Star-Architekt im Porträt: Der moderne Sir Chipperfield

Star-Architekt im Porträt: Der moderne Sir Chipperfield
David Chipperfield gilt als eleganter und konsequenter Meister der Zurückhaltung. Der Pritzker-Preisträger im Portät.

Meistens trägt er die Uniform der Intellektuellen: schwarze Hornbrille, schwarzes Shirt unter schwarzem Sakko, schwarze Hose und Sneakers. Das mittlerweile weißblonde Haar lässt den Engländer dabei aber fast bubenhaft wirken. Dabei feiert Stararchitekt David Chipperfield Ende des Jahres seinen 70er. Rund um den Globus hat der 2010 von Queen Elisabeth in den Adelsstand erhobene Chipperfield seine Vision von moderner Architektur umgesetzt und mit vornehmer Zurückhaltung überzeugt. Sowohl mit seiner minimalistischen, aber eindrücklichen Bauweise als auch mit seiner erdigen Persönlichkeit. Denn, so heißt es von allen Seiten: Sir David Chipperfield beeindruckt durch seine ruhige und gelassene Präsenz. Ein großer Denker und Kreativer, ohne Arroganz oder Überheblichkeit, der vor allem durch Konsequenz stets zu begeistern vermag. „Entwerfen bedeutet nicht, Farben und Formen zu erfinden. Es geht darum, eine Reihe von Fragen zu entwickeln und Ideen, die eine gewisse Strenge und Konsequenz haben. Wenn du das kannst, ist es nicht wichtig, welchen Weg man geht, solange man konsequent beim Eingeschlagenen bleibt.“ Damit wurde er zu einem der gefragtesten Architekten der Gegenwart.

Star-Architekt im Porträt: Der moderne Sir Chipperfield

Schon früh entwickelte Chipperfield ein Gespür für Gestaltung. Geboren 1953 in London wuchs David Chipperfield auf einer Farm in Devon auf. Eine Ansammlung von Scheunen und Nebengebäuden voller Kindheitsträume und Erinnerung prägten seinen ersten, stark körperlichen Eindruck von Architektur. Nach dem Studium arbeitete er unter namhaften Architekten wie Norman Foster, und dem verstorbenen Richard Rogers, bevor er 1985 David Chipperfield Architects in London gründete.

Weitere Büros betreibt er auch in Berlin, Shanghai und Mailand und seit dem Vorjahr auch in Santiago de Compostela. „Ich denke, gute Architektur bietet einen Rahmen, sie ist da und sie ist nicht da. Wie alle Dinge, die bedeutend sind. Das heißt, sie sind sowohl Vordergrund als auch Hintergrund, und ich bin nicht besonders fasziniert vom Vordergrund. Architektur ist etwas, das unsere Rituale und unser Leben intensivieren, unterstützen und uns helfen kann. Die Erfahrungen im Leben, die mir am meisten bedeuten sind die, wo normale Dinge zu etwas Besonderem gemacht wurden und nicht umgekehrt.“

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Den Startschuss für die beeindruckende Karriere des Architekten begann konsequenterweise auch in der Besonderheit des Normalen: Mit der Gestaltung eines Shops für Modedesigner Issey Miyake in London ebnete er den Weg für erfolgreiche Gebäudeplanungen in Japan. Die Gestaltung des River- and Rower Museums in England markierte allerdings den Karrierestart im Heimatland. Mit der Neugestaltung des Neuen Museums zu Berlin, die aufgrund von Protesten aus der Bevölkerung ganze elf Jahre dauerte und die Geduld und Passion des Architekten untermauert, begründete er 2009 endgültig seinen Star-Status. Ohne die Wunden der Vergangenheit zu kaschieren, gelang ihm damit die geniale Kombination aus Alt und Neu.

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Nach dem Umbau durch Chipperfield: Das Neues Museum Berlin vereint alt und neu

Auch in Österreich findet man Chipperfield-Gebäude in prominenten Lagen: Die Peek & Cloppenburg Filiale auf der Wiener Kärntner Straße und das Kaufhaus Tyrol in Innsbrucks Maria-Theresien-Straße. In der deutschen Hauptstadt gehört Chipperfield dank eines Bürogebäudes mit öffentlicher Kantine nicht nur als Persönlichkeit zur Stadt, sondern prägt mit seinen Bauten das Stadtbild. Auf der Museumsinsel etwa bildet die von ihm gestaltete James-Simon-Gallerie einen modernen, aber stimmigen Eingang zu einer historischen Welt. So begründet auch die Begründung der Pritzker-Preis-Jury die Wahl des diesjährigen Siegers: „Subtil und doch kraftvoll, gedämpft und doch elegant, ist er ein produktiver Architekt, der radikal in seiner Zurückhaltung ist und seine Ehrfurcht vor Geschichte und Kultur demonstriert.“

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Mit mehr als zwanzig realisierten Museen auf der ganzen Welt – von Mexiko bis Zürich – gelingt es ihm immer wieder, einzigartige Gebäude von Bedeutung zu schaffen. Seine Herangehensweise ist geprägt von der Auseinandersetzung mit dem Ort und Kontext eines Gebäudes und der Idee, öffentlichen Raum zu schaffen, der einen Mehrwert für die Gesellschaft darstellt. Durch seinen strengen Minimalismus gibt Chipperfield dem Material Raum, sich zu entfalten und verstanden zu werden. In seinen Galerien und Museen wirken die Materialien freigelegt, sauber und durch Kontraste hervorgehoben. Sie verleihen dem Raum Charakter, heben die ausgestellte Kunst hervor und schaffen eine geeignete Atmosphäre für ihre angemessene Wertschätzung. Regelmäßigkeit, Kontinuität und Wiederholung tragen dazu bei, diesen Hintergrund zu formen, während das gefilterte Licht den Aufbau der richtigen Szene vollendet.

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Die bisher größte Auszeichnung seiner Karriere kommentierte der Brite dabei gewohnt ehrfürchtig in einer Aussendung: „Ich nehme diese Auszeichnung als Ermutigung, meine Aufmerksamkeit weiterhin nicht nur auf die Substanz der Architektur und ihre Bedeutung zu richten, sondern auch auf den Beitrag, den wir als Architekten zur Bewältigung der existenziellen Herausforderungen des Klimawandels und der gesellschaftlichen Ungleichheit leisten können.“ Auch über seine Vorbildrolle ist er sich bewusst: „Wir wissen, dass wir als Architekten eine wichtigere und engagiertere Rolle spielen können, um nicht nur eine schönere, sondern auch eine gerechtere und nachhaltigere Welt zu schaffen. Wir müssen uns dieser Herausforderung stellen und dazu beitragen, die nächste Generation zu inspirieren, sich dieser Verantwortung mit Vision und Mut zu stellen.“

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