Griechenland: Wasser statt Ouzo

Griechenland: Wasser statt Ouzo
Die Krise vergällt den Menschen sogar den Genuss ihres Nationalgetränks, viele Tavernen bleiben leer.

Kalamares? Selbstverständlich. Gegrillte Sardinen? Kein Problem. Dimitris Moustakas zählt auf: Die Liste seiner Mezedes, der kleinen Vorspeisen, die zum Ouzo gereicht werden, ist lang. Nur die Tische in seiner Taverne, die sind leer. Es ist neun Uhr abends und beste Ausgehzeit in Athen, da sitzen sie gerade einmal zu viert im Windschatten einer kleinen Kirche. Der Tavernenbesitzer, seine zwei Kellner und die alte Köchin.

"Heute hatten wir noch keinen einzigen Gast", seufzt Moustakas, "und wir haben seit Mittag geöffnet. Wir leben nur noch von Woche zu Woche."

Wenn seine Gäste früher zwei Karaffen Ouzo bestellt haben, dann ordern sie jetzt eine. Um mindestens 40 Prozent sei sein Umsatz eingebrochen, klagt Moustakas. Die Hälfte seines Personals hat er entlassen müssen. Ein paar ausgemergelte Katzen streichen der Köchin um die Beine, auch sie sind Opfer der Wirtschaftskrise. Früher gab es hier im Viertel, nicht weit von der Akropolis, mehr als 200 Tavernen, da fiel auch für die Vierbeiner etwas ab. Heute haben nur noch 25 Tavernen offen, und die meisten sind so leer wie die von Dimitris Moustakas.

"Die Krise ist schuld", sagt auch Anastasia Georganta vom Verband der griechischen Destillierer. Aber nicht nur. "Die Verbrauchssteuer auf Hochprozentiges ist seit 2008 um 120 Prozent gestiegen. Dazu kommt noch die Mehrwertsteuer, die inzwischen bei 23 Prozent liegt. Und dann natüriich die Krise. Heute ist es ja sogar schon ein Luxus, ein Bier im Kühlschrank stehen zu haben."

Absturz

Um etwa 20 Prozent ist der Ouzo-Konsum in Griechenland im vergangenen Jahr gesunken. Die griechischen Destillierer versuchen den Rückgang mit mehr Exporten wett zu machen. Mit Abstand die meisten davon gehen nach Deutschland. Dennoch hat jeder fünfte Destillierbetrieb im vergangenen Jahr schließen müssen. Ein Verlust an Lebensqualität sei das, so Georganta: "Ouzo ist das griechische Nationalgetränk. Wie soll ich sagen? Wir würden nie auf einen Wodka gehen oder einen Gin. Nein, wir gehen auf ein Ouzaki, ein Ouzochen. Dazu ein paar Vorspeisen, das ist unsere Lebensart. Aber jetzt gehen die Menschen eben nicht mehr aus. Und für daheim ist Ouzo nicht geeignet. Zum Ouzo-Trinken braucht es die passende Umgebung, die Stimmung, die Freunde und am besten das Meer!"

So lange sich Griechenland nicht von der Krise erholt, so lange werde sich auch der Ouzo-Konsum nicht erholen, ist sich Anastasia Georganta deshalb sicher. Auch Tavernenbesitzer Dimitris Moustakas weiß das. "Vor ein paar Wochen hatten wir ein Klassentreffen. Zwanzig von uns haben den ganzen Abend nur Leitungswasser getrunken – Leute, die vor ein paar Jahren leitende Angestellte waren. Sie hatten nicht einmal Geld für einen Drink!"

In Touristenzentren blüht die Steuerhinterziehung

Griechenland: Wasser statt Ouzo

Von Korfu bis Kreta sind die griechischen Strände voll, die Hotels wieder gut gebucht. Was sich für Griechenlands Tourismus bis vor Kurzem noch wie ein Katastrophensommer ankündigte, scheint eine Wende zum Guten genommen zu haben. Trotz Wirtschaftskrise und ständig schlechter Wirtschaftsnachrichten aus Hellas lag die Zahl der ausländischen Gäste laut Verband der griechischen Tourismusunternehmen SETE im Juli nur um 3,4 Prozent unter dem Wert des Vergleichsmonats 2011 – nicht zuletzt dank kräftiger Senkungen der Zimmerpreise. Einige Urlaubsziele wie die Inseln Kefalonia und Zakynthos melden gar steigende Gästezahlen.

Doch was die griechische Wirtschaft freut, muss sich noch lange nicht in ihrem Steueraufkommen niederschlagen. Auf Zakynthos e­twa mussten die Steuerprüfer in den vergangenen beiden Juliwochen bei stichprobenartigen Untersuchungen von Restaurants, Geschäften und Hotels feststellen: Alle Unternehmen kassierten zwar die – erhöhte – Mehrwertsteuer, überwiesen aber davon keinen einzigen Cent an den Fiskus.

Ähnlich inexistent war die Steuermoral auch auf Lefkada sowie in zwei Städten Kretas. Insgesamt, so deckten die Fahnder auf, hinterziehen fast zwei Drittel der inspizierten 1400 Betriebe in den Tourismuszentren große Teile ihrer Steuern.

Eintreiben will der Staat nun seine ausständigen Abgaben nicht nur daheim, sondern auch im Ausland. Athens Zentralbank weiß von rund 400 Griechen, die im Jahr 2010 kein Einkommen angaben, aber jeweils mindestens 100.000 Euro ins Ausland überwiesen – einer davon transferierte gar knapp 26 Millionen E­uro.

Geld und Zeit sind knapp für den Pleitestaat, dessen Regierung noch diese Woche festlegen will, wie in den kommenden zwei Jahren weitere 11,5 Milliarden Euro eingespart werden können. Nur wenn die EU-Troika dieses Sparpaket als ausreichend einstuft, wird es für Griechenland im September eine weitere – dringend notwendige – Finanzspritze geben.

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