Ideale Tomate gesucht

Ideale Tomate gesucht
Die Industrie steckt Millionen in neue Kreuzungen. Händler wollen alte Sorten. Europas Erzeuger verlieren an Bedeutung.

Paradeiser sind das Lieblingsgemüse der Österreicher. Auch der Deutschen, Franzosen und Niederländer. Weltweit ist die Produktionsmenge binnen zehn Jahren um 38 Prozent auf 160 Millionen Tonnen gestiegen. In Europa ist die Erntemenge im Vergleich zum Jahr 2000 aber um 18 Millionen Tonnen zurückgegangen. Weil der größte Paradeiser-Lieferant der EU, Italien, um zehn Prozent weniger Tomaten anbaut als noch vor zehn Jahren. China produziert bereits drei Mal mehr Tomaten als alle europäischen Länder zusammen und hält derzeit bei einem Weltmarktanteil von 30 Prozent.

In gesättigten Märkten werden die Konsumenten zunehmend bequem. Deswegen werden Tomaten verstärkt in Form von Fertigsugo oder in Scheiben, die in bereits fertig belegten Weckerln und Burgern liegen, verkauft.

Für die Industrie ist das Herausforderung und Geschäft. Die Tomate im Weckerl soll nicht zerrinnen, braucht also eine flüssigkeitsbindende Textur. So wie bei der Sorte Intense, von der nach dem Schneiden dank höherer Fruchtfleischdichte angeblich um bis zu 30 Prozent mehr Gewicht übrig bleibt als bei vergleichbaren Früchten. Fast-Food-Ketten spart das Schwund und damit Geld. Für den Hersteller – in diesem Fall Nunhems, einer Tochtergesellschaft der Bayer CropScience – ein gutes Geschäft. Nunhems vergibt die Lizenzen zum Anbau der Sorte – in Österreich übrigens nur an die Wiener Firma Wiegert, die die Tomaten dann geschnitten an die Ketten ausliefert.

10 Jahre für eine Tomate

Ideale Tomate gesucht
Tomaten an der Staude
„Acht bis zehn Jahre dauert die Entwicklung einer Sorte, rund 10.000 Kreuzungen sind notwendig, bis das Ergebnis passt“, erklärt ein Nunhems-Manager. Um eine neue Sorte auf den Markt zu bringen, müsse man rund eine Million Euro investieren. Die Saatgutindustrie stecke im Gemüsebereich bis zu 30 Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung, rechnet der Experte vor.

„Neue Sorten können nur noch Großkonzerne entwickeln, die die Infrastruktur und die finanziellen Mittel dafür haben“, sagt Gerald König, Chef von LGV-Frischgemüse. Seine Genossenschaftsmitglieder produzieren im Jahr 2100 Tonnen Paradeiser und 12.000 Tonnen Rispenparadeiser. Der Trend geht zu alten Sorten. König: „Im Handel verkaufen wir fast nur noch Premium-Marken.“ Im unteren Preissegment könne er ohnehin nicht mit der Billigkonkurrenz aus Spanien mithalten.

Obst- und Gemüse hat mittlerweile mehr mit Hightech als mit Erde zu tun. „Im Supermarkt gibt es keine konventionelle Tomate, die nicht auf Kokosmatten gewachsen ist“, sagt König. Da ein Drittel der potenziellen Schädlinge aus der Erde kommen, meiden sie große Betriebe, so gut es geht. Angebaut wird an den ungewöhnlichsten Orten. Unter anderem in israelischen Glashäusern in der Wüste, 20 Kilometer vom Gaza-Streifen entfernt.

Weltmarkt
Große Lieferanten: Spanien und die Niederlande setzen vor allem auf Massenware für die Industrie. Italien und Marokko bauen verstärkt höherpreisige Cherrytomaten und Bio-Qualitäten an.

Große Käufer: 80 Prozent der EU-Exporte gehen nach Russland. Größter Importeur der Welt sind die USA, die vor allem aus Mexiko zukaufen.

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