Hipp: "Fachwissen wird zu hoch gehängt"
Claus Hipp ist Eigentümer der Babynahrungsmarke Hipp. Der Familienbetrieb aus dem oberbayerischen Pfaffenhofen setzte schon früh auf Bio-Rohstoffe und produziert mittlerweile in sieben Ländern. Das 72-jährige Familienoberhaupt ärgert sich über Manager-Boni und den Casino-Kapitalismus und erklärt, warum seine Mitarbeiter Kilometergeld bekommen, wenn sie mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren.
KURIER: Hipp produziert auch in Österreich. Wie wichtig ist eigentlich der Standort Gmunden?
Claus Hipp: Er ist schon zu Zeiten des Kommunismus im Osten wichtig gewesen, weil es schon damals Kontakte nach Osteuropa gab. Die neuen Märkte werden für uns immer wichtiger, auch weil es in Westeuropa immer weniger Kinder gibt. Zudem gibt es in Österreich viele Biobauern, die uns beliefern. Jedes dritte Glas, das wir in Europa verkaufen, kommt aus Österreich.
Das Bio-Mascherl binden sich viele gerne um. Seit wann setzen Sie drauf?
Angefangen haben wir schrittweise Mitte der 1950er-Jahre. Seit etwa zwanzig Jahren haben wir alles in Bio-Qualität und werben auch damit.
Es gibt ein Meer von Bio- und Nachhaltigkeitssiegeln, die mitunter die Glaubwürdigkeit untergraben ...
Natürlich gibt es auch Missbrauch in der Branche. Aber wenn jemand bei Rot über die Straße geht, heißt das ja nicht, dass das rote Licht schlecht ist. Die Entwicklung an sich ist gut.
Ist der Preisdruck in der Lebensmittelbranche eine Gefahr für die Lebensmittelsicherheit?
Bei Billigprodukten ist die Versuchung natürlich groß, dass an der Qualität was geändert wird, das müssen Konsumenten schon wissen. Ein Brathuhn um 2,50 Euro ist vielleicht dann gut, wenn man krank ist, weil das Huhn bereits eine Reihe von Arzneimitteln enthält. Es ist die Entscheidung der Konsumenten, zu welchen Produkten sie greifen. Und man darf nicht vergessen: Wir geben heute - gemessen am Haushaltseinkommen - weniger für Lebensmittel aus als vor zwanzig Jahren.
Nachhaltigkeit ist bei Hipp ein großes Thema. Mitarbeiter, die mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen, bekommen zum Beispiel 14 Cent Kilometergeld ...
Das ist nur eine Sache. Nachhaltigkeit bedeutet für mich, dass wir die Welt lebens- und liebenswert für die nächste Generation hinterlassen. Wir müssen daher heute schon für Bildung sorgen und kulturelle Güter weiter geben.
Sie unterrichten in Tiflis Betriebswirtschaft und Malerei. Was lernen die Studenten von Ihnen?
Das anständige Verhalten miteinander, das im normalen Lehrplan oft zu kurz kommt. Ich kritisiere, dass das Fachwissen zu hoch und das Allgemeinwissen zu niedrig gehängt wird. Heute kann doch das ganze Wissen elektronisch abgespeichert werden, wir müssen es nicht mehr im Kopf haben. Es kommt darauf an, dass die Mitarbeiter kreativ sind und wir dies auch wieder zu schätzen lernen.
Sie sind Manager, Maler, Musiker. Was macht Ihnen denn am meisten Freude?
Ich bin in der glücklichen Lage, dass mir vieles Freude macht und dass ich mit einer Sache aufhören kann, bevor sie mich zu langweilen beginnt.
Wie stehen Sie denn zu den Gagen von Top-Managern, die immer wieder stark kritisiert werden?
Die ganz hohen Gehälter kann ich nicht nachvollziehen, vor allem, wenn viele dafür noch viel Blödsinn machen, für den sie dann nicht haften. Im Spitzensport werden Top-Gagen damit begründet, dass nur wenige zu Höchstleistungen fähig sind. Das versteh' ich. In der Wirtschaft könnten aber auch viele junge Leute viel leisten.
Besitzen Sie Aktien?
Nein, davon verstehe ich nichts. Mein Vater hat mir zwei Dinge beigebracht: Nie spekulieren und nie zur Spielbank gehen. Was wir jetzt erleben, ist, dass versucht wird, Geld mit Casino-Mentalität zu machen.
Spekuliert wird verstärkt mit Rohstoffen, das trifft auch Ihr Geschäft. Rufen Sie nach mehr Regulierung?
Nein, ich bin gegen jede weitere Regulierung und für eine freie Marktwirtschaft.
Holen Sie sich eigentlich auch Unternehmensberater ins Haus?
Fallweise, etwa Rechtsanwälte, die wir nicht das ganze Jahr über beschäftigen, weil wir nur drei Mal im Jahr eine Frage an sie haben. Aber ich hab' was gegen Berater, die ins Haus kommen, die Mitarbeiter von der Arbeit abhalten, dann ein Papier schreiben und dafür viel Geld verlangen.
Welche Vorteile haben Sie als Familienunternehmen?
Wir können auch magere Zeiten in Kauf nehmen und sind nicht von kurzfristigen Zielen getrieben. Ein Mitbewerber eines Großkonzerns hat einmal zu mir gesagt, dass er nie unseren Weg hätte gehen können, weil das im Aufsichtsrat nicht durchgegangen wäre.
Um was ist es gegangen?
Um die Umstellung auf Bio und Preiserhöhungen. Wir wollen ein Familienbetrieb bleiben, das sehen auch meine beiden Söhne so, die im Unternehmen arbeiten.
Was ist für Sie Erfolg?
Wenn die Dinge wie geplant laufen. Aber Erfolg soll nicht übermütig, Misserfolg nicht mutlos machen.
Sie sind sehr gläubig, macht Sie das zu einem besseren Unternehmer?
Ich bin in einer besseren Position als ein Atheist, weil ich Hoffnung habe. Deshalb handle ich auch anders.
Der Mann der 4 Ms: Manager, Maler, Musiker und Ministrant
Claus Hipp
Der heute 72-Jährige hat das Familienunternehmen im Alter von 29 Jahren von seinem Vater übernommen. Er lenkt den Betrieb gemeinsam mit seinen Brüdern und Söhnen. Hipp ist zudem Maler (Künstlername Nikolaus Hipp) und unterrichtet an der Kunstakademie in Tiflis. Er spielt Oboe und Englischhorn. Der gläubige Katholik sperrt - sofern zu Hause - frühmorgens die Kapelle im Ort auf und ministriert an Sonntagen fallweise in der Kirche.
Familienbetrieb
Das Unternehmen mit Sitz im bayerischen Pfaffenhofen wurde 1932 gegründet und beschäftigt rund 2000 Mitarbeiter. Hipp hat Produktionsstätten in Deutschland, Österreich (Gmunden), Kroatien, Russland, der Schweiz, in der Ukraine und Ungarn. Rund 6000 Bio-Bauern mit insgesamt 15.000 Hektar Land sind unter Vertrag. Der Babybrei-Hersteller setzt rund eine halbe Milliarde Euro im Jahr um.
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