Handelskrieg-Motto: Wer weniger verliert, gewinnt

Handelskrieg-Motto: Wer weniger verliert, gewinnt
Der Disput zwischen USA und China eskaliert, rasche Lösung ist keine Sicht – Börsianer reagieren geschockt

Es sollte wohl beruhigend klingen: „Das ist nicht der Dritte Weltkrieg“, sagte Wirtschaftsminister Wilbur Ross über den Handelsdisput mit China. Schließlich seien nur 0,3 Prozent der US-Wirtschaftsleistung von den Vergeltungsmaßnahmen betroffen. Und so wie militärische Kriege stets mit Verhandlungen enden, könne es auch hier sein, beruhigte der Hardliner im Gespräch mit TV-Sender CNBC. Wann könne er freilich nicht sagen. Denn zuvor müsse China sein unfaires Verhalten ändern: Illegale Subventionen, Dumpingpreise und systematischer Patentdiebstahl verstießen gegen die Regeln der Welthandelsorganisation WTO.

Das werfen freilich auch die Asiaten ihrem Erzrivalen auf der anderen Pazifikseite vor: Die US-Strafzölle seien illegal, deshalb werde China vor das Welthandelsgericht ziehen und klagen.

So wird eine Lösung des Konfliktes immer schwerer absehbar. Und der Disput zwischen den USA und China schaukelt sich zum Handelskrieg auf; exakt so, wie alle Experten gewarnt hatten.

Wie du mir, so ich dir

Allmählich wird es schwierig, im Hin und Her von Straf- und Vergeltungszöllen den Überblick zu bewahren. Den Anfang hatten Trumps Aufschläge für Alu- und Stahlimporte gemacht, auf die China vergleichsweise zurückhaltend reagiert hatte. Seit Mittwoch ist allerdings die nächste Stufe der Eskalation erreicht. Der US-Handelsbeauftragte Robert Lighthizer legte eine Liste mit 1333 chinesischen Produkten vor, die „schätzungsweise 50 Milliarden Dollar“ repräsentieren. Diese sollen bei der Einfuhr in die USA mit 25 Prozent Preisaufschlag belegt werden – nach rund eineinhalb-monatiger Begutachtungsfrist. Treffen sollen die Barrieren vor allem Chinas Hochtechnologie, darunter Industrie- und Maschinenbauteile, Medikamente, aber auch Konsumprodukte wie Flatscreen-TV oder Pkws und Autoteile.

Trifft Trump-Wähler

Chinas Antwort erfolgte keine elf Stunden später. Die Vergeltungszölle sollen ebenfalls 50 Milliarden Dollar erreichen – darunter Autos, Flugzeuge oder Whiskey aus den USA. Besonders hart würden die Farmer getroffen: Die Chinesen wollen Sojabohnen, gefrorenes Rindfleisch, Baumwolle und andere Güter aus dem (mehrheitlich republikanischen) Agrargürtel von Iowa bis Texas mit Straftarifen belegen.

Ross kümmert das jedoch wenig. Er wiederholte Trumps Mantra: Die USA könnten den Handelskrieg gar nicht verlieren, weil sie schon jetzt um 380 Milliarden Dollar mehr Waren aus China einführen als sie exportieren. Stimmt. Sofern man denjenigen als „Gewinner“ sehen will, der weniger verliert.

Die verbleibende Hoffnung ist nun, dass die Zölle letztlich nur ein Drohmittel sind, um bessere Karten für Verhandlungen zu haben. Erst schießen, dann reden: Das kristallisiert sich als Trumps Taktik heraus. Pessimisten sehen dennoch keinen raschen Ausweg. Trump ist nämlich überzeugt, er könne das riesige US-Handelsdefizit abbauen, in dem er die Importe aus einzelnen Ländern verringert. Irrtum, kontern so gut wie alle Ökonomen: Die Verteuerung von Importen werde letztlich nur auf die US-Verbraucher zurückfallen. Das Defizit werde so nicht abgebaut, weil sich die Warenströme auf andere Länder verlagern.

Wie wär’s mit sparen?

An der Wurzel des US-Defizits sehen Experten vielmehr, dass die USA seit Jahrzehnten über ihre Verhältnisse leben. Sie verschulden sich gegenüber dem Rest der Welt. Weniger Konsum, dafür mehr Sparsamkeit könnte die Bilanz ins Lot bringen. Die Trump-Regierung tut aber das genaue Gegenteil: Radikale Steuersenkungen und Infrastrukturausgaben werden das Budgetdefizit auf 4,5 Prozent der Wirtschaftsleistung anschwellen lassen.

Der sture Kurs der Machtpolitiker Donald Trump und Xi Jinping macht zudem ein Einlenken ohne Gesichtsverlust politisch fast unmöglich. China habe noch nie Druck von außen nachgegeben, betonte Vize-Finanzminister Zhu Guangyao in Peking.

Keine guten Aussichten für Investoren. Börsenrekorde kann Trump jedenfalls schon länger nicht mehr als Beleg für tolle Wirtschaftspolitik zitieren, denn seit Mitte Jänner geht es bergab. Am Mittwoch reagierten die Börsianer geschockt. Der Wiener ATX und der Frankfurter DAX schlossen mit Verlusten. Der breite US-Index S&P500 startete deutlich im Minus. Von Strafzöllen bedrohte Firmen litten besonders – die Aktie von Flugzeugbauer Boeing verlor zeitweise mehr als 4 Prozent, der Chiphersteller AMD rund 3 Prozent.

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