Hypo-Aufsichtsrat: "Da sind gravierende Fehler passiert"

Draxler: "Bayern waren maßgeblich am Hypo-Desaster beteiligt."
Der abgehende Hypo-Aufsichtsrat Helmut Draxler zieht sehr kritisch Bilanz. Die Nachfolger stehen fest.

Am Freitag trat der Aufsichtsrat der Hypo zurück: Neben Gerhard Draxler noch Rudolf Scholten (Kontrollbank), Alois Steinbicher (Kommunalkredit) und Adolf Wala (Ex-Nationalbank-Präsident). Neue Mitglieder sind der Bayrer Herbert Walter, ehemals Chef der Dresdner Bank, der in wenigen Tagen den Vorsitz übernehmen soll, Wolfgang Hartmann, zuletzt ein Jahrzehnt Risikovorstand in Deutschlands zweitgrößter Bank, der Commerzbank, Alois Hochegger, ehemaliger Vorstandsdirektor der Kärntner Sparkasse und ehemaliger Sparkassen-Verbandspräsident, Regina Friedrich, ehemalige Geschäftsführerin einer internationalen Spedition mit Sitz in Graz und Christine Sumper-Billinger, Geschäftsführerin des Bundesrechenzentrums. Finanzminister Michael Spindelegger erwartet sich von dem neuen Team eine "Professionalisierung und Entpolitisierung des Hypo-Aufsichtsrates".

Noch vor der Sommerpause des Parlaments soll das Sondergesetz zum Abbau der Hypo beschlossen werden. Die Abbau-Einheit wird über eine Zwischengesellschaft in die Staatsholding ÖIAG eingebracht.

KURIER: Sie haben Ihren Rücktritt als Hypo-Aufsichtsrat schon vor Längerem avisiert. Aber warum macht am Freitag gleich der gesamte Aufsichtsrat den Abgang?

Helmut Draxler: Ich habe den Gremien vor einiger Zeit schon mitgeteilt, dass ich mit der Hauptversammlung ausscheiden möchte. Dass der gesamte Aufsichtsrat zurücktritt, ist wirklich eine große Überraschung. Dazu möchte ich aber keinen Kommentar abgeben.

Sie saßen seit 2010 im Aufsichtsrat. Wenn Sie rückblickend Bilanz ziehen – was waren die entscheidenden Faktoren, die zum Milliarden-Debakel für die Bank und Österreich führten?

Die Entwicklung der Bank in der Zeit von Landeshauptmann Haider. Dies wurde bereits ausführlich diskutiert. Es ist aber in der Öffentlichkeit nie so bekannt geworden, dass in der Zeit, als die Bayern in der Hypo das Sagen hatten, circa ein Drittel der damals vergebenen Kredite später wertberichtigt werden musste. Die Bayerische Landesbank war daher auch maßgeblich am Desaster beteiligt. Dies fällt auch Großteils in die Ära, in der Herr Tilo Berlin Generaldirektor war.

Wie beurteilen Sie den Vertrag Österreichs mit den Bayern über die Notverstaatlichtung der Bank?

Da sind gravierende Fehler passiert. Meines Erachtens hat sich der damalige Finanzminister Josef Pröll in rechtlichen Belangen zu sehr auf die Finanzprokuratur, namentlich deren Präsident Wolfgang Peschorn, verlassen, der in diesem komplizierten Vertragsrecht offensichtlich nicht so erfahren war.

Während die Bayern mit Anwälten von Freshfields und Investmentbankern von Morgan Stanley auffuhren.

Eben, Minister Pröll war nicht so gut beraten.

Was sind die gröbsten Fehler dieses Vertrags? Die Akzeptanz, dass die Bayern bei allen relevanten Restrukturierungsmaßnahmen einzubinden sind und man deren Zustimmung benötigt. Es fehlt auch eine Art Exitklausel, wenn sich in der Folge herausstellt, dass die Fakten nicht ganz so sind, wie sie bei der Verstaatlichtung dargestellt wurden. Ein solcher Passus ist in derartigen Verträgen üblich.

Es gibt auch Kritik an der Aufarbeitung der Vergangenheit.Der Chef der Finanzprokuratur hat diese Aufgaben gesteuert und in seiner Zeit wurden enorme Honorare von mehr als 30 Millionen Euro ausgegeben. Da diesen Kosten nur bescheidene Erfolge gegenüber stehen, ist die Kritik sicher berechtigt.

Sind Ex-Finanzministerin Maria Fekter in Sachen Abbau der faulen Assets der Hypo Versäumnisse vorzuwerfen?

Der Aufsichtsrat war geschlossen für eine Abbau-Einheit. Was jetzt geplant ist, hätte man schon 2010, spätestens 2011 durchführen sollen. Das hätte den Österreichern Milliarden erspart.

Was wäre der Vorteil einer früheren Lösung gewesen?

Diese Abbau-Einheit hätte keine Banklizenz benötigt und hätte die strengen Eigenkapitalerfordernisse daher nicht erfüllen müssen. Man hätte sich einiges an Eigenkapitalzufuhr ersparen können.

Wie viel hätten sich die Steuerzahler denn erspart?

Deutlich mehr als eine Milliarde Euro.

Was vermuten Sie, warum Fekter nicht gehandelt hat? Um mit der Hypo nicht in Wahlkämpfe zu geraten?

Das müssen Sie sie selbst fragen. Mir ist es völlig unverständlich, warum nichts passiert ist.

Erbittert und lange wurde darüber gestritten, ob eine Insolvenz der Hypo für die Steuerzahler billiger wäre. Wie denken Sie darüber?

Aus Kapitalmarktsicht war dies eine nicht professionell geführte Diskussion und hatte negative Auswirkungen. Beispielsweise waren Sparer verunsichert und es kam zum Abfluss beträchtlicher Primärmittel (großteils Sparbücher, Anmerkung). Das hat die Bank in eine äußerst schwierige, dramatische Situation gebracht.

Wie bewerten Sie die Auflagen durch die EU-Kommission? Wurde in Brüssel gut oder schlecht verhandelt?

Die Auflagen und Vorgaben der EU, die ein Neugeschäft untersagen und beim Verkauf der Bank einen Zeitdruck auferlegen, führten zwangsläufig zu enormen Wertberichtigungen und Milliardenbelastungen für den Staat.

Fekter war aber stolz, so gut verhandelt zu haben. Doch offenbar wurden Österreich und die Hypo härter angefasst als andere Staaten und deren Problembanken.

Eine Analyse von 33 Beihilfe-Verfahren hat ergeben, dass die Hypo einmalig negative Auflagen für das Geschäft außerhalb der EU bekommen hat. Die Bank darf in Serbien keine Euro-Geschäfte mehr machen. Doch 75 Prozent des Geldverkehrs in Serbien werden in Euro abgewickelt. Der Hypo wurde damit praktisch ein Geschäftsverbot auferlegt.

Scheint so, als ob die Hypo von der Kommission überhaupt am schlechtesten von allen Banken behandelt wurde?

Mit der Weisheit des Rückblicks kann man nur feststellen, dass die Verhandlungen nicht gut liefen. Der Aufsichtsrat der Bank war übrigens in diese Verhandlungen nicht involviert. Diese Angelegenheit lag in der Hand der sogenannten Task Force.

Zur Zukunft: Wie bewerten Sie den Aktionsplan von Finanzminister Michael Spindelegger: Schaffung einer Abbau-Einheit und Verkauf des Südosteuropa-Netzwerks?

Endlich ein konsequenter, wichtiger Schritt, der schon 2010/2011 hätte gesetzt werden sollen.

Der studierte Chemiker, 64, begann seine Karriere als Chef des Linzer Energieversorgers ESG. 1993 wurde er zum Vorstandsvorsitzenden der ÖBB-Holding bestellt. Obwohl der SP-nahe Manager beachtliche Sanierungserfolge vorweisen konnte, wurde sein Vertrag als Bahn-Chef 2001 von der Regierung Schüssel/Grasser nicht verlängert.

Draxler wechselte bis 2007 an die Spitze der RHI und sanierte den Feuerfest-Konzern. Heute ist er Vize- Aufsichtsratschef der RHI sowie in den Aufsichtsräten von OMV, Siemens Österreich, der Wiener Städtischen Vermögensverwaltung, der Linz AG und der Schweizer AAE.

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