Großpleiten leeren Insolvenzfonds

APA12993244-2 - 31052013 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA 219 WI - Eine Niedermeyer - Filiale am Freitag, 31. Mai 2013, in Wien. Das Traditionsunternehmen hatte am Mittwoch mangels eines fehlenden Investors die endgültige Liquidation der Firma bekannt gegeben und heute mit dem Abverkauf begonnen. APA-FOTO: HERBERT PFARRHOFER
Alpine, dayli, Niedermeyer: 320 Mio. Euro für Arbeitnehmer aus Konkursfirmen drohen das Budget zu sprengen.

Die Mittel für dayli sind schon eingepreist. Meldet die Nahversorger-Kette heute, Freitag, endgültig Konkurs an, schlagen die Ansprüche der betroffenen ArbeitnehmerInnen mit rund 35 Millionen Euro zu Buche. Im Vergleich zur Alpine-Pleite sind die ausstehenden Lohn- und Abfertigungszahlungen der zum Großteil teilzeitbeschäftigten dayli-VerkäuferInnen aber bescheiden. Allein im Juni und Juli beliefen sich die beim Insolvenzfonds angemeldeten Ansprüche der ehemaligen Alpine-Mitarbeiter auf 52 Millionen Euro. Diese dürften sich aber noch auf 70 bis 80 Millionen Euro summieren.

Großpleiten leeren Insolvenzfonds
A man walks past a 'dayli' drugstore in the western Austrian city of Innsbruck July 5, 2013. According to Austrian newspapers, 'dayli' filed for bankruptcy on Thursday after they declared to have 56 million euro in debt, putting at risk some 3500 jobs. REUTERS/Dominic Ebenbichler (AUSTRIA - Tags: BUSINESS EMPLOYMENT)
Alpine, dayli, Niedermeyer: Drei Großinsolvenzen, die das Budget des staatlich garantierten Insolvenz-Entgelt-Fonds (IEF) für heuer komplett ausreizen.

Gemeinsam mit den übrigen Pleiten schnellt das gesamte Auszahlungsvolumen auf eine neue Rekordmarke von 320 Millionen Euro in die Höhe. Noch nie seit der Ausgliederung des Fonds in eine eigene Gesellschaft (2001) musste so viel Geld zur sozialen Abfederung von Pleiten ausgeschüttet werden (siehe Grafik).

Großpleiten leeren Insolvenzfonds

Die Liquidität des Fonds bezeichnet Geschäftsführer Wolfgang Pfabigan – zumindest derzeit – als gesichert. „Wir sind noch in den schwarzen Zahlen und ich hoffe, dass wir auch die Kreditlinien nicht brauchen werden“, sagt Pfabigan zum KURIER. Voraussetzung dafür sei aber, dass es keine weiteren Großpleiten mehr gibt. Ansonsten würden die Ausgaben die geplanten Einnahmen deutlich übersteigen und der Fonds müsste sich bei den Banken Geld pumpen.

Einnahmen-Ausgaben

Das Budget des Pleitefonds ist fast eine Mysterium – und eine typisch österreichische Kompromisslösung. Gespeist wird er in erster Linie von den Arbeitgebern, die für ihre Mitarbeiter 0,55 Prozent des Bruttolohns als Insolvenz-Entgelt-Sicherungsbeitrag abführen. Weil dies aber nicht ausreicht und der Fonds selbst 2010 vor der Pleite stand, werden bis 2015 Mittel aus der Arbeitslosenversicherung (Arbeitgeberbeiträge für über 57-Jährige), die eigentlich dem AMS gehören, „umgetopft“. Wegen der hohen Arbeitslosigkeit fließen heuer nur rund 60 Millionen Euro aus dem AMS-Topf. Einnahmen kommen auch aus den erstrittenen Ansprüchen bei Insolvenzverfahren. Die Höhe dafür ist schwer zu kalkulieren.

Ausgabenseitig werden die Gelder des Insolvenzfonds auch zweckwidrig verwendet. Jährlich fließen 170 Millionen Euro bzw. 0,2 der 0,55 Prozent in die Lehrstellenförderung für Betriebe.

Missbrauch

KSV-Insolvenzexperte Hans-Georg Kantner fordert angesichts der knappen Kasse den „Missbrauch des Fonds für eine unsinnige Lehrlingsförderung“ sofort zu stoppen. Sich je nach Belieben einfach der Fondsgelder zu bedienen, bezeichnet er als „Sündenfall der Politik“.

Die ÖVP zog angesichts der Pleitewelle kürzlich ihre Forderung nach einer weiteren Senkung des Insolvenz-Entgelt-Sicherungsbeitrages wieder zurück.

Er springt immer dann ein, wenn der Arbeitgeber nicht mehr zahlen kann. Der Insolvenz-Entgelt-Fonds (IEF) hat die gesetzliche Aufgabe, Löhne, Gehälter und Beendigungsansprüche (z. B. Abfertigung, Urlaubsersatzleistung), von Arbeitnehmern zu sichern, die von einer Insolvenz betroffen sind. Auch Zwischenfinanzierungen bei Betriebsweiterführung sind möglich. Das Gesetz zur Entgeltsicherung stammt aus dem Jahr 1977 und wurde inzwischen 45-mal abgeändert. 2001 wurde der Pleitefonds als eigenständige GmbH aus dem Sozialministerium ausgegliedert und beschäftigt heute 140 Mitarbeiter in ganz Österreich. Zur Abwicklung der Großinsolvenzen Alpine und dayli wurden einige zusätzliche Mitarbeiter aufgenommen.

In den vergangenen zwölf Jahren sprang der Fonds für insgesamt rund 350.000 Arbeitnehmer als Lohn- und Gehaltsauszahler ein. Fast drei Milliarden Euro wurden seither ausbezahlt. Allein im ersten Halbjahr 2013 waren rund 20.000 Arbeitnehmer von einer Insolvenz betroffen. Im Schnitt müssen die Arbeitnehmer zwei Monate auf die erste Auszahlung der Gelder warten. Der Antrag auf Insolvenz-Entgelt kann entweder selbst oder über einen bevollmächtigten Vertreter erfolgen.

Als diesbezügliche Serviceeinrichtung fungiert seit vielen Jahren der bei den Arbeiterkammern angesiedelte Insolvenzschutzverband für ArbeitnehmerInnen (ISA).

www.insolvenzentgelt.at

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