Handel: Das Geschäft springt an, aber die Mitarbeiter fehlen

Geschlossene Geschäfte während der COVID-19-Pandemie in der Wiener Innenstadt
Trotz des jüngsten Booms der Onlineshops werden nach wie vor 9 von 10 Euro in Geschäften ausgegeben

Eines vorweg: „Den Handel“ gibt es nicht. Zur Branche gehört der kleine Blumenhändler ums Eck ebenso wie die Supermarktkette mit hunderten Filialen übers Land verteilt. So unterschiedlich die Formate, so unterschiedlich auch die Geschäftsentwicklung in der Pandemie.

Während der Lebensmittelhandel laut Berechnungen des Economica-Instituts 2021 um knapp 11 Prozent mehr umgesetzt hat als noch 2019, sind den Modehändlern mehr als 20 Prozent der Umsätze weggebrochen. Im Durchschnitt, denn auch innerhalb der Sparte gibt es keine einheitliche Entwicklung. Ballkleider und Anzüge waren in Zeiten von Homeoffice und gestrichener Veranstaltungen ein Ladenhüter, viele haben sich lieber eine neue Jogginghose gekauft. Und das beim Händler ums Eck. In Tourismusgebieten war speziell in der Wintersaison tote Hose – Stichwort geschlossene Hotels und Reisebeschränkungen.

Demos statt Shopping

Aber auch in der Wiener City ist nichts los, klagen Kaufleute der Innenstadt. Schuld seien – neben den fehlenden internationalen Touristen – die Großdemos, die den 1. Bezirk lahmlegen. „Im Vorjahr gab es 159 große Demos, davon 71 mit Ringstraßensperre“, rechnet Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel, vor. Nicht gerade einladend, wenn es um einen Einkaufsbummel geht. Der Branchensprecher – der ein Modegeschäft im 1. Bezirk hat – wünscht sich deshalb sogenannte „Speakers Corners, wie es sie in anderen Ländern auch gibt“. An diesen könnten Demonstranten dann ihre Kundgebungen abhalten, ohne den Verkehr lahmzulegen, so seine Vorstellung. Als Vorschlag nennt er den Schwarzenbergplatz.

Handel: Das Geschäft springt an, aber die Mitarbeiter fehlen

Generell brauche es 2022 wieder mehr Normalität in den Geschäftsstraßen. „Andere Länder machen komplett auf und leben auch“, so Trefeliks Standpunkt. „Zu Tode gefürchtet ist auch tot.“

Zumindest die Einkaufslust lebt wieder auf, frohlocken Wirtschaftsforscher. Laut Wifo werden die Konsumausgaben der Privaten heuer das Vorjahresniveau um knapp zehn Prozent übersteigen. Viele wollen also das in der Pandemie angesparte Geld auf den Putz hauen. Anzunehmen allerdings, dass ein Teil davon ins Ausland fließen wird – Stichwort nachzuholende Urlaubsreisen.

Lockdowns
Im Vorjahr sind die Geschäfte  landesweit 59 Tage lockdownbedingt geschlossen gewesen, in der Ost-Region sogar 90 Tage

Ländervergleich
Die reale (preisbereinigte) Steigerungsrate in den österreichischen Einzelhandelsumsätzen beträgt kumuliert in beiden Pandemiejahren plus 3,0 Prozent. Das entspricht Platz 21 im Ranking der EU-27. Mit ein Grund soll die strenge Corona-Politik Österreichs sein

Relativer Höhenflug

Apropos Ausland. Dort sitzen auch große Onlinehandelsplattformen, die in der Pandemie gut verdient haben. Nach wie vor fließt jeder zweite Euro, den die Österreicher beim Onlineshopping ausgeben, ins Ausland. Das Economica-Institut beziffert das Plus der Online-Umsätze heimischer Händler übrigens mit 18,4 Prozent (gegenüber 2019). Klingt viel, ist aber relativ. Trefelik: „Noch immer werden neun von zehn Euro im stationären Handel ausgegeben.“

Doch dieser hat ein chronisches Mitarbeiterproblem. Aktuell sind 16.000 Stellen im Handel unbesetzt, um ein Drittel mehr als 2020. Trefelik: „Wir brauchen durchgehend offene Geschäfte und es macht auch keinen Spaß, monatelang mit Maske zu arbeiten.“ Mit einem höheren Einstiegsgehalt habe man bei den letzten Kollektivvertragsverhandlungen ein Signal gesetzt. Mit 1. Jänner 2022 wurde das Einstiegsgehalt für Vollzeitbeschäftigte auf 1.800 Euro brutto angehoben, so der Branchenvertreter.

Vom befürchteten Händlersterben ist derzeit übrigens nichts zu bemerken. Schließungen hätten zuletzt vor allem den Großhandel betroffen – und da vor allem Handelsvermittler, die ein Einpersonenunternehmen hatten, sagt Peter Voithofer vom Economica-Institut.

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