Müllhalde statt Feinkostladen
Statt in die Mägen russischer Konsumenten wanderten sie in den Müll: 44 Tonnen polnischer Äpfel und Birnen fanden vor Kurzem nicht die Gnade des obersten russischen Sanitär-Kontrolldienstes. Die Pestizidbelastung sei zu groß gewesen.
Seit Wochen werden Lebensmittel aus Polen, anderen EU-Ländern sowie aus der Ukraine und Moldawien an den russischen Grenzen abgelehnt. In der Vorwoche traf es auch Milchprodukte aus Litauen. Russland verhängte einen Einfuhrstopp. Medien sprechen bereits von einem Handelskrieg.
Die russische Seite bestreitet wirtschaftspolitische Motive und schiebt Sorgen um die Gesundheit vor: „Wir hegen den großen Verdacht, dass durch und von Polen Lebensmittel zu uns gelangen, die, vorsichtig ausgedrückt, nicht den Normen entsprechen“, so der Chef der russischen Lebensmittel-Behörde, Gennadi Onischtschenko. Er spricht von „nahezu kriminellen Machenschaften“, ein Lebensmittel-Embargo gegen Polen sei derzeit nicht auszuschließen. Seit Jahresbeginn landeten bereits 6000 Tonnen Lebensmittel, das Gros aus der EU, auf russischen Müllhalden.
Subtiler Druck
Russland versucht offenbar, vor dem EU-Gipfel in Litauen Ende November Druck auf die EU-Länder auszuüben. In Vilnius soll ein Assoziierungs- und Freihandelsabkommen der Ukraine mit der EU unterschrieben werden. Ursprünglich galt der Präsident der Ukraine, Viktor Janukowitsch, als Kreml-nahe. Doch mit einem Abkommen würde das Land einen wichtigen Schritt Richtung EU-Beitritt setzen.
Dem russischen Angebot, mit Kasachstan und Weißrussland eine Zollunion zu bilden, hatte Kiew zwar keine direkte Absage erteilt, jedoch lassen sich die beiden Abkommen nicht vereinbaren. Als Druckmittel verschärft Moskau die Zollprozeduren bei Einfuhren aus der Ukraine. In Kiew wiederum werden aus Protest russische Waren verbrannt.
Westkurs
Polen gilt als wichtiger Anwalt für einen Westkurs der Ukraine sowie mit Schweden als Architekt der 2009 gegründeten Idee der „Östlichen Partnerschaft“, die Ex-Sowjetrepubliken näher an den Westen binden soll. Dagegen kämpft Russland. Litauen will diese Initiative als EU-Ratsvorsitzender am besagten Gipfel wieder aufgreifen – auch mit Georgien und Moldawien sollen Abkommen geschlossen werden.
Russland könnte sich mit den Sticheleien ins eigene Fleisch schneiden, glaubt Österreichs scheidender Wirtschaftsdelegierter in Kiew, Gregor Postl. Der Boykott von Waren aus der Ukraine könnte zu Preissteigerungen im eigenen Land führen. Die EU, die sich’s mit Russland nicht verscherzen will, hat die Provokationen gegen die Ost-Partner bisher nur halbherzig verurteilt. Litauen ging einen Schritt weiter und drohte, Russland Straße und Bahn für den Transit in die Exklave Kaliningrad zu sperren, sollte es mit den Aktionen nicht bald aufhören.
Die EU verschärft im Streit um Hindernisse für die Autoexporte nach Russland die Gangart. Handelskommissar Karel De Gucht verlangt bei der Welthandelsorganisation WTO ein Schiedsgerichtsverfahren.
Konkret geht es um Abgaben auf in Russland importierte Autos. Mit dem Beitritt zur WTO musste Russland seine Importzölle senken. Und führte prompt eine „Recyclingabgabe“ ein. Die so bemessen ist, dass die niedrigeren Zölle kompensiert werden. Und sie gelte, kritisiert die EU, nur für Import-Fahrzeuge und praktisch nicht für in Russland gebaute Autos.
Russland dementiert die Benachteiligung von Importautos. Das russische Parlament habe in der Vorwoche, sagte der Handelsbeauftragte Maxim Medwedkow, ein Gesetz verabschiedet, mit dem die Recycling-Gebühren angeglichen würden.
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