Griechen wollen es "den Deutschen zeigen"
Es ist mehr als nur ein Fußballmatch, wenn Deutschland und Griechenland am Freitag einander im Viertelfinale der Fußball-Europameisterschaft in Danzig gegenüber stehen. "Ich freue mich darauf, wir werden es den Deutschen zeigen", grinst ein griechischer Polizist an einer Ecke von Athens Syntagma-Platz, "es ist uns ja schließlich schon einmal gelungen, bei der EM 2004. Warum sollten wir es nicht noch einmal schaffen?" Sein Kollege ist sich da schon weniger sicher. "Die Deutschen, na ja, das wird nicht leicht werden. Aber auf alle Fälle werden unsere Jungs es ihnen möglichst schwer machen."
Demütigung
Die große Hoffnung, es "den Deutschen" zumindest auf dem grünen Rasen "einmal richtig zu geben", schwingt mit, wenn Millionen Griechen Freitag Abend mit ihren Nationalkickern mitfiebern. Rache? Nein, Rache sei es nicht, was die griechischen Zuschauer antreibe, glaubt Takis, aber "dieses ständige Gefühl von Demütigung, vor allem durch die deutsche Kanzlerin, das möchten wir an diesem Abend gerne zurückgeben".
Nicht den Deutschen an sich – der Griechen liebste und zahlreichste Urlaubsgäste – will man es per Fußball heimzahlen, sondern Angela Merkel. Der gestrengen deutschen Regierungschefin, der Schulden-Zuchtmeisterin, die keine Gelegenheit auslässt, die Griechen zur Einhaltung ihrer Zahlungsverpflichtungen zu mahnen. "Vor den Wahlen hat sie uns sogar gesagt, was oder wie wir wählen sollen – also das geht gar nicht", findet Takis, der Staatsbedienstete, der die ewigen Rügen aus Berlin samt der Drohungen, Griechenland werde aus der Euro-Zone fliegen, nicht mehr hören kann.
Das Sportblatt Goal-News sprach denn auch vielen genervten Hellenen mit seiner Schlagzeile aus der Seele: "Bringt uns jetzt die Merkel. Ihr werdet Griechenland nie aus der EURO rausschmeißen!" Aber Angela Merkel in Nazi-Uniform und mit Hakenkreuz, wie sie ein griechisches Massenblatt darstellte, sieht die überwältigende Mehrheit der Griechen als absolut daneben an.
Gegensätze
Griechenland gegen Deutschland – das sind zwei Nationen jeweils am anderen Ende der europäischen Finanzkrise. Hier die mächtige und reiche Wirtschaftsgröße, dort der verarmte und krisengeschüttelte Pleitestaat. Die harschen Mahnungen aus Berlin, die Griechen mögen doch bitte mehr sparen, mehr arbeiten, disziplinierter – kurz eigentlich – mehr deutsch sein, empfindet man in Hellas als Angriff auf den eigenen Lebensstil.
Das wiederum sorgt bei dem einen oder anderen für anti-deutsche Gefühle. Und plötzlich sind sie wieder da, die bitteren Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg. An die Verheerungen, die die Nazi-Truppen im besetzten Griechenland anrichteten, an die Zehntausenden Toten und die völlige Verwüstung des Landes. Da war es nur noch ein Frage der Zeit, bis ein Politiker die anti-deutschen Ressentiments zum Partei-Programm erkor: Panos Kammenos, ein strammer und wortgewaltiger Rechter, führt seine "Unabhängigen Griechen" mit sieben Prozent der Wählerstimmen als viertstärkste Kraft ins neu gewählte Parlament. Er fordert einen "Aufstand" gegen die Sparforderungen, letztlich aber vor allem gegen die Deutschen.
Aus Sicht des korpulenten, stets dröhnenden "Unabhängigen Griechen" gibt es im Land nur zwei Lager: Jenes, das Griechenlands Souveränität aufgeben will, und jenes, dessen Anhänger sich dagegen wehren, Griechenland "dem Diktat eines deutschen Europas auszuliefern".
Historie: Als die Griechen 1830 ihre Freiheit vom Osmanischen Reich erkämpft hatten, erklärten die Großmächte, sie würden den neuen Staat nur als Monarchie unterstützen. Die Wahl fiel auf Otto von Wittelsbach, Sohn des legendären Bayern-Königs Ludwigs I. Von 1832 bis 1862 war er erster König Griechenlands. Otto reiste mit 3000 Beratern an, die das Land nach deutschem Vorbild formten – bis hin zum bayerischen Reinheitsgebot für Bier. 1862 wurde Otto gestürzt, ihm folgte das Haus Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg bis zum Ende der griechischen Monarchie 1974.
1940 überfielen italienische Truppen Griechenland, konnten aber erst im Jahr darauf mit Unterstützung der deutschen Wehrmacht das Land besetzen – eine Katastrophe für die Bevölkerung. Zehntausende Juden wurden in Vernichtungslager deportiert. Bis zu 80.000 Griechen starben im Partisanenkrieg oder bei Vergeltungsaktionen der Besatzer – die zahllosen Hungertoten nicht eingerechnet. Das Land wurde ausgeplündert, die Griechen zahlten die höchsten Besatzungskosten. Deshalb werden bis heute immer wieder Reparationsforderungen an Deutschland laut.
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