Heftige Millionenpleite eines namhaften Textilbetriebs - 124 Jobs wackeln

Heftige Millionenpleite eines namhaften Textilbetriebs - 124 Jobs wackeln
2016 musste der Betrieb ein Insolvenzverfahren beantragen, das am Ende scheiterte. Ratenvereinbarungen wurden nicht eingehalten.

Das ist mittlerweile das zweite Mal, dass bei diesen Unternehmen der geschäftlichen Faden gerissen ist. Rund sechs Monate nachdem die letzte Rate für die Gläubigerquote aus dem ersten Insolvenzverfahren bezahlt werden sollte, beantragt der traditionsreiche Textilbetrieb Borckenstein GmbH mit Sitz in Neudau, Steiermark, heute, Donnerstag, am Landesgericht Graz die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.124 Mitarbeiter sind von der Pleite betroffen. Am Standort Neudau wurden in der Vergangenheit einmal 700 Mitarbeiter beschätigt.

"Der über die Weihnachstferien bestandene Betriebsurlaub ist bis heute verlängert, sodass derzeit kein Produktionsbetrieb stattfindet", sagt Insolvenzexperte Markus Graf vom AKV zum KURIER. "Ob und unter welchen Bedingungen ein Produktionsbetrieb überhaupt wieder aufgenommen werden kann, wird in den nächsten Tagen der Insolvenzverwalter zu klären haben."

Der Betrieb stellt sogenante ring- und rotorgesponnene Garne und Zwirne her, vor allem für die Herstellung von Unterwäsche, Oberbekleidung, Heimtextilien und für technische Anwendungen. "66.000 Spindeln auf unterschiedlichen Maschinen produzieren jährlich 12.500 Tonnen Garne und Zwirne", heißt es auf der Firmenhomepage. Neben Viscose, Modal und Lycell sowie Polyester- und Acrylfasern werden auch 700 Tonnen Mischungen aus Kaschmir, Seide und Wolle erzeugt.

Massive Probleme

"Borckenstein ist spezialisiert auf die Produktion verschiedenster Garne und musste trotz des hochtechnischen Know-Hows bereits in den vergangenen Jahren ihre Produktionskapazitäten an die geänderten Marktbedingungen anpassen", teilt Firmenanwalt Clemens Jaufer mit.

Bereits im Jahr 2016 musste Borckenstein daher in ein Sanierungsverfahren, welches letztlich nicht erfolgreich mit einem Sanierungsplan beendet wurde. Die restliche Teilrate aus dem Juni 2018 konnte offenbar nicht voll bezahlte werden und sie sollte dann in vier Teilen im Dezember 2019, im Jänner, Februar und März 2019 bedient werden. Die Gläubiger sollen dabei laut Neudaus Bürgermeister (SPÖ) Wolfgang Dolesch sehr entgegengekommen sein, doch Borckenstein bzw. deren Eigentümer sollen Ratenvereinbarungen nicht eingehalten haben.

In den letzten Jahren wurde weiter versucht, durch neue Schwerpunkte in der Produktion und durch die Optimierung von Prozessen wettbewerbsfähig zu bleiben. Ziel war eine nachhaltige Verbesserung der Auslastung in Verbindung mit höheren Produktionskapazitäten. Schlussendlich zeigte sich jedoch, dass die vorgenommenen Umstrukturierungsmaßnahmen nicht ausreichten, um einen langfristigen wirtschaftlichen Aufschwung zu erreichen.

„Wir haben bis zuletzt mit wesentlichen Stakeholdern sowohl mit Lieferanten als auch mit der öffentlichen Hand verhandelt. Trotz intensiver Bemühungen des iatilienische FMMG-Konzerns und der neuerlichen Anpassung des Geschäftsmodells für 2018/2019 ist uns die langfristige wirtschaftliche Stabilisierung von Borckenstein leider nicht gelungen“, sagt Geschäftsführer Andrea Parodi. „Um eine Erhöhung des Ausfalls für unsere Gläubiger zu verhindern, waren wir daher zur Stellung eines Insolvenzantrags gezwungen“.

 

Heftige Millionenpleite eines namhaften Textilbetriebs - 124 Jobs wackeln

Sanierungsanwälte Clemens Jaufer und Norbert Scherbaum

Die Geschäftsführung von Borckenstein wird nun mit dem (noch zu bestellenden) Insolvenzverwalter abstimmen, in welcher Form die Fortführung des Betriebs und eine Erhaltung des Produktionsstandorts in Neudau möglich ist.

„Wenn es gelingt, die kurzfristig benötigte Liquidität aus den vorhandenen Aufträgen sicherzustellen, kann der Insolvenzverwalter im Fortbetrieb der Produktion auf einen motivierten und erfahrenen Mitarbeiterstamm zurückgreifen, um die Aufrechterhaltung des Unternehmensbetriebs sicherzustellen. Wir schließen daher nicht aus, dass das Unternehmen bei positiver Fortsetzung des Betriebes eine nochmalige Sanierung schaffen kann. Dies wird sich in den nächsten Tagen zeigen“, sagt Firmenanwalt Clemens Jaufer von der Kanzlei Scherbaum Seebacher.

Zum Insolvenzverwalter wurde laut Creditrefom der renommierte Sanierungsexperte Alexander Isola bestellt, der schon die erste Borckenstein-Insolvenz erfolgreich abwickelte.

Schulden und Vermögen

Der Betrieb hat laut AKV rund 21,38 Millionen Euro Verbindlichkeiten und nur 8,455 Millionen Euro Vermögen. Die Überschuldung beläuft sich auf rund 12,925 Millionen Euro. Bei den Passiva werden Forderungen aus der Vorinsolvenz in Höhe von 7,8 Millionen Euro angeführt, etwa 5,81 Millionen Euro entfallen auf die Mitarbeiter, wobei jedoch noch nicht entstandene Endigungsansprüche enthalten sind.  "Nicht berücksichtigt sind auf der Passivseite konzerninterne Forderungen in der Höhe von rund 8,4 Millionen Euro, da man diese offenbar bereits selbst als Eigenkapital wertet", sagt AKV-Experte Franz Blantz zum KURIER. "Die Aktiva sind weitgehend aufgrund erfolgter Verpfändungen mit Sonderrechten belastet."

So sind die Bankschulden (3,570 Millionen Euro) mit dem Anlagevermögens (Liegenschaften, Maschinen) in Höhe von 2,569 Millionen Euro durch Banken besichert, die Schulden bei Lieferanten werden mit 2,4 Millionen Euro ausgewiesen, hier sind keine konzerninterne Lieferanten inkludiert. Bei der Gebietskrankenasse steht der Betrieb mit 1,53 Millionen Euro in der Kreide.

Die Aktiva (8,455 Millionen Euro) sind bereits zu Liquidationswerten ausgewiesen, die freien Aktiva sind deutlich geringer. Zieht man die Banksicherheiten am Anlagevermögen und die Forderungsfinanzierung durch eine Factoring-Bank (907.000 Euro) ab, bleiben unterm Strich 5,448 Millionen Euro; davon entfallen 1,98 Millionen Euro auf offene Forderungen innerhalb des Konzerns und 1,5 Millionen Euro auf fertige Waren und eine Million Euro auf das Rohmaterial.

Wenn sich im Insolvenzverfahren die Möglichkeit bietet, will Borckenstein einen Sanierungsplan beantragen.

Die Ertragslage

Im Geschäftsjahr 2017 setzte die Garnfabrik fast 24 Millionen Euro um, der Bilanzverlust betrug rund 11,6 Millionen Euro, der operative Jahresverlsut 711.500 Euro. Das negative Eigenkapital wurde mit 10,34 Millionen Euro beziffert und die Verbindlichkeiten mit 13,475 Millionen Euro. In diesem Jahr wurden 148 Mitarbeiter beschäftigt. Das Unternehmen gehört zu 90 Prozent der italienischen Fil Man Made Group S.r.l., den Rest hält die italienische AO Tirso S.r.l., beide mit Sitz in Signoressa di Trevignano, Region Venetien. Hinter den Unternehmen steht die Familie Parodi. Das Sanierungsverfahren war im Juli 2016 aufgehoben worden, die Zahlungsfrist für die Gläubigerquote endete 20. Juni 2018.

Das Insolvenzverfahren über die Schwesterfirma HiTex GmbH mit Sitz in Neudau dürfte laut Firmencompass und Ediktsdatei des Justizministeriums noch nicht abgeschlossen sein.

Die Firmengeschichte

Die Firma Borckenstein wurde laut AKV vor 230 Jahren, nämlich im Jahr 1789, als erste mechanische Spinnerei Österreichs gegründet und seit dem Jahr 1845 befindet sich der Sitz in 8292 Neudau in der Oststeiermark. Seit 1928 wurde der oststeirische Leitbetrieb in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft geführt und ab dem Jahr 2008 hat die EOSS Gruppe des Investors Peter Blaschitz einen Großteil der Aktien von den Privatstiftungen der Gründungsfamilien übernommen, der Betrieb wurde im Jahr 2010 in die Borckenstein GmbH umfirmiert.

Im Jahr 2013 wurde die italienische Fil Man Made Group, die auf technische Textilien für den Brandschutz spezialisiert ist, übernahm zunächst die Mehrheitsanteile. Im Juni 2015 hat die FIL MAN MADE GROUP das Textilunternehmen ganz übernommen.

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