Heumarkt-Urteil verunsichert die Wirtschaft

Nach BVwG-Entscheidung: Jetzt drohen allen größeren Projekten in Wien, Salzburg und Graz UVP-Verfahren.

Das umstrittene Wiener Heumarkt-Projekt des Investors Michael Tojner ist längst zum Politikum geworden. ÖVP-Kulturminister Gernot Blümel und FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache drohen der Stadt Wien mit einer Weisung, die Rathaus-SPÖ hat eine Nachdenkphase verordnet.

Das war vermutlich erst der Anfang. Voraussichtlich im Herbst 2020 wird in Wien gewählt und Bauprojekte sind beliebte und billige Wahlkampf-Themen. Damit können Emotionen geschürt werden. Für einen Investor etwas vom Schlimmsten, das ihm passieren kann.

Einem Wirtschaftsstandort sind derartige Auseinandersetzungen alles andere als förderlich. Nicht nur Immobilien-Investoren, auch breite Wirtschaftskreise beobachten die Vorgänge rund um den Heumarkt mit wachsendem Unbehagen.

Heumarkt-Urteil verunsichert die Wirtschaft

UVP-Experten: Peter Bußjäger, Georg Eisenberger

Die unter Juristen heftig umstrittene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) über die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) hat jetzt große Verunsicherung ausgelöst. Bestätigen die Höchstgerichte das Erkenntnis, drohen allen größeren Bauprojekten in den drei Weltkultur-Erbe-Städten Wien, Salzburg und Graz aufwendige UVP-Verfahren.

„Die Rechtsmeinung des BVwG hat eine gewisse Sprengkraft und Folgewirkungen für zahlreiche weitere Projekte in der städtischen Infrastruktur“, warnt der Innsbrucker Rechtsprofessor und UVP-Experte Peter Bußjäger. Er stellte in einem Gutachten für Tojners Projektgesellschaft WertInvest fest, für das 360 Millionen teure Projekt sei keine UVP erforderlich.

Georg Eisenberger, Grazer TU-Professor mit viel Expertise bei UVP-Verfahren, schließt sich an und spricht von einer „dramatischen Rechtsmeinung. Die derzeitige Situation ist für jeden Eigentümer einer Liegenschaft in den Innenstädten von Wien, Salzburg und Graz echt problematisch“. Unternehmen müssten derzeit „besonders vorsichtig sein mit Investitionen“.

Was ist ein Städtebauvorhaben?

Konkret geht es um die Definition des Begriffes „Städtebauvorhaben“ in einem schutzwürdigen Gebiet. Im österreichischen UVP-Gesetz sind solche Projekte definiert, etwa der Bau einer Straße, eines Sportstadiums oder eines Einkaufszentrums.

Das BVwG allerdings meint, die Definition müsste breiter gefasst werden (siehe Faksimile). Also auch Wohnsiedlungen, Krankenhäuser, Theater, Kinos, Universitäten etc. einbeziehen. Das Gericht beruft sich dabei auf die UVP-Richtlinie der EU.

Heumarkt-Urteil verunsichert die Wirtschaft

Diese wurde bereits 2004 in nationales Recht umgesetzt. Der für den Heumarkt zuständige Richter Christian Baumgartner schrieb als früherer Mitarbeiter des Umweltministeriums selbst am Gesetz mit.

Jetzt stellt sich die Frage, ob Österreich die Richtlinie vollständig umgesetzt hat. Dass Baumgartner die Causa nicht dem Europäischen Gerichtshof vorlegte, sondern selbst entschied, „zeigt, dass man sich sehr sicher war“ (Bußjäger).

Alles ist nun möglich. WertInvest geht kommende Woche vor den Verfassungs- und den Verwaltungsgerichtshof. Meinen auch die Höchstgerichte, Österreich habe die Richtlinie nicht ausreichend umgesetzt, hat die Regierung Handlungsbedarf.

Heumarkt-Urteil verunsichert die Wirtschaft

Investor Michael Tojner zieht vor die Höchstgerichte

Türkis-Blau will allerdings mit dem neuen Standort-Entwicklungsgesetz die UVP-Verfahren beschleunigen, um Investitionen zu erleichtern und Jobs zu schaffen. Allein die Verfahren, ob eine UVP-Prüfung überhaupt notwendig ist oder nicht, dauern laut Bußjäger „nicht selten zwei bis drei Jahre. Die Vorbereitungszeit nicht eingerechnet“.

Aus für Weltkulturerbe-Status?

Eine Alternative wäre, dass „die Städte das Weltkulturerbe zurücklegen“, argumentiert Eisenberger. Wien und Salzburg bräuchten diesen Status ohnehin nicht, um Touristen anzulocken.

In Industriekreisen argwöhnt man, Richter Baumgartner wolle Politik machen. Er war Mitglied des dreiköpfigen Senats, der gegen den Neubau der dritten Start- und Landepiste am Flughafen Wien entschied. Der Verfassungsgerichtshof warf das Urteil als „falsch und zum Teil willkürlich“ zurück. Das BVwG musste die Sachlage noch einmal prüfen und gab dann grünes Licht.

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