weniger exklusiv sind die "PopUp- GreenFlexStudios" in der Wiener Seestadt Aspern. Das Passivhaus beheimatet 40 Studenten in zehn Wohngruppen. 75 Quadratmeter stehen jeweils vier Bewohnern zur Verfügung. In den einzelnen Appartements sind zwei Bäder und ein Gemeinschaftsraum mit Küche integriert. Das Besondere: Es handelt sich um ein Studentenheim auf Zeit, denn die containerförmigen Boxen aus Holz können jederzeit wieder abgebaut und neu aufgestellt werden. Die Flächen von brachliegenden Grundstücken sollen somit optimal ausgenutzt werden, wodurch Geld gespart werden kann. Zudem sind durch die geringen Errichtungskosten die Mietpreise vergleichsweise billig. Unter 400 Euro "all inclusive" kann man sich einmieten. Innovativ ist auch das Energiekonzept der "PopUp-Dorms". Jede Wohneinheit ist für sich alleine autark, sowie funktionstüchtig und darauf ausgerichtet, fünf mal binnen 30 Jahren auf unterschiedliche Grundstücke in ganz Wien verlegt zu werden. Die Ansprüche der jungen Erwachsenen an ihre Wohnungen unterscheiden sich zunehmend von älteren Immobilien-Suchenden. Eine gute Infrastruktur wird vorausgesetzt: Ausreichende Einkaufsmöglichkeiten und die Nähe zum Wiener Nachtleben ist ebenso notwendig wie ein kurzer Weg zur Uni. "Weil Studierende meistens kein Auto haben, erwarten sie sich bereits im niedrigen Preissegment eine gute Anbindung an das Verkehrsnetz", sagt Wolfgang Amann. Aber auch funktionale Zimmerausstattungen und ansprechende Einrichtung werden zunehmend wichtig. "Mehrbett-Zimmer werden heutzutage nur mehr im äußerst niedrigem Preissegment akzeptiert.
All-Inclusive-Miete
Niedrige Mieten sind bei den im März eröffneten "Campus Studios" dagegen ein Fremdwort. Direkt am Campus der Wirtschaftsuniversität erfüllt das Haus dafür alle Wünsche, die ein Studentenherz begehrt. Die 165 Zimmer kosten zwischen 490 und 790 Euro pro Monat und sind in zwölf verschiedenen Kategorien von XS bis XXL zu haben. Wer nicht alleine wohnen möchte, kann sich auch in eines der "Double Studios" für zwei Personen einmieten. Geteilt werden müssen dort lediglich ein Gemeinschaftsraum mit Küche und das Badezimmer. Die "all inclusive" Miete umfasst Internet, Strom und Heizung sowie eine monatliche Zimmerreinigung. Um sich vom Prüfungsstress oder durchfeierten Nächten zu erholen, bietet das Haus zudem die Benützung des eigenen Wellnessbereichs mit Fitnessstudio und Sauna an. Das Areal selbst umfasst 1100 Quadratmeter, die Zimmer verteilen sich auf sieben Stockwerke. Durch davor liegende Loggien kommt es zu einer Erweiterung des Wohnraumes, welche Ausblicke auf den Prater gewähren. Betrieben werden die Studios von der Akademikerhilfe, die weitere 26 Häuser mit einer Gesamtkapazität von 4000 Plätzen in ganz Österreich zur Verfügung stellt.
Voll möbliert, aber teuer
In den letzten 20 Jahren gab es zahlreiche Entwicklungen, was studentisches Wohnen betrifft. Neben den höheren Ansprüchen in puncto Ausstattung, sieht Amann noch eine weitere tief greifende Veränderung auf der Finanzierungsseite. "Das Wissenschaftsministerium hat noch vor vier bis fünf Jahren Förderungen für die Einrichtung verteilt. Diese fällt jetzt weg." Und das könnte ein Grund sein, warum sich Studenten für ein vollmöbliertes Appartement anstatt einer leeren Wohnung entscheiden. Die günstigen Kapitalmarktförderungen kommen diesem Immobiliensegment zudem sehr entgegen.
An viele neue hochpreisige Studentenheime glaubt der Experte allerdings nicht. "Ich gehe davon aus, dass die Intensität von neu gebauten Studentenwohnungen nachlassen wird. Dieses obere Preissegment ist ziemlich schnell vollgelaufen. Jetzt müssen sie sich erst beweisen, bevor neue Investoren mit weiteren Projekten kommen." Potenzial sieht er aber in neuen Sonderwohnormen. "Vor allem im Bereich der Serviced Appartements, Kurzzeitwohnungen und Formen zwischen Heim- und Kleinwohnung ist am Markt noch sehr viel Potenzial." Und wer sagt, dass sich Studenten künftig nicht auch dort einmieten.
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