Henkel-Präsidentin: Gibt zu wenig recyceltes Plastik am Markt
Das Wachstum des Düsseldorfer Konsumgüterkonzerns, der für Marken wie Schwarzkopf, Persil und Pattex bekannt ist, wurde zuletzt von der stotternden Autoindustrie und der Kosmetikindustrie ausgebremst.
KURIER: Wie viel Henkel steckt in einem Auto?
Birgit Rechberger-Krammer: Durchschnittlich 17 Kilo pro Pkw, vor allem Kleber, etwa für Windschutzscheiben oder Elektronik-Anwendungen, aber auch Beschichtungen.
Bremsen die E-Autos Ihr Geschäft aus?
Im Gegenteil, ihre Entwicklung kommt uns entgegen. E-Autos sollen ja immer leichter werden. Das heißt auch, es wird mehr geklebt als geschweißt.
Wie viel tragen Kleber zum Henkel-Umsatz bei?
Etwa die Hälfte, davon kommen 80 Prozent aus der Sparte Industriekleber. Die Transportbranche hat in diesem Bereich einen Anteil von 25 Prozent. Noch wichtiger ist das Verpackungsgeschäft. Wir machen ja Kleber für Konsumgüter – von der Etikette für die Bierflasche bis zur Windel.
Autos haben angeblich als Statussymbol ausgedient. Im Gegensatz zu Smartphones. Steckt in ihnen auch Henkel?
Ja, vom Kleber der Elektronikbauteile bis zur Oberflächenbehandlung und Beschichtung. Wir haben allein für Smartphones rund 50 Anwendungen für Klebstoff.
Ein anderer wichtiger Bereich ist Kosmetik. Henkel ist kleiner als die Mitbewerber L’Oreal und P&G. Was macht die Konkurrenz besser?
Kosmetik ist weltweit der umsatzstärkste Markt im Konsumgütermarkt. Und er ist sehr aufgesplittet – von der Haar- und Hautpflege bis zur dekorativen Kosmetik. L’Oreal deckt alle Kategorien ab, wir haben uns auf Haarpflege spezialisiert. Damit spielen wir auf derzeit boomenden Märkten – wie jenen der Gesichtsmasken – nicht mit. In der Haarpflege sind wir aber die Nummer eins.
Wollen Sie im Bereich der Haarpflege weitere Konkurrenten übernehmen?
Wir haben zuletzt viel Friseurgeschäft in Amerika und Lateinamerika zugekauft, weil wir dort noch kein so großes „Professional Geschäft“ hatten. Gleichzeitig kaufen wir in anderen Bereichen Technologien zu. Im Waschmittelbereich haben wir uns kürzlich an einem Start-up in den USA beteiligt, an dessen Patenten wir Interesse hatten. Es geht um ein Konzentrat für Putzmittel, das online direkt an den Konsumenten verkauft wird. Interessant, weil wir bisher alles über den Handel verkaufen.
Also baut Henkel den Online-Vertrieb aus?
Nein, das war eine Ausnahme. Unser bestehendes Portfolio wollen wir nicht über einen eigenen Online-Shop verkaufen.
Warum?
Wir sind keine Logistik-Experten. Außerdem wollen Kunden alles in einem Web-Shop kaufen und nicht jede Marke in einem anderen Vertriebskanal.
Wie kommt es dann, dass bei der Henkel-Bilanzpressekonferenz über ein Plus im Online-Verkauf gejubelt wird?
Da geht es um die Online-Umsätze mit unseren Kunden.
Könnte es Ihnen nicht egal sein, über welchen Kanal diese verkaufen?
Nein, weil das Marketing von uns erledigt wird und die Versandeinheiten von uns gestaltet werden müssen. Ein Onlinehändler will die Ware nicht umpacken, sondern ohne Aufwand verschicken.
Bekommt man auch Vorschriften, in Öko-Verpackung zu liefern?
Nein, gar nicht. Leider. Was die Reduktion von Plastik angeht, haben wir derzeit in Österreich keine guten Rahmenbedingungen. Man bekommt keinen Benefit dafür, dass man recyceltes Verpackungsmaterial einsetzt.
Ist das in anderen Ländern anders?
Ich kenne kein Land, in dem es anders ist, aber das muss sich ändern.
Warum?
Wir stellen die ganzen Verpackungen von Reinigungsmitteln auf Recyclat um, zahlen für dieses im Moment aber bis zu 40 Prozent mehr als für Originärstoffe, weil es am Weltmarkt zu wenig recyceltes Plastik gibt.
Woher kommt das Recyclat, das Henkel einsetzt?
Aus dem Ausland. Denn in Österreich werden derzeit ja nur die Flaschen von Lebensmitteln, also Getränke-PET-Flaschen, recycelt. Nicht aber unsere PE-Packungen. Diese werden verbrannt. Wir arbeiten gerade mit der Fachhochschule Campus Wien und der globalen Verpackungsmittelgesellschaft, Global PackForce, an zwei Projekten, um einen Werkstoffkreiskauf auf die Beine zu stellen. Wir hoffen, dass wir dafür staatliche Förderungen bekommen.
Birgit Rechberger-Krammer
Die gebürtige Wienerin ist seit 27 Jahren beim Konsumgüterriesen tätig und seit Oktober 2017 Präsidentin der Henkel CEE GesmbH mit Sitz in Wien. Darüber hinaus ist die WU-Absolventin seit kurzem für das Wasch- und Reinigungsmittelgeschäft für ganz Europa verantwortlich. Die 50-Jährige ist verheiratet und hat einen Sohn.
Konsumgüterriese
Henkel hat im abgelaufenen Geschäftsjahr mit Marken wie Schwarzkopf, Persil, Pattex, Fa, Loctite oder Blue Star knapp 20 Milliarden Euro umgesetzt. Zuletzt drückten die stotternde Autoindustrie und das Kosmetikgeschäft die Umsatzerwartungen. Heuer erwartet die Konzernleitung ein organisches Umsatzwachstum von ein bis zwei Prozent.
Geht es um ein neues Pfandsystem?
Nicht unbedingt. Tatsache ist aber, dass die Deutschen ein Plastikpfandsystem und eine höhere Sammelquote haben. Die Österreicher haben generell eine hohe Sammelquote, aber nicht bei Plastik, wo es kein Pfand gibt.
Ihr Lösungsvorschlag?
Man könnte zwei gelbe Tonnen – eine für Getränkeflaschen und eine für alles andere – aufstellen. Damit wären zwei Kreisläufe geschaffen. Derzeit werden die PET-Getränkeflaschen und die PE-Verpackungsflaschen, wie sie für Reinigungsmittel verwendet werden, in einem Container gesammelt. Dann werden die PE und PET wieder getrennt und nur PET recycelt. Die PE-Flaschen werden verbrannt.
Woher kommt dann das PE-Recyclat?
Derzeit bezieht es ganz Europa großteils aus England, wo es aus den PE-Milchflaschen gewonnen wird. Das einzige, was es in Österreich als Recyclat gibt, ist PET. Ich glaube, dass sich das ändern muss und Österreich eine Vorreiterrolle einnehmen sollte.
Halten Sie das für realistisch?
Ja. Das Plastik-Thema hat Fahrt aufgenommen, auch dank der "Fridays for Future"-Bewegung. Es gibt Nachholbedarf auf dem Recycling-Markt in Europa.
Haben Sie genug Recyclat auf Lager?
Wir mussten schon vor zehn Wochen die Verträge für 2020 unterschreiben, weil wir sonst zu wenig Material bekommen würden. Wir brauchen große Mengen in gleichbleibender Qualität das ganze Jahr über. Und wir haben uns selbst verpflichtet, bis 2025 35 Prozent unserer Plastik-Verpackungen in Europa mit Recyclat zu machen.
Es gibt nicht nur die "Fridays for Future"-Bewegung, sondern auch viele Nationalisierungstendenzen, Zölle und in der Folge Währungsschwankungen. Wo trifft Sie das als international aufgestellter Konzern?
Wir spüren das derzeit vor allem in Russland. Das Land beschafft so viel wie möglich national, einfach aus Kostengründen. Ein Dauerthema ist für uns auch der Brexit und seine Auswirkungen. Wir haben uns mit einer Aufstockung der Lager vorbereitet.
Händler verkaufen immer mehr Eigenmarken. Steigen Sie doch noch in deren Produktion ein?
Nein, das machen wir nicht. Ich sehe im Wasch- und Reinigungsmittelbereich auch einen rückläufigen Trend bei Eigenmarken. Die Marke wird wieder wichtiger.
Auch, weil wir bald über Sprachassistenten einkaufen werden? Also Alexa sagen werden, sie soll Waschmittel oder eben Persil bestellen?
Ja, ich habe Kollegen, die sich bereits intensiv mit diesem Thema beschäftigen.
Sie produzieren am Standort Wien 240.000 Tonnen Flüssigwaschmittel im Jahr. Was müsste passieren, dass die Fabrik abgesiedelt wird?
Solange Flüssigwaschmittel am Markt gefragt sind, fällt mir kein Grund ein. Wir arbeiten hier derzeit sehr effizient mit 150 Mitarbeitern in der Produktion.
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