IEA-Chef: Naher Osten bleibt Herz der Ölproduktion

Fatih Birol sieht das Herz der Ölförderung weiter im Nahen Osten. „Das ist politisch heikel“, sagt er.
Importländer wie Österreich müssen Alternativen für fossile Brennstoffe finden, rät Fatih Birol.

Fatih Birol (57) hat eine der renommiertesten Positionen in der internationalen Energiewelt erklommen: Seit Anfang September ist der gebürtige Türke mit engen Bindungen zu Österreich Chef der Internationalen Energieagentur (IEA) in Paris. Dort hat er die Interessen der Öl importierenden Länder zu vertreten. Vor 26 Jahren hat er seine Karriere beim Gegenstück zur IEA, der OPEC, der Organisation Erdöl exportierender Länder, in Wien begonnen. Sechs Jahre lang arbeitete er dort als Ölanalyst, bevor er in die volkswirtschaftliche Abteilung der IEA nach Paris wechselte. Vergangene Woche besuchte Birol erstmals als IEA-Chef die OPEC. Der KURIER traf ihn bei seinem Österreich-Besuch.

KURIER: Wenn Sie 20 Jahre zurückblicken in die Zeit, als Sie die OPEC in Wien verlassen haben: Wie sehr hat sich der Ölmarkt seither verändert?

Fatih Birol: Sehr, sehr viel. Die OPEC ist nicht nur in ein anderes Gebäude in Wien übersiedelt und meine Funktion ist eine andere, sondern die Ölwelt hat sich völlig gewandelt. Die Ölnachfrage in den Mitgliedsländern der IEA, darunter auch Österreich, wächst kaum noch. Einige dieser Länder wie USA und Kanada sind selbst zu Ölproduzenten geworden. Gleichzeitig hat der Ölverbrauch der OPEC-Staaten beträchtlich zugenommen. Die früheren Trennlinien zwischen Ölexporteuren der OPEC und Importeuren der IEA sind brüchig geworden.

Schwere Krisen im Nahen Osten, wie es sie derzeit gibt, haben die Ölpreise früher explodieren lassen. Jetzt aber fällt der Ölpreis sogar. Warum?

Weil sehr viel Öl am Markt ist. Die Produktion ist stark gestiegen, vor allem in den USA und im Irak. Das treibt den Ölpreis nach unten.

Werden die USA der neue Konkurrent der OPEC?

Die USA verbrauchen so viel Öl im Land. Sie werden nie ein großer Ölexporteur. Das Herz der Ölproduktion bleibt im Nahen Osten bei der OPEC. Doch das ist sehr heikel wegen der politischen Unsicherheiten dieser Region. Die Probleme mit dem IS werden noch lange nicht gelöst werden.

Was raten Sie den Öl importierenden Staaten?

Die Verbraucher, auch in Österreich, müssen ihren Ölbedarf reduzieren. Die Autos müssen treibstoffsparender werden und es müssen Alternativen zum Antrieb mit fossilen Brennstoffen gefunden werden. Ich glaube, dass das Einsparen von Öl das große Thema der Welt in den nächsten Jahren wird. Das ist auch wichtig für den Klimaschutz. Denn der Energiesektor ist für zwei Drittel der Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich. Die Energieproduktion muss viel umweltfreundlicher werden.

Was erwarten Sie von der Klimakonferenz im Dezember in Paris?

Ich hoffe sehr, dass es eine klare Entscheidung zum Energiesparen, zum Ausstieg aus der Kohle und zur Stärkung der Erneuerbaren gibt.

Wann kommt die Welt ohne Öl aus?

Wir kommen noch lange nicht los vom Öl. Immerhin fahren noch 99 Prozent der Autos auf der Welt mit Benzin oder Diesel. Der Anteil von Öl am gesamten Energieverbrauch aber wird sinken.

Wird der Ölpreis je wieder über 100 Dollar pro Fass steigen?

Das will ich nicht prognostizieren – weder nach unten noch nach oben. Ich kann nur sagen, dass der Ölpreis noch einige Quartale hindurch niedrig bleiben wird. Das billige Öl beschert den Ölkonzernen große Probleme. Sie haben heuer ihre Investitionen um ein Fünftel reduziert. Noch nie in der Geschichte dieser Konzerne gab es eine so starke jährliche Kürzung wie heuer.

Werden Sie als IEA-Chef Wien nun öfter besuchen?

Ich komme immer gerne nach Wien. Das ist für mich eine der schönsten Städte der Welt und ich bekomme immer nostalgische Gefühle, wenn ich herkomme. Ich habe hier an der Technischen Universität studiert und mein Geld als Helfer von türkischen Gemüsehändlern am Naschmarkt verdient. Ich habe sehr viele Freunde in der Stadt. Ich bin auch noch immer wissenschaftlicher Mitarbeiter der TU.

Und welche Verbindung haben Sie zu Ihren türkischen Wurzeln?

Ich komme aus Istanbul und eigentlich ist mein halbes Leben Fußball. Ich bin ein großer Fan von Galatasaray. Die Farben dieses Fußballclubs gelb-rot-orange sind daher auch die Farben der jährlichen Publikation "World Energy Outlook" der IEA.

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