Hypo-Bad-Bank: Österreich einigt sich mit Bayern

Schiebt Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) den Finanzprüfern den schwarzen Peter zu?
"Wunden geschlossen, Narben bleiben": Wien leistet 1,23 Mrd. Euro Vorauszahlung, damit der Streit beigelegt wird.

Nach intensiven wochenlangen Verhandlungen haben sich Österreich und Bayern im Milliardenstreit um die Hypo-Bad-Bank Heta und deren Ex-Mutter BayernLB auf einen Generalvergleich geeinigt. Die österreichische Bundesregierung und die bayerische Staatsregierung verabschiedeten in ihren heutigen Regierungssitzungen eine politische Grundsatzeinigung ("Memorandum of Understanding") auf Vorschlag der beiden Finanzminister Hans Jörg Schelling und Markus Söder. Schelling holte sich für die Unterfertigung des Memorandums das Okay vom Ministerrat bzw. von Kanzler Werner Faymann und Vize-Kanzler Reinhold Mitterlehner.

„Wir wenden damit jahrelange, teure Gerichtsverfahren mit äußerst ungewissem Ausgang ab und schaffen gleichzeitig eine Normalisierung der Beziehungen mit unserem Nachbar. Es geht vor allem auch darum, Vertrauen und Stabilität gegenüber den internationalen Finanzmärkten zu stärken. Jeder Gerichtsprozess schafft Unsicherheiten, mit der Weichenstellung zum Generalvergleich wenden beide Länder Schaden von ihrem Standort ab“, erklärt Finanzminister Hans Jörg Schelling. „Die Heta ist ein Rucksack voller ungelöster politischer Probleme. Mir geht es darum, durch rasche und klare Entscheidungen Schritt für Schritt Schadensminimierung in einem dunklen Kapitel für die österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu erreichen.“

Söder: "Viel mehr werden wir nicht bekommen"

Ähnlich fasste Markus Söder die Einigung zusammen. Der CSU-Finanzminister nannte den Generalvergleich "seriös und vertretbar". Mehr als die 1,23 Milliarden Euro "werden wir nicht bekommen, auch nicht nach weiteren fünf bis zehn Jahren an Prozessen". Zur endgültigen Einigung braucht es die Zustimmung der FMA sowie der Parlamente in Österreich und Bayern. Früher hätte man diesen Vergleich nicht abschließen können, weil sich sonst die Organe der Bayerischen Landesbank (BayernLB) dem Vorwurf der Untreue ausgesetzt hätten, so Söder. Im Übrigen seien frühere Offerten aus Wien nicht "verhandelbar" gewesen. Den Weg zum Vergleich habe auch das Urteil des Landgerichts München geebnet, den die Heta erstinstanzlich verloren hatte. Der Verlust, den die BayernLB durch den Kauf der früheren Hypo Group Alpe Adria erlitten hat, erhöht sich durch den Vergleich nach Angaben Weidenbuschs auf "knapp unter fünf Milliarden Euro".

Die Hypo-Bad-Bank Heta begrüßt die politische Initiative von Wien und München Richtung Generalvergleich. In enger Abstimmung mit der Finanzmarktaufsicht (FMA) als Heta-Abwicklungsbehörde werde man prüfen und entscheiden, ob eine Generalbereinigung im Interesse der Heta und ihrer weiteren Gläubiger mitgetragen werden kann, teilte die Heta mit.

Prozess in München verloren

Wien zahlt laut dieser Absichtserklärung vorerst rund 1,23 Milliarden Euro als "Sicherheitsleistung" an, dafür werden alle Rechtsstreitigkeiten in der Causa beigelegt. Dieser Betrag ist exakt jener Streitwert, den die Heta kürzlich in einem Zivilprozess vor dem Landgericht München gegen die BayernLB in erster Instanz verloren hat. Die Einigungsquote beträgt rund 45 Prozent, die Gesamtforderung beläuft sich auf 2,75 Milliarden Euro.

Für die Zahlungen zwischen Bayern und Österreich braucht es aber eine neue gesetzliche Grundlage, die bis Ende Oktober auf juristische Beine gestellt werden soll. Dieses Gesetz kann mit einer einfachen Mehrheit im Nationalrat durchgewunken werden. Bei Abwicklung der Heta erfolgt eine Rückzahlung durch Bayern an Österreich.

Summe nicht budgetwirksam

Die 1,23 Milliarden Euro als Mindestgarantie seien nicht neuerlich budgetwirksam, sondern gehörten zu den bereits eingebuchten möglichen Verlusten von 4,6 Milliarden Euro, sagte Schelling auf Nachfragen bei einem Hintergrundgespräch. Dafür würden alle Verfahren mit allen Ansprüchen eingestellt, auch etwa solche, die die Kärntner Landesholding betreffen. Die Milliardensumme sei kein Präjudiz für den angepeilten Schuldenschnitt, "aber auch kein ungünstiges Signal an den Markt", sagte Schelling.

Neue Griss-Kommission tritt in Aktion

Bevor es aber tatsächlich zum nunmehr offiziell angestrebten Vergleich kommt, schaut sich noch eine neue Kommission rund um Irmgard Griss die Pläne an, um diese zu bewerten. Das macht auch noch die Finanzmarktaufsicht (FMA) - bis September. Dann muss im Oktober ein Nationalratsbeschluss mit einfacher Mehrheit her, um die Mindestgarantie von 1,23 Mrd. Euro tatsächlich von Wien nach München fließen zu lassen.

Die FMA hat die politische Initiative in Richtung Generalvergleich begrüßt. Die Initiative sei eine "wichtige Maßnahme zur Begrenzung der Klagsrisiken und zur Stärkung der Rechtssicherheit bei der Abwicklung der Heta", hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der APA.

Gestritten wurde um zuletzt 2,75 Milliarden Euro. Die Summe stieg wegen eines Franken-Anteils und des veränderten Wechselkurses zuletzt an. Den entsprechenden Prozess hatte Österreich erstinstanzlich verloren. Die Republik Österreich hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.

Auslöser des Streits zwischen Wien und München war, dass Ende 2012 die seit 2009 notverstaatlichte Hypo Alpe Adria alle Kredittilgungen und Zinszahlungen an die einstige Mutter BayernLB eingestellt hatte. Die Folge war ein Prozessreigen zwischen München und Wien. Die wichtigsten Stationen im Überblick:

13. Dezember 2012: Die Hypo setzt alle Rückzahlungen von Krediten und Zinszahlungen in Milliardenhöhe an die BayernLB aus. Begründung: Die Gelder seien „großteils Eigenkapital“. Die Bayerische Landesbank kündigt postwendend einen Prozess gegen ihre ehemalige Tochter an.

2013: Prozessauftakt vor dem Landgericht München: Die BayernLB klagte die Hypo auf die Rückzahlung. Die Hypo beruft sich auf das österreichische Eigenkapitalersatzgesetz und kontert mit einer Widerklage.

Juni 2014: Die österreichische Regierung beschließt, die Hypo-Gläubiger an den Kosten für die Abwicklung zu beteiligen - auch die BayernLB soll einem ersten „Haircut“ unterliegen. Basis ist ein neues umstrittenes Hypo-„Sondergesetz“.

7. August 2014: Der „Haircut“ nach Hypo-Sondergesetz läuft an. Nicht nur Gläubiger nachrangiger Wertpapiere müssen mehr als 800 Millionen Euro in den Wind schreiben, auch die BayernLB verliert 800 Millionen Euro aus ihrem Kreditbestand; für weitere 1,5Mrd. Euro wird eine Zwangsstundung verhängt. Damit setzt eine erwartete Klagswelle ein.

16. Oktober 2014: Die BayernLB reicht beimVerfassungsgerichtshof (VfGH) Klage gegen das Sondergesetz ein.

26. November 2014: Die BayernLB sieht eine österreichische „Rückzahlungsgarantie“ auf die Kreditsummen fällig geworden und will ultimativ das Geld auf ihre Konten überwiesen wissen. Österreich stellt eine solche Garantie weiterhin in Abrede und zahlt nicht.

Dezember 2014: Die BayernLB legt nach und klagt die Republik Österreich auf Zahlung von 2,4 Milliarden Euro („Garantieklage“). Die Republik Österreich klagt die BayernLB im Gegenzug über 3,5 Milliarden Euro. Grund: Täuschung bei der Notverstaatlichung im Jahr 2009 („Irrtumsklage“).

1. März 2015: Die Heta wird unter das Abwicklungsregime der Finanzmarktaufsicht (FMA) gestellt. Die FMA verhängt ein rund einjähriges Schuldenmoratorium bis Mai 2016. Alle Schuldenzahlungen sind vorerst eingestellt. Danach wird ein umfangreicher Schuldenschnitt für die bestehenden Schulden erwartet. Basis ist ein neues Bankensanierungs- und Abwicklungsgesetz.

2. April 2015: Der VfGH inWien weist alle Einzelklagen gegen das Sondergesetz aus 2014 aus Formalgründen ab. Alle Kläger müssen vorher den Weg über die anderen Gerichte gehen, auch die BayernLB.

Mitte April 2015: Die BayernLB klagt - wie vomVfGH empfohlen - nun in Klagenfurt: Beklagt ist die Kärntner Landesholding als gesetzlicher Ausfallsbürge für die Schulden der Heta. Streitwert: 2,6 Milliarden Euro. Über diesen Weg will Bayern das Hypo-Sondergesetz aus 2014 im Instanzenzug beim Verfassungsgericht zu Fall bringen.

8. Mai 2015: Nach fast halbjähriger Prozesspause am Landgericht München ergeht ein überraschendes Urteil: Die Heta soll mehr als zwei Milliarden Euro an die BayernLB zurückzahlen. Zudem sollen die Bayern mehr als zwei Milliarden Euro, die die Hypo Alpe Adria vor dem Rückzahlstopp bereits als Raten an München überwiesen hat, behalten dürfen. Die Heta hat umgehend Berufung gegen das Urteil angemeldet.

7. Juli 2015: Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) lässt sich im Ministerrat zu finalen Verhandlungen um einen außergerichtlichen Vergleich ermächtigen.

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