Herbert Paierl: "Österreich ist ausgetrocknet"

Herbert Paierl: "Österreich ist ausgetrocknet"
Unternehmen finden nicht genügend Risiko-Kapital, warnt der steirische Ex-Politiker.

International hinkt Österreich bei privatem Risiko-Kapital für aufstrebende Unternehmen weit hinten nach. Ein veritables Standortproblem – kritisiert der ehemalige VP-Politiker und Beteiligungsberater Herbert Paierl. Er appelliert an die neue Regierung, dringend steuerliche Anreize zu setzen.

KURIER: Wirtschaftskammer-Chef Christoph Leitl hat den Standort Österreich als abgesandelt bezeichnet und damit viel Empörung ausgelöst. Hat Leitl möglicherweise doch recht?

Herbert Paierl: Dass Österreich im Vergleich mit anderen europäischen Standorten Defizite hat, ist bewiesen. Beim Thema Finanzierung und Eigenkapital sind andere Standorte moderner und besser aufgestellt als wir. Das ist nicht erst seit dem Wahlkampf so, sondern schon seit Jahren. Die nächste Regierung wird nicht mehr umhin kommen, hier etwas Wirkungsvolles umzusetzen.

Herbert Paierl: "Österreich ist ausgetrocknet"

Die sogenannte Mittelstandsfinanzierung wurde ziemlich hinuntergefahren. VP-Chef Michael Spindelegger plant jetzt eine Neuauflage.

Das Gesetz für die Mittelstandsfinanzierung läuft 2014 aus, das Instrument hat in den vergangenen Jahren aber ohnehin nicht mehr funktioniert, weil es zu eingeschränkt war auf Kleinstbetriebe und Gründungen. Österreich braucht eine Initiative zur Neubelebung. Ich weiß schon, das ist politisch kein Gassenfeger, aber für die Zukunft wichtiger als je zuvor. Die Welt hat sich verändert, die Banken haben mehr Regularien und sind richtigerweise vorsichtiger bei Krediten. Daher braucht es echtes Eigenkapital. Nichts Kompliziertes, sondern ein steuerliches Incentive, um vorhandenes Kapital umzuleiten.

Aber in Österreich ist ohnehin genügend privates Kapital gebunkert. Wozu schon wieder eine steuerliche Förderung? Keine Förderung, sondern einen steuerlichen Anreiz. Vergleichen Sie Österreich doch international. Warum ist der Anteil an Venture Capital, also Risiko-Kapital für Unternehmen, zum Beispiel in Finnland, Deutschland oder der Schweiz wesentlich höher als bei uns? Es geht nicht um Unternehmen, die gut aufgestellt sind und sich selbst finanzieren können. Ich rede von neuen unternehmerischen Aktivitäten. Das können echte Gründungsfinanzierungen sein, aber auch Unternehmen, die in das nächste Wachstumsstadium gehen. Durch Firmenzukäufe, neue Märkte oder neue Technologien. Für solche Projekte braucht man Eigenkapital, das kann man nicht alles fremd finanzieren. Und dafür muss es einen Impuls geben.

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Kritiker werden einwenden, schon wieder was für Reiche. Der kleine Sparer wird sein Gerstl kaum in Risiko-Finanzierungen stecken.

Ich denke ja auch nicht ans Sparbuch der Oma, sondern an Kapitalbesitzer. Denen muss man aber einen Anreiz geben, das Risiko ist ja auch entsprechend. Ausschüttungen sollten bis zu einer gewissen Höhe – sagen wir, bis zu einer Dividende aus einem Kapital von rund 100.000 Euro – steuerlich begünstigt sein. Das Kapital sollte über Venture-Capital-Fonds ausgebracht werden, die von der Finanzmarktaufsicht eingesehen werden. Transparenz muss garantiert werden.

Welche Summen könnten da bewegt werden?

2011 wurden in Österreich über solche Fonds rund 124 Millionen Euro aufgebracht, diese Größenordnung hat sich seither nicht verändert. Eine Milliarde Euro halte ich durchaus für realistisch.

Dann gibt es die von den Banken immer vehement dementierte Kreditklemme also doch?

Alle Banker, mit denen Sie reden, werden Ihnen bestätigen, dass nicht zu wenig Kapital vorhanden ist, sondern dass der gesunde Mix aus Eigen- und Fremdkapital fehlt. Das Kerngeschäft von Banken ist immer noch die Fremdfinanzierung. Aber man kann die besten und innovativsten Projekte nicht fremdfinanzieren, wenn nicht genügend Eigenkapital vorhanden ist. Österreich ist bei Venture-Capital ausgetrocknet. Daher brauchen wir dringend einen Kanal, um Wasser in diese Wüste zu leiten.

Wo würden Sie auf einer Prioritätenliste für den Standort Österreich das Thema Risiko-Kapital reihen? Ganz oben, gemeinsam mit den Bildungs- und Ausbildungsproblemen. Österreich muss ein Zeichen setzen, andernfalls werden wir ein veritables Standortproblem bekommen.

Noch eine Frage zu Ihrer persönlichen Karriere: Sie haben ÖVP-Vergangenheit, waren anfänglich für das Team Stronach im Gespräch, haben dann aber den niederösterreichischen VP-Landeshauptmann Erwin Pröll unterstützt. Haben Sie noch politische Ambitionen?

Ich war auch in meiner aktiven Zeit immer ein politischer Unternehmer und bleibe das auch, aber schlafe gerade zur Zeit nicht bei offenem Fenster, sondern habe mit meinen Firmen genug zu tun.

Alle Interviews zur Serie "Was braucht Österreich? Aufträge an die Politik" finden Sie HIER.

Karriere

Nach dem Studium an der TU Wien begann der Vater von sieben Kindern am Forschungszentrum Graz, 1981 Wechsel ins Kabinett des damaligen steirischen VP-Landeshauptmannes Josef Krainer. 1993 wurde Paierl Chef des Energieversorgers Steweag, von 1996 bis 2004 VP-Wirtschaftslandesrat. 2004 gründete er die auf Beteiligungen spezialisierte pcb. Nach einem Jahr als Manager bei Magna International leitete der 61-jährige als Vorstand den Mittelstandsfinanzierer UIAG. Von 2009 bis 2012 Executive Vice President der europäischen Cosma-Gruppe von Magna.

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