Architektur trifft Weinkultur: So chic sind Winzerhäuser in Österreich

Die Farbe Schwarz ist kein Zufall“, sagt der Winzer mit einem breiten Lächeln. Wer vor dem neuen Weingut im burgenländischen Andau steht, versteht sofort, warum. Ein tiefdunkler Baukörper, markant wie ein Ausrufezeichen in der Ebene, trägt den Namen des Winzerbetriebs schon von weitem in die Landschaft hinaus. „Mit der Farbe Schwarz präsentieren wir uns sichtbar nach außen und machen sie zu einem unverwechselbaren Teil unserer Markenidentität“, erklärt Michael Schwarz.
Das Burgenland kennt solche Töne. Früher strichen Bauern ihre Scheunentore mit Pech oder Holzteeröl, um sie wetterfest zu machen. Schwarz knüpft an diese Tradition an und übersetzt sie in eine moderne Architektur, die Holz und Beton verbindet. „Ich wollte eine zeitgemäße Interpretation eines klassischen Burgenlandhauses mit skandinavischen Designelementen realisieren“, sagt der Winzer.

Innen überrascht eine goldene Verkostungsschank in Form eines „Saumagens“.
Warm, klar, nachhaltig
Die Übersetzung der regionalen Architektur in die neuen Räumlichkeiten der Weinproduktion und Verkostung samt Büros war somit ein zentrales Entwurfsthema. „Gemeinsam mit dem Golser Architekten Michael Leonhard haben wir ein klassisches Giebelhaus, umgeben von saftig grünen und bunt blühenden Freiflächen, geschaffen.“ Besonders gelungen ist die für die Region typische Innenhofsituation mit üppiger Bepflanzung, einer überdachten Terrasse und einem fast 20 Meter langen Genuss- und Verkostungstisch.
Genau darin liegt der Kern neuer Winzerhaus-Architektur: Sie ist mehr als funktionale Hülle, sie ist Teil des Markenkerns und eine Art Visitenkarte. Früher waren solche Häuser in erster Linie Arbeitsorte – Presshäuser, Lager, kühle Räume für Fässer. Heute sollen sie Begegnungsräume sein, Schaufenster der Region und Bühne für das Produkt. Marken- und Architekturkonzept folgen derselben Idee, verstärken sich gegenseitig und machen den Wein mit allen Sinnen erlebbar.

NÖ: Mit dem „Riedenblick“ im Spitzer Graben interpretierten Augustin Architekten das Winzerhaus neu. Ein Spiel aus Alt und Neu.
In Andau zeigt sich dieser Anspruch auch im Detail: Eine Verkostungsschank in Form eines „Saumagens“ macht augenzwinkernd die zweite Leidenschaft der Winzerfamilie sichtbar – das traditionelle Fleischhandwerk. „Von den Reben bis zum Schwein reicht das Angebot“, sagt Schwarz. Dass für die große Produktionshalle recycelte Stahlbetonfertigteile aus einem abgetragenen Supermarkt verbaut wurden, zeigt: Nachhaltigkeit ist hier nicht bloß Schlagwort, sondern gelebte Praxis.
Wie sich Tradition und Gegenwart erfolgreich vereinen lassen, erzählt auch das Winzerhaus „Riedenblick“ im Spitzer Graben in Niederösterreich. Das Architektenduo Petra und Alexander Augustin haben dort nicht nur neu erfunden, sondern auch respektvoll ausgebaut. „Der besondere Charme des Gebäudes liegt in seiner Authentizität – den dicken Mauern, den traditionellen Proportionen, der Materialität“, erklären sie.

Winzerhaus in Niederösterreich von innen
Aus der Region
Die Substanz wurde mit regionalem Handwerk und regionalen Materialien behutsam ergänzt, um heutigen Ansprüchen gerecht zu werden, samt Fußboden- und Wandheizung, Wohnraumlüftung, Photovoltaik. Der Neubau der Familie Windsteiger, in dem sich drei Apartments befinden, ersetzt einen verschwundenen Holzstadel, dessen Form neu interpretiert wurde. „So bleibt die historische Gestik erhalten, während das Innere hell, offen und komfortabel wirkt“, so die Planer.
Große Fenster öffnen den Blick in die Landschaft und bieten zugleich Schutz vor Witterung. „Wo früher das Haus primär als Arbeitsort diente, ist es heute ein Ort der Begegnung und des Erlebens“, sagen die Augustins. „Insgesamt ist die Wirkung neuer Weingüter dadurch großzügiger, lichter und selbstbewusster, ohne den Bezug zur Landschaft zu verlieren.“ Diese Haltung prägt inzwischen viele Winzerhäuser. Materialien werden bewusster gewählt, oft regional, meist nachhaltig. Konstruktionen sind effizienter, Grundrisse offener, die Übergänge zwischen Arbeit, Wohnen und Präsentation fließender. Das Winzerhaus wird zum Bindeglied zwischen Handwerk, Gastfreundschaft und Architektur.

Steiermark: Die „Vino.Take“ von Kowald in Bad Loipersdorf ist ein architektonisches Ausrufezeichen.
Wie ein Kunstobjekt
Weiter südlich, an der steirischen Thermenstraße in Bad Loipersdorf, wurde die neue „Vino.Take“ der Winzerfamilie Kowald von den Architekten der Baukooperative besonders markant als „begehbare Skulptur“ angelegt. Für den Bau des Projektes hat man ausschließlich regionale Firmen mit der Abwicklung der Teilabschnitte beauftragt. Das Gebäude selbst wirkt wie ein Kunstobjekt – kubisch, elegant, geradlinig.
„Das Ziel war es, eine Harmonie mit den Farbtönen der Landschaft zu erreichen“, so der Bauherr Wolfgang Kowald. Die erdigen Farben ziehen sich durch – von Baumit-Spezialputz in Besenstrichoptik bis zum gestockten Beton. Über die außen liegende Cortenstahltreppe geht es auf die Aussichtsterrasse, um einen atemberaubenden 360-Grad-Rundumblick zu genießen. Das war übrigens eine bauliche Bedingung für den heimatverbundenen Bauherrn. Mit dem Gebäude ging schließlich ein lang gehegter Wunsch des Winzers in Erfüllung. In der Vinothek kann er nun seine Weine am Ort der Entstehung, im eigenen Weingarten, gebührend präsentieren und zur Verkostung anbieten.
Auf diese Weise werden die jüngsten Winzerhäuser selbst zu Teilhabern am Weinbusiness: Sie bewahren das Gestern, öffnen Türen ins Morgen und laden Gäste ein, mehr zu sehen als Keller, Fässer und Flaschen. Wer eintritt, entdeckt Gebäude, die Geschichten erzählen, und Menschen, die ihrem Wein ein neues, repräsentatives Zuhause geben. - Susanna Pickhart
Kommentare