Rund 10.000 Bauern, einige Oppositionspolitiker und auch Promi-Bauer Jeremy Clarkson hatten sich Dienstagmittag im Londoner Regierungsviertel eingefunden. Mit Plakaten, mit kleinen und großen Traktoren, und vor allem: mit viel Wut im Bauch. „Ich bin stinksauer!“, sagt Sarah Stallard aus Herefordshire, die mit ihrer Schwester einen Banner mit der Aufschrift „Save Family Farms“ hochhält. Rettet die Familienbauernhöfe. „Wenn die geplanten Änderungen in Kraft treten, könnten wir alles verlieren“, sagt sie.
Keine Ausnahme mehr
Seit 1984 müssen Bauernhöfe im Vereinigten Königreich keine Erbschaftssteuer zahlen. Das sollte Familienbetrieben den Fortbestand erleichtern und die Ernährungssicherheit im Land erhöhen. Denn anders als Österreich ist Großbritannien stark auf Lebensmittelimporte – vor allem bei Obst, Gemüse und Milchprodukten – angewiesen. Das sollte, wenn möglich, nicht noch weiter vorangetrieben werden.
Doch nun will die Labour-Regierung Einnahmen durch die Erbschaftssteuer erhöhen. Das soll helfen ein 26 Milliarden Euro großes Steuerloch zu stopfen, das ihnen von den Torys überlassen wurde. In ihrer Budgetrede Ende Oktober hatte Finanzministerin Rachel Reeves angekündigt an, dass nur mehr Höfe unter einem Wert von 1 Million Pfund (1,2 Millionen Euro) von der Erbschaftssteuer ausgenommen werden.
Danach, argumentiert Labour, werde aber immer noch ein vergünstigter Steuersatz von 20 (nicht wie sonst 40 Prozent) angewendet. Und weil es außerdem Ehepartner-Freibeträge und Nullsteuerklassen gebe, könnten Bauern bis zu 3 Millionen Pfund (3,6 Mio. Euro) steuerfrei vererben. In die Gruppe darüber würden nur rund 500 Betriebe im Jahr fallen. „Die Regierung muss“, meinte Umweltminister Steve Reed dazu auch, „jene mit den breitesten Schultern bitten, die größere Last zu tragen.“
Die Konsequenz der Steuer
„Diese Zahl ist absoluter Blödsinn!“, erwidert Sarah Stallard. „Wir haben keine riesige Farm und müssten die Steuer trotzdem zahlen. Wenn unsere Mutter“, sie zeigt auf die ältere Dame, die hinter ihr in der dicht gedrängten Whitehall steht, „uns vier Schwestern einmal den Hof vererbt, müssten wir 20 Prozent von unserem Land verkaufen, um die Gelder zu lukrieren. Aber dann könnten wir nicht mehr wirtschaften. Wir müssten also den gesamten Hof aufgeben.“
Ein paar hundert Meter weiter, mit einem Auge auf ihren herumflitzenden, vierjährigen Enkelsohn Henry, seufzt auch Claire Maiden. „Ich bin 78 Jahre alt“, sagt sie, „und heute ist der traurigste Tag meines Lebens.“ Ihr Bauernhof in Worcestershire sei ihr Lebenswerk. „Unser Hof ist etwa fünf Millionen Pfund wert. Das klingt sehr viel, aber Höfe haben vielleicht einen hohen Vermögenswert, aber nur wenig Bargeld. Wir schaffen es schon derzeit kaum über die Runden zu kommen.“
Werde die Erbschaftssteuer fällig, sei die Zukunft ungewiss. Dabei wäre Henry die sechste Generation, die den Hof führen würde. „Ich verstehe es nicht“, sagt Claire Maiden noch: „Wir Bauern helfen, das Land zu ernähren. Wieso wird uns diese Arbeit so erschwert?“
Premierminsiter bleibt (noch) hart
Premierminister Keir Starmer kann „die Sorgen der Bauern“ nachvollziehen, meinte ein Sprecher am Dienstag. Und doch bestreitet er die Behauptung der Bauern-Gewerkschaft, dass nicht 500, sondern 70.000 Familien von der Maßnahme betroffen sein könnten. An der Entscheidung werde jedenfalls nicht gerüttelt.
Doch nach der Aufregung um die Streichung des Heizkostenzuschusses für Pensionisten sind die Bauern bereits die zweite Gesellschaftsgruppe, die Labour in weniger als einem halben Jahr gegen sich aufgebracht hat. Es bleibt abzuwarten, ob Keir Starmer seinen Standpunkt halten kann.
Jeremy Clarkson, seit seiner Amazon-Prime-Serie „Clarksons Farm“ eine Gallionsfigur der Pro-Bauern-Bewegung, warnte im Sky News-Interview noch, die Steuererhöhung könnte das Ende der britischen Bauern bedeuten. Und als die Demonstrations-Veranstalter auf der Whitehall anklingen ließen, dieses Event sei „erst der Anfang“, wurde so laut geklatscht, gepfiffen und gerufen, dass der Geräuschpegel in der stets belebten Whitehall seinesgleichen sucht.
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